Viel Erfolg mit Mountainbikes aus den USA

29.01.2008, 00:00 Uhr
Viel Erfolg mit Mountainbikes aus den USA

© privat

Als der radbegeisterte Schüler Anfang der 90er-Jahre sein erstes Mountainbike (MTB) bekam, konnte er noch nicht ahnen, dass er 15 Jahre später an der Entwicklung genau dieses legendären «Stumpjumpers« in Morgan Hill (Kalifornien) beteiligt sein sollte. Der amerikanische Hersteller brachte 1981 weltweit das erste Serien-Mountainbike auf den noch jungen Markt, es trägt seither den Namen des (frei übersetzt) «Baumstumpfhüpfers«. «Mich hat das Rad damals schon begeistert«, erinnert sich Jan. Seinen Traumjob sah er seitdem bei dem Unternehmen, ohne unbedingt nach Amerika zu wollen, erzählte der Radfreak nach seinem Wechsel in die USA der Zeitschrift pedaliéro.

Heute steckt sehr viel Ingenieurswissen von ihm in dem Modell und in den verschiedenen Schwesterrädern, die auf dem ganzen Globus vertrieben werden. Der Schweizer Christoph Sauser errang 2007 sogar die MTB-Marathon-Weltmeisterschaft auf einem «seiner« Räder.

Audi einen Korb gegeben

Der Grundstein für Talavaseks Karriere und Know how wurde Ende der 90er-Jahre an der Georg-Simon-Ohm FH gelegt. In Nürnberg studierte er - nach dem Fachabitur in Weißenburg - Fahrzeugtechnik. «Da stand für mich schon fest, dass ich in die Radbranche und die Fahrradentwicklung wollte«, sagt der sympathische Wahl-Amerikaner mit Elternhaus in Mittelfranken.

Während des Studiums machte er ein Praktikum bei der deutschen Radschmiede «Votec«. Hier knüpfte Jan wichtige Kontakte - und hielt Verbindung und Freundschaft zur Firma bis zum Studien-Abschluss. «Um sicher zu gehen, habe ich aber auch noch ein Praktikum bei Audi gemacht.« Doch dort sei er in der Motorenentwicklung einer von vielen gewesen. Nie wäre seine Beteiligung an einem neuen Fahrzeug erkennbar gewesen oder gar benannt worden. Platz für eigene Ideen habe es da kaum gegeben, sagt er rückblickend. Bei einem Fahrrad sei das anders.

Noch während des Studiums konstruierte das Mitglied des RC Germania Weißenburg sein erstes Rad zusammen mit Freunden. Ein Werkzeugtechniker fräste die Teile nach den Entwürfen. «Wir wollten uns beweisen, was geht«, erklärt er heute. «Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, das beste Downhillbike der Welt zu bauen«, schreiben die Freunde ganz unbescheiden auf der Homepage über ihr «Mole No 5«. Jan: «Ich habe noch zwei Räder davon.« Sogar Fachmagazine berichteten damals über die Eigenentwicklung, die auch die erste Praktikums-Firma endgültig überzeugt hatte.

Hart im Nehmen

Die Herausforderungen für einen Ingenieur beim Radbau sind vielfältig. Gute halb- oder vollgefederte Bikes sind heutzutage Hightech-Maschinen, die schnell mehrere Tausend Euro im Laden kosten. Die Fahrwerkstechnik und Kinematik muss so konstruiert sein, dass möglichst wenig Kräfte des Fahrers beim Treten verpuffen. Das Material muss hart im Nehmen sein und - je nach Einsatzzweck - auch hohe und weite Sprünge aushalten. «Und es muss auch gut aussehen«, weiß der passionierte Fahrer.

Zum Studienende buhlten beide Firmen um den früheren Praktikanten und künftigen Ingenieur, der unter den Besten abschnitt und Anerkennung durch Stipendien gefunden hatte. Talavasek entschied sich für das Rad - und gegen das Auto (sowie ein höheres Gehalt). Dazu passte noch, dass seine Freundin in die Nähe des Firmensitzes und seines ersten Arbeitgebers zog.

Dreieinhalb Jahre - und zwei Insolvenzen - blieb der junge Konstrukteur als Entwicklungschef bei «Votec«. Die Räder gewannen Tests. «Kurz vor der sich abzeichnenden dritten Insolvenz habe ich dann aber angekündigt, dass ich zum Jahresende gehe«, blickt er im Gespräch mit den Nürnberger Nachrichten zurück.

Bei einer Geschäftsreise trifft Jan Talavasek dann den Entwicklungschef von Specialized und erzählt ihm, dass er sich verändern wolle. Zwei Wochen später kommt ein Anruf aus Morgan Hill mit der Bitte, sich in der Firmenzentrale südlich von San Francisco vorzustellen.

Die Zusage ließ nicht lange auf sich warten. Sein Name war der Szene in Deutschland und Teilen Europas da schon ein Begriff. «In den USA aber und bei meinem neuen Arbeitgeber musste ich mich erst wieder neu beweisen«, betont er. Sein Name taucht immer wieder in Fach-Magazinen auf. Die Redaktionen bitten ihn auch um Einschätzungen, wie in der aktuellen Bike, wenn es etwa um eine neue Antriebstechnik geht.

Lust auf «Nürnberger«

Der Entwickler hat bei der neuen Firma schnell renommierte Projekte übernehmen können, wie die Konstruktion eines Carbon-Rads oder des hoch gelobten Enduro-Bikes. «Mittlerweile laufen alle großen Projekte über meinen Tisch«, sagt Jan nicht ohne Stolz. Seit Januar ist er für alle Mountainbikes im Hause zuständig. Woran er genau für das Modelljahr 2009 arbeitet, verrät er nicht. Nur so viel: Es ist ein vollgefedertes Rad, das bereits bei den mittäglichen Testrunden auf heimischen Trails ausprobiert wird. Ab und zu ist auch Firmengründer Mike Sinyard dabei.

Der schnelle Erfolg hat Jan Talavasek seit 2005 über so manches Tief in der Ferne hinweggeholfen. Angefangen von der Sprache über die hohen Mieten bis zur Tatsache, dass er zunächst allein über den großen Teich gereist war. Seine Frau Rebecca ist erst später nachgezogen. Nur eine Arbeitserlaubnis als Hebamme in den USA hat sie bisher nicht bekommen. Dafür bereichert seit anderthalb Jahren Tochter Ina die Familie. Was Jan aber - trotz 250 Sonnentagen im Jahr und die Nähe zum Pazifik - vermisst: «Nürnberger Bratwürste«.

Dafür kann der Ingenieur jetzt auch seine eigenen Ideen umsetzen - und die Produkte werden mit seinem Namen verbunden. Da trifft es sich, dass der US-Konzern demnächst in Nürnberg - Jans Studienort - im Rad-Shop «Downhill« in der Südstadt seinen ersten «Concept-Store« in Deutschland eröffnet.