Wo in Nürnberg ein Hauch von Italien weht
24.5.2018, 10:20 UhrWenn man eine deutsche Stadt mit Italien vergleicht, ist das immer so eine Sache. Manchmal aber kommt das mediterrane Lebensgefühl wirklich rüber, zumindest in den kleinen Dingen. Quert man die Karlsbrücke in der Nürnberger Altstadt an einem strahlenden Sommertag und sieht Menschen ratschend bei einer Tasse Espresso an der Brüstung der Brücke lehnen, scheint Italien nicht mehr so fern.
Die Karlsbrücke besteht aus zwei Teilen, der Unteren und der Oberen Karlsbrücke. Zwischen ihnen liegt die Pegnitzinsel mit dem Trödelmarkt. Die Untere Karlsbrücke zwischen Karlstraße und Trödelmarkt wurde 1486 erbaut und gehört damit zu den frühen erhaltenen Steinbogenbrücken in Deutschland.
Die Obere Karlsbrücke, die Trödelmarkt und Lorenzer Altstadt verbindet, entstand im 15. Jahrhundert nach dem Vorbild von Andrea Palladios Brücke über den Fluss Brenta im oberitalienischen Bassano di Grappa.
An den berühmten Ponte Vecchio über den Arno in Florenz wiederum erinnerte der Brauch, die Ränder der Brücke mit festen Marktbuden zu versehen. 1728 erhielt sie durch Stadtbaumeister Christoph Gottlieb Volckamer eine Generalüberholung, der sie ihr heutiges barockes Kleid – nun ohne Marktbuden – verdankt.
Namenspate der Karlsbrücke ist übrigens nicht Kaiser Karl IV., der wegen seines 700. Geburtstags vorletztes Jahr in aller Munde war. Vielmehr war es Karl VI. (1685-1740), den die Nürnberger mit dem barocken Prachtbau ehren wollten. Zu einem Besuch konnte die lutherische Reichsstadt den erzkatholischen Österreicher damit aber nicht bewegen. Selbst schuld!
Möglicherweise hätte eine Melange (eine österreichische Kaffeespezialität) mit dem Vordersten Losunger – dem Kontrolleur der Stadtfinanzen – auf der Karlsbrücke den Monarchen mit der widerspenstigen Reichsstadt versöhnt. Zumal sich die Nürnberger in puncto Prachtentfaltung an und auf der Brücke nicht lumpen ließen: Die beiden Brückenkanzeln verzierte man durch monumentale Obelisken, auf denen der Kriegsadler und die Friedenstaube einander gegenüber sitzen, durch von Girlanden umkränzte Inschriftentafeln aus Bronze und reiche Kunstschmiedegitter.
Die nationalsozialistische Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Willy Liebel entblödete sich 1936 nicht, die eben ausgebaute Hallertorbrücke ein paar Hundert Meter pegnitzabwärts mit Obelisken nach Vorbild der Oberen Karlsbrücke zu versehen.
Diese Monumente, die zu allem Überfluss mit antisemitischen Inschriften und Lobeshymnen auf den Schweizer NSDAP-Landesgruppenleiter Wilhelm Gustloff versehen worden waren, verschwanden sang- und klanglos nach dem Zweiten Weltkrieg und mit ihnen die prätentiöse Anlehnung an die altehrwürdige Karlsbrücke.
Diese entging Fliegerbomben und Brückensprengung – vor dem Automobil aber drohte sie irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes in die Grätsche zu gehen. Da kam die Frischekur, die das Bauwerk 2016 bis 2017 statisch ertüchtigte und seinen Bauschmuck instand setzte, gerade richtig.
Der Randbebauung der Karlsbrücke war im Zweiten Weltkrieg weniger Glück beschieden. Nur zwei Gebäude überstanden das Inferno – die 1883 erbauten "Trödelstuben" (Trödelmarkt 30), unter deren Putzfassaden sich ein zur Bauzeit hochmodernes Eisenfachwerk verbirgt, und das frühere Modehaus Gebrüder Marx (Kaiserstraße 36), das Hans Müller 1907 anstelle der alten Krötenmühle errichtete.
Immerhin gelang es beim Wiederaufbau, durch eine kleinteilige Neubebauung mit Laubengängen zur Pegnitz den früheren Charakter des Trödelmarkts in die neue Zeit hinüberzuretten. Auf der Lorenzer Seite entstand in den 1960er Jahren mit dem Haus An der Karlsbrücke 2-4 (ehemals "Pelze Unbehauen") ein Neubau, der sich durch seine mit Travertin verkleideten Fassaden und sein später ergänztes hohes Satteldach mit Terrasse im Giebel von den eher zurückhaltenden Nachkriegsbauten an der Pegnitz abhebt.
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