Weder Blut noch Gedärme: Zu Besuch beim Tierpräparator

04.02.2014, 06:00 Uhr
Weder Blut noch Gedärme: Zu Besuch beim Tierpräparator

© Stefan Hippel

Eine Etage höher, in seinem Laden, hängt das Zeugnis puren Anglerglücks an der Wand: der Kopf eines kapitalen Wallers, präpariert für die Ewigkeit. Dass in dem Raubfisch kein Fünkchen Leben mehr glimmt, ist klar. Die übrige hier versammelte Menagerie - Fuchs, Waschbär, Wiesent, Reh, Rotfußfalke und sonstiges Wild - wirken wie paralysiert. Ramming beherrscht die Kunst, tote Tiere, die für die Nachwelt erhalten werden sollen, so aussehen zu lassen, als würden sie nur kurz regungslos verharren und gleich wieder davonstieben.

Ursprung in Ägypten

Um diese Illusion hervorrufen zu können, braucht es umfassende Kenntnisse in Biologie und Chemie. Präparatoren, auch Taxidemisten genannt, müssen sich mit Flora und Fauna auskennen, in der Metall-, Kunststoff- und Holzverarbeitung fit sein und etwas von Abformtechniken verstehen. Ihr Beruf, angesiedelt zwischen Handwerk, Kunst und Wissenschaften, hat seinen Ursprung in den Mumifizierungen der alten Ägypter. Und er ist, wie Ramming sagt, anders als der Laie denken mag, „eine unblutige Angelegenheit“.

Frische Jagdbeute wird ohne Innereien angeliefert. Dem Fuchs zum Beispiel, wird das Fell so abgezogen, dass Muskeln und Fettschichten restlos entfernt sind. Von jedem Tier bleibt nur noch die Haut mit Fell oder Federn übrig. Blut fließe dabei im Allgemeinen nicht und erst recht nicht bei weit gereisten Trophäen, beispielsweise von Safaris aus Afrika, Kanada oder sonst woher. Sie kommen getrocknet und in Einzelteilen an - Haut, Schädel, Knochen, alles extra.

Bevor der Taxidermist zum Skalpell greift, vermisst er das Tier - Größe, Gewicht, Augenabstand. Und er überlegt, in welcher Position er es verewigen will, denn die Muskulatur zeichnet sich beim Springen, Klettern, in Habacht- oder Ruhestellung jeweils ganz unterschiedlich ab. Dementsprechend modelliert der Tierpräparator den aus Holz oder PU-Schaum gefertigten künstlichen Körper. Dann wird vorsichtig das noch feuchte gegerbte Fell übergezogen und mit Wäscheklammern und speziellen Nadeln fixiert.

Wie ein Bildhauer

Sensibel wie ein Bildhauer müsse man besonders beim Präparieren von Haustieren sein, weiß Ramming. Da sei es wichtig, den individuellen Gesichtsausdruck und die Körperhaltung möglichst genau zu erfassen und herauszuarbeiten, damit die Auftraggeber in dem Präparat die Besonderheiten ihres Lieblings wiederfinden.

Im Umgang mit Fell und Häuten ist das Fingerspitzengefühl eines Chirurgen erforderlich. Manche Häute sind sehr empfindlich und reißen schnell. Wenn das passiert, dann ist das Präparat dahin. Ramming ist das, wie er sagt, bisher noch kein einziges Mal passiert. „Andernfalls kämen die Kunden nicht seit 30 Jahren wieder zu mir.“

Weder Blut noch Gedärme: Zu Besuch beim Tierpräparator

© Stefan Hippel

Damals hat er nach einer dreijährigen Ausbildung zum staatlich anerkannten Präparationstechnischen Assistenten am Walter-Gropius-Berufskolleg Bochum sein eigenes Geschäft in der Zeltnerstraße eröffnet. Die Berufsfachschule in Bochum ist bundesweit die einzige Ausbildungsstätte für diesen Beruf. Die jährlich 20 bis 30 Absolventen werden in Museen und Forschungseinrichtungen angestellt oder sie machen sich, wie Ramming, selbstständig.

In den USA genießen Tierpräparatoren ein hohes Ansehen. In Deutschland wurde der Beruf 1953 aus der Handwerksrolle gelöscht und ist somit nicht mehr geschützt. „Das heißt, jeder der als Hobby irgendwie herumwurstelt, kann sich ‚Tierpräparator‘ nennen und ein Gewerbe anmelden“, gibt Ramming zu bedenken. Als Fachkräfte anerkannt aber würden ausschließlich die Absolventen der Berufsfachschule in Bochum.

Steter Fluss von Kundschaft

Bei rund 340.000 Jagdscheinbesitzern in Deutschland mit bis zu 100 Stück erlegten Wilds pro Kopf und Saison muss der Tierpräparator so oder so nicht um sein Auskommen bangen, zumal es relativ wenig Konkurrenz gibt. Lediglich etwa 1000 Menschen arbeiten hierzulande in diesem Beruf.

Wer sind ihre Kunden? Was sind das für Leute, die sich tote Tiere ins Zimmer holen? 60 Prozent seiner Aufträge erhalte er von Jägern und Anglern und je 20 Prozent von Schulen und Museen sowie von Haustierbesitzern und Züchtern, sagt Ramming. Zu seinem Kundenkreis gehörten sowohl Großwildjäger - reiche Leute, Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur - als auch ganz normale passionierte Jäger. Allen gemeinsam ist, dass sie mit dem Tierpräparat auch das Jagderlebnis konservieren wollen.

Ein vermögender Texaner ist in seinem Domizil von mehr als 250 Wildtieren - Leoparden, Grizzlybären, Nashörner - umgeben. Etliche andere US-amerikanische Großwildjäger haben so viele Tiere erlegt, dass sie ihre Häuser vergrößern mussten, um all die Trophäen unterzubringen. Ob darunter auch Präparate von Ramming sind, weiß man nicht, denn Namen seiner Kunden verrät er nicht, nur so viel: „Sie sitzen überall in der Welt:“ Und etliche von ihnen öffnen ihm auch ihre Türe, damit er die Trophäe richtig in Szene setzt.

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