Weltfaulpelztag: So faul sind Nürnbergs Kulturschaffende
10.8.2016, 10:24 UhrHeike Duken, Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin ('Burnout für alle! Mit Volldampf in die Krise'), derzeit Stipendiatin des Deutschen Literaturfonds:
"Faulsein ist extrem wichtig! Aber man muss es sich selbst auch erlauben können, denn es steht ja nicht sehr hoch im Kurs gesellschaftlich. Das Arbeitsleben etwa hat sich sehr verändert, die Dichte hat zugenommen, der Wind ist rauer geworden. Doch dauerhaft unter Strom zu stehen, verträgt der Mensch nicht, das wirkt sich auf Körper und Seele aus. Ich glaube, wir lernen das häufig schon als Kinder nicht gut genug: Dass Faulsein auch einen Stellenwert hat, dass Langeweile wichtig ist. Denn daraus entsteht etwas Neues und Kreatives.
Mir kommt das manchmal ein wenig deutsch vor, diese Verbissenheit und der Perfektionismus. Dazu gehört für mich auch der ganze Fitness- und Schönheitswahn. Man darf ja nicht einmal mehr in der Freizeit faul sein. Nichts gegen Bewegung und gesunde Ernährung, aber das Ganze kann in Stress ausarten. Jeder sollte entspannen dürfen, und jeder muss dafür seinen ganz individuellen Weg finden: Der eine macht das Handy wirklich (!) aus, der andere lümmelt zu Hause auf dem Sofa herum. Ich habe ja die Theorie, dass die Menschen deshalb so verrückt nach Strand-Urlauben sind, weil das süße Nichtstun nur dort so herrlich erlaubt ist. Um meinen Roman schreiben zu können, muss ich übrigens auch faul sein: Mir fällt nichts ein, wenn ich dauernd irgendetwas mache. Erst kommt das Löcher-in-die-Luft-Gucken, dann das Fleißigsein."
Andreas Radlmaier, Leiter des Projektbüros im Kulturreferat: "Der Begriff 'Faulpelz' ist bei mir nicht gerade positiv besetzt. Ich persönlich verwende ihn daher auch eher im ironisch-spöttischen Kontext. Für mich gilt eher das Horaz-Prinzip 'Carpe diem', also nutze den Tag, und am besten auch noch den Abend und die Nacht dazu.
Andererseits zehre ich offenbar heute noch von einem Sommerfeeling-Rucksack, den meine Eltern mir mitgegeben haben.Der ist immer noch reichlich voll. Ich durfte als Kind die Ferien ausgiebig genießen, ein Gefühl für Zeit und Selbstbestimmung entwickeln. In meiner Erinnerung waren das ganz lange, ganz große Sommer, in denen man machen konnte, was man will. Muße im Do-it-Yourself-Verfahren sozusagen! Diese Ration Langeweile brauche ich nicht mehr, aber ich kann durchaus auch entspannen. Beim Blick auf Wasser zum Beispiel. Oder beim Blick in gedruckte Dinge jeder Art. Oder beim Gang durch neue oder bekannte Städte. Wenn man sich wirklich auf etwas konzentriert, entspannt man automatisch und muss trotzdem nicht abschalten — das Gehirn bleibt in Bewegung, man kommt auf neue Gedanken und Ideen, die Synapsen freuen sich, und das ist mir wichtig. Für reine Strand-Urlaube bin ich einfach nicht geschaffen ..."
Lisa Sophie Kusz, Schauspielerin: "Wenn zu mir jemand sagen würde, ich sei faul, würde ich wahrscheinlich antworten: ,Was? Ich und faul? Niemals!’ Wenn das aber auch heißt, im Urlaub zu sein und mal eine Woche mit einem guten Buch und einem eiskalten Bier am Strand zu liegen, dann bin ich gerne faul.
Ich finde diese Zeiten wichtig, weil einem dabei dann auch kreative Gedanken und neue Ideen kommen. Das geht nur, wenn man den Kopf frei hat. Insofern ist Müßiggang auch nützlich. Genießen kann ich das allerdings nur, wenn ich weiß, dass ich auch wirklich alles andere erledigt habe, was in meinem Beruf als freie Schauspielerin natürlich schwierig ist. Doch wenn es mal möglich ist, ist Abschalten und sich um nichts zu kümmern wunderbar, um die Batterien aufzuladen. Übrigens: Wenn faul sein, dann auch richtig! Sprich, wie ich kürzlich in meinem Urlaub, das Handy auch mal auszumachen und nicht erreichbar zu sein."
Hans Grasser, Fotograf und Lebenskünstler: "Ja, ja, so ist es mit den bedrohten Minderheiten. Jahrtausendelang werden sie unterdrückt und ausgerottet und dann gibt es einen Weltfaulpelztag, um auch die letzten übriggebliebenen Exemplare dem öffentlichen Spott preiszugeben.
Nein, nein, mit mir nicht. Stattdessen rufe ich allen ein herzliches 'schnarch, schnarch’ zu, verkrieche mich in meine Lieblingsfaulpelzecke und halte ein kleines Nickerchen. Das würde ich allen Leserinnen und Lesern auch mal empfehlen!"
Zum Faulpelztag: Neurologe Frank Erbguth erklärt, warum Pausen für uns so wichtig sind.
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