„Wir nahmen uns gleich die schwierigsten Routen vor“

25.02.2012, 17:00 Uhr
„Wir nahmen uns gleich die schwierigsten Routen vor“

© Andreas Franke

Wer zu Armin Erdenkäufer fährt, braucht eine gute Wegbeschreibung. Nach einigen Minuten auf der einsamen Straße fragt man sich, ob das noch der richtige Weg ist. Doch dann tauchen in der Ferne erste Dächer auf. Der sympathische Bergfex wohnt in Möchs, tief in der „Fränkischen“. Sein Holzhaus mit Kamin und den gemütlichen Möbeln im offenen Wohnbereich liegt mitten in der Natur.

Hier schuf er sich schon 1978 einen Ruhepol, obwohl er damals noch in Langwasser wohnte. In der einstigen komfortablen Kletter-Unterkunft gaben sich berühmte Alpinisten die Klinke in die Hand, von Reinhold Messner über Stefan Glowacz bis zum verstorbenen Freund Kurt Albert.

Wenn man alteingesessene Nürnberger auf Armin Erdenkäufer anspricht, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Das ist doch der mit dem Sportgeschäft in der Südstadt.“ Erdenkäufer & Falk war in den 1970er und 80er Jahren das Bergsportgeschäft in Nürnberg. Die fränkische Szene rüstete sich hier mit Haken, Steigeisen, Seilen und Kleidung aus. Kein Wunder. Kaum einer kannte sich so gut aus mit dem Metier wie der drahtige Nürnberger Gipfelstürmer.

„Die Berge sind mein Leben“, sagt der gebürtige Wilhermsdorfer. Dabei fängt er als Bub zunächst mit Fußball an. Ein Nachbar nimmt den 15-Jährigen, der später Dekorateur lernt, erstmals mit zum Klettern. Das ist 1950 – und der Beginn einer großen Leidenschaft zum Fels. Die Fränkische Schweiz liegt vor der Haustür, die Ausrüstung kommt aufs Rad. „Wir hatten noch nicht die Möglichkeit, mit dem Auto in die Alpen zu fahren!“ Also klettert er mit Freunden alle Routen bis zum Schwierigkeitsgrad 6+ in der Fränkischen. Die Märzfeldtürme am Ex-Reichsparteitagsgelände dienen ihm und Otto Siegl als Übungspfeiler in der Stadt.

Volles Risiko

Doch reizen ihn und die Seilgefährten die hohen Berge. Ab 1954 reisen sie mit Rad oder Motorrad in die Alpen, machen eine schwierige Tour nach der anderen. Die vielen Einträge im grünen Gipfelbüchlein zeugen vom Ehrgeiz. Grandes Jorasses, Matterhorn-Nordwand, Bonatti-Pfeiler, Nordverschneidung der Laliderer Wand, Direttissima am Predigtstuhl im Wilden Kaiser etc.

„Wo andere hinaufgeklettert sind, wollte ich auch rauf. Wir haben uns gleich die schwierigsten Routen vorgenommen“, sagt er heute, verwundert über so viel Waghalsigkeit. Zusammen mit seinem Bruder Hartwig meistert Armin Erdenkäufer in den 1950er Jahren Erstbegehungen. 1957 folgt die Aiguille du Dru im Montblanc-Massiv mit der 1100 Meter hohen Westwand. Es ist die zweite deutsche Begehung und mit drei Biwaks in der Wand „das Schwerste, was ich gemacht habe“.

Kein Wunder, dass ihn der Münchener Karl Herligkoffer 1961 auf seine Expedition zum 8125 Meter hohen „deutschen Schicksalsberg“ Nanga Parbat einlädt. „Das war für mich der größte Traum! So wie eine Einladung zur Fußball-Nationalmannschaft.“ Im April 1962 soll es für den 26-Jährigen losgehen. Wenige Tage vor dem Start der Expedition treffen sich die Teilnehmer in München, um das Material zu verstauen. Armin Erdenkäufer fährt danach noch einmal nach Hause, um seine persönlichen Sachen zu holen. Doch er wacht nach einem Autounfall mit dem alten VW im Krankenhaus von Ingolstadt auf.

Aus der Traum

Aus der Traum von der Expedition. Das Becken ist gebrochen, die Knie verletzt. „Mit dem Bergsteigen ist es aus!“, haben ihm die Ärzte gesagt, Erdenkäufer verbringt eine Zeit lang „von oben bis unten“ in Gips und stellt später fest, dass die Hüfte schief bleibt. „Ich konnte meine Füße nicht mehr über die Türschwelle heben“, schildert er das Ausmaß der Verletzungen. Doch die Mediziner unterschätzen seine Willenskraft.

Endlich Bergführer

„Nach einem Jahr bin ich wieder schwerste Routen geklettert.“ Als Spätfolgen muss er sich aber 1999 ein künstliches Knie einsetzen lassen, 2006 folgt das zweite. Was ihn bis heute nicht davon abhält, in die Berge zu gehen, Alpinski zu fahren und die Langlaufbretter unterzuschnallen. Der US-Hersteller der Knieprothesen hat Erdenkäufer mit Kletter-Foto im Werbe-Prospekt verewigt. Mit seinem Operateur war er Tiefschneefahren.

Ein weiteres Expeditions-Angebot von Herligkoffer lehnt er dann aber doch ab. Und erfüllt sich seinen zweiten Traum in den 70er Jahren: die Ausbildung zum Bergführer. „Ich war damals der Erste nördlich der Donau“, sagt er nicht ohne Stolz. Viele Gruppen führt er. Sein Sohn, mit dem er jedes Jahr in die Dolomiten fährt, ist ebenfalls ein sehr guter Kletterer, wie auch seine Enkelin.

Dass er seine Frau beim Klettern kennenlernt (in der Hersbrucker Schweiz), versteht sich von selbst. Mit ihr bereist er viele Länder. 40 Fotoalben, Erinnerungsstücke und viele Bildbände zeugen von der Bergleidenschaft und dem ungebrochenen Fernweh. Er hat gute Freunde in Nepal.

Erdenkäufer verliert viele Kameraden in der Wand. Doch der Tod seiner Frau Heidi trifft ihn 2004 hart. Er zieht sich zurück, ringt lange mit dem schweren Verlust. Erst nach und nach öffnet er sich Jahre später wieder für Freunde und Bekannte. Für dieses Gespräch – bei einer guten Vesper – holt der gastfreundliche Senior erstmals wieder alte Alben heraus. Die Erinnerung, so scheint es, tut ihm gut. Und die Berge verleihen ihm noch immer Kraft. Im September geht es daher wieder, dann schon mit 77 Jahren, nach Mustang (Nepal).

Keine Kommentare