Wie Nürnberg die Auto-Pendlerströme eindämmen will

Claudine Stauber

Lokalredakteurin Nürnberg

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6.12.2019, 14:37 Uhr
Wie Nürnberg die Auto-Pendlerströme eindämmen will

© Foto: Michael Matejka

Herr Ulrich, dass Kommunen den Autoverkehr ausbremsen müssen, scheint festzustehen. Aber wie funktioniert das?

Ulrich: Städte haben da völlig unterschiedliche Problemlagen. Nürnberg importiert sehr viel Verkehr, am Tag queren 600.000 Autos unsere Stadtgrenzen. Das tut richtig weh. Entscheidend ist also die Frage, wie gut ist das ÖPNV-Netz in der Region.

Und woher kommen diese Pendler?

Ulrich: Aus allen Städten und Gemeinden in der Region. Die Nürnberger pendeln vor allem nach Erlangen und Herzogenaurach, das war’s. Bei uns sind ungefähr 260.000 Autos zugelassen, das ist pro Haushalt eines. Halten wir also fest: Einen erkennbaren Trend weg vom Auto gibt es nicht. Auch jüngere Menschen schaffen sich eines an, sie tun es nur etwas später. Aber: Die Leute fahren immer weniger mit ihrem Auto.


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Stehzeug statt Fahrzeug, das trifft’s also?

Ulrich: Das trifft es. Nur etwa 3000 Kilometer im Jahr sitzt der durchschnittliche Nürnberger im Schnitt am Steuer. Das ist lächerlich wenig, es gibt Menschen, die laufen so viel. Wenn ich das Auto also, überspitzt ausgedrückt, nur brauche, um die Oma an Weihnachten abzuholen, dann wird Carsharing sofort interessant. Es hat vor allem den Vorteil, dass ich nicht das ganze Jahr über ein Auto parken und unterbringen muss.

Gegen die gigantischen Pendlerströme hilft das aber nicht.

Ulrich: Pendler in der Region haben teilweise die Alternative S-Bahn und anderen ÖPNV, teilweise haben sie gar keine Alternative umzusteigen, und dann wird’s richtig schwierig. P&R-Angebote muss es also weiter draußen geben, an den Außenästen der S-Bahn. Hier gibt es noch große Lücken. Ein Parkhaus an der Stadtgrenze wie Herrnhütte mit 600 Plätzen füllt gerade mal einen U-Bahn-Zug. Das bringt nicht viel.

Wovon hängt es ab, ob es solche P&R-Angebote für Pendler gibt oder nicht?

Ulrich: Von lokalen Bürgermeistern, die ihre kostbaren Flächen planerisch dafür herausrücken — oder eben nicht. P&R-Plätze rangieren leider oft hinter Gewerbe- oder Wohnbauflächen. Und wer mit dem Auto nach Nürnberg fährt, macht dort Probleme, nicht daheim. Das heißt: Wer in Nürnberg wohnt, hat Lärm und Gestank, den Menschen verursachen, die draußen im grünen Idyll wohnen. Es kann nicht sein, dass wir als Stadt diese Lasten weiter ungebremst importieren.


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Der Wagen steht vor der Tür, das VGN-Ticket kostet zusätzlich. Senkt das die Waagschale nicht immer Richtung Individualverkehr?

Wie Nürnberg die Auto-Pendlerströme eindämmen will

© Foto: Edgar Pfrogner

Ulrich: Die Kosten sind nie ein entscheidendes Argument bei unseren Fahrgast-Umfragen. Entscheidend ist die Reisegeschwindigkeit. Sobald die S-Bahn schneller ist als das Auto, wird sie genutzt. Ganz, ganz wichtig ist die Zuverlässigkeit. Das sehen wir am Negativbeispiel Gräfenbergbahn. Sie ist zwar schneller, aber wenn es Probleme gibt, werden die Abos gekündigt und die Bayreuther Straße ist wieder voll.

Ein Auto ist Wohnzimmer, Selbstdarstellung, Freiheit. Als die Bürgermeisterin von Oslo 700 Innenstadtparkplätze ersatzlos strich, bekam sie Morddrohungen.

Ulrich: Ich sehe dennoch einen Wandel, das Auto ist nicht mehr so stark mit Bedeutung aufgeladen. Wer es aber als erweitertes Wohnzimmer sieht, tut sich hart mit dem Umdenken. Am schwersten haben wir es mit Menschen, die mit Sachzwängen argumentieren, die irgendwelche Dinge im Auto von A nach B transportieren müssen. Den unnötigen Verkehr aber, also die 800-Meter-Fahrt durch die Altstadt oder das Pendeln parallel zur S-Bahn, kann man über die Parkplatz-Frage sehr gut steuern.

Also weg mit Parkplätzen, siehe Oslo?

Ulrich: Wir müssen zumindest die kostenlose Nutzung des öffentlichen Raums langsam zurückfahren. Das haben alle Städte gelernt. Dass der Autofahrer fürs Parken Geld einkalkulieren muss, ist nur gerecht. Der VGN-Fahrgast muss das für seine Mobilität schließlich auch.

Zehn Cent am Tag für einen Anwohner-Parkplatz ist aber sehr bezahlbar.

Ulrich: Ein Schnäppchen, wobei der Platz ja nicht immer verfügbar ist. Nürnberg hat jetzt beschlossen: Jeder Stellplatz innerhalb der Stadtmauer wird Geld kosten. Damit zeigen wir auch, dass der öffentliche Raum einen Wert hat. Die Schlauberger, die aus den Landkreisen mit ihrem Wagen bis in die Altstadt fahren, müssen sich etwas Neues ausdenken – oder bezahlen.

An welchen Schrauben kann die Verkehrsplanung noch drehen?

Ulrich: An den Ampelschaltungen an den Eingangsstraßen. Man gibt hier weniger Grünzeit, weil sonst die Stadtstraßen voll sind. Erst der nächste Schritt wäre der Verzicht auf eine Fahrspur; ein Teil der Fürther Straße käme da infrage.

Unterm Strich klingt das wie ein Plädoyer gegen den Frankenschnellweg. 

Ulrich: Für dieses Thema bin ich zum Glück nicht zuständig und dazu äußere ich mich auch nicht.

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