"Symbolpolitik, die kein einziges Leben rettet"

Wegen Alkoholverbotszonen: Rechtsanwalt will Stadt Nürnberg verklagen

Ngoc Nguyen

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30.11.2021, 14:11 Uhr
Seit 25. November 2021 ist Alkoholkonsum fast in der gesamten Nürnberger Altstadt verboten. So will die Stadt das Infektionsrisiko verringern. 

© Sebastian Gollnow, NNZ Seit 25. November 2021 ist Alkoholkonsum fast in der gesamten Nürnberger Altstadt verboten. So will die Stadt das Infektionsrisiko verringern. 

Auf vielen Plätzen und Straßen der Innenstadt darf zwischen Mittag und Mitternacht kein Alkohol getrunken werden, seit dem 25. November gelten diese sogenannten Alkoholkonsumverbotszonen (Karte hier). Auf diese Weise, hofft die Stadt, soll es zu weniger Corona-Infektionen in der Bevölkerung kommen. Für Eser Polat sind diese Verbotszonen "reine Symbolpolitik, die kein einziges Menschenleben retten wird". Die städtische Allgemeinverfügung sei voller "handwerklicher Fehler".

Der Nürnberger Rechtsanwalt hat angekündigt, gegen die Zonen gerichtlich vorzugehen. "Ich bin geboostert und halte mich an die Maskenpflicht. Aber mit der Klage möchte ich ein Signal für Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit setzen." Eser Polat ist im Nürnberger Rechtsamt kein Unbekannter. Der Jurist hat die Stadt schon mehrmals verklagt. Einmal wegen der Maskenzone im Zentrum. Hier besserte man letztlich nach und schränkte die Maskenzonen stark ein. Dann folgte eine Klage für einen Mandanten. Für diesen nahm er die Alkoholverbotszonen ins Visier, die die Stadt im Sommer erlassen hatte und die unter anderem den beliebten Tiergärtnertorplatz und den Köpfleinsberg einschlossen. Das Verwaltungsgericht Ansbach gab diesem Eilantrag statt und hob das Verbot auf – allerdings galt das Urteil nur für den Mandanten, alle anderen mussten sich weiterhin an das Verbot halten.

Nun also betrachtet Eser Polat die neuerlichen Alkoholkonsumverbotszonen wieder als rechtswidrig. Diesmal aber, so kündigte er im Gespräch mit der Redaktion an, wolle er für sich klagen. Er kenne aber so einige, sagt Polat, die ebenfalls eine Klage anstrengen wollen, falls er mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Ansbach Erfolg haben sollte. Der Anwalt sieht dafür gute Chancen. Zum einen moniert er "vermeidbare Fehler", die der Stadt bereits bei den Verbotszonen im Sommer vor dem Gericht in Ansbach zum Verhängnis geworden seien: "Schon wieder kann keiner erkennen, wo denn nun genau die Verbotszonen sind. Innerhalb festgesetzter Ausschankflächen ist Alkoholkonsum erlaubt, aber diese Flächen sind in der Praxis nicht immer gleichbedeutend mit der gastronomischen Fläche".

Das zweite Argument geht ans Eingemachte. Polat bezweifelt nämlich ganz grundsätzlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und erhöhter Infektionsgefahr gibt. "Das Problem ist nicht der Alkohol, sondern allenfalls das dichte Zusammenstehen. Alkoholkonsum an sich ist kein Pandemietreiber." Dazu komme, dass die 15. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) Geimpfte gegenüber Ungeimpften weniger einschränke. "Geimpfte dürfen mit oder ohne Alkohol so nahe beieinander stehen, wie sie wollen. Legitim wäre also nur eine Regelung, die besagt, dass Ungeimpfte in der Öffentlichkeit nicht zu nahe beisammen stehen dürfen."

Hier ist die Stadt der falsche Ansprechpartner, findet Nürnbergs Stadtrechtsdirektor Olaf Kuch. Der Gesetzgeber habe im 15. BayIfSMV entschieden, dass Alkoholkonsum "auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel", an denen sich Menschen aufhalten, verboten werden kann – und zwar für jeden, unabhängig vom Impfstatus. Die Stadt sei nur dafür zuständig, diese Flächen zu bestimmen. Also müsste die Verordnung an sich gerichtlich angegriffen werden. Eser Polat prüft zurzeit genau das: ob er nicht auch den Freistaat ins Visier nimmt. Damit nicht nur in Nürnberg, sondern in ganz Bayern die Alkoholkonsumverbotszonen fallen.

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