Ein Fall von schier unendlicher Sammelleidenschaft

9.7.2011, 00:00 Uhr
Ein Fall von schier unendlicher Sammelleidenschaft

© Irene Lenk

Dort, wo die allermeisten Eigenheimbewohner das Wohnzimmer haben, hat er die Werkstatt. Daneben, wo normalerweise eine Küche steht, ist das „Infozentrum“ mit Prospekten aus der ganzen Region. Im Schlafzimmer stehen einige Ersatzteile und eine Werkbank und im Keller, wo sonst Heizung und der Wäscheraum untergebracht sind, liegen Hunderte Ersatzteile, fein säuberlich in Regalen angeordnet und sortiert.

Nur der Dachboden erfüllt seine ursprüngliche Bestimmung: Dort steht, was nicht ständig gebraucht wird. In diesem Falle rund 70 Motorräder und Mopeds, die zu schade zum Fahren sind, fein säuberlich restauriert und systematisch angeordnet.

Alles vollgestopft

Ein Haus nur für Motorräder und Ersatzteile hat Manfred Brünner vor 20 Jahren gebaut und nach und nach eingerichtet. Keller, Erdgeschoss, Dachboden, ein Anbau und drei Garagen: alles vollgestopft mit motorisierten Errungenschaften früherer Zeiten.

Längst vergangene deutsche Markennamen stehen hier Lenkrad an Lenkrad: DKW, Zündapp, Kreidler, Hercules, ja sogar eine „Imme“ steht hier, eine „Simson“ und eine Horex, die durch den „Werner“ -Erfinder Wilhelm Feldmann alias „Brösel“ Berühmtheit erlangte.

Die älteste Maschine ist eine NSU 501.TS Baujahr 1928 mit 500 Kubikzentimeter Hubraum, elf Pferdestärken und 100 km/h Höchstgeschwindigkeit. Sie gehörte seinem Vater, erzählt Brünner stolz: „Auf ihr hab ich als Junge das Fahren gelernt.“ 65 Jahre ist das nun her, ungefähr, sagt der heute 73-Jährige weiter und die Leidenschaft für alte Motorräder ist seither nur gewachsen.

1957 ist er vom thüringischen Suhl in den Westen gekommen, hat als Bäcker und dann als Berufskraftfahrer sein Leben lang gearbeitet. Vor 35 Jahren zog es ihn hierher nach Möchs, einem kleinen Ort bei Hiltpoltstein und seit 20 Jahren gibt es das Motorradmuseum, das er gleich neben sein Wohnhaus gebaut hat.

Zusammen mit Sohn Peter bastelt Brünner fast täglich an seinen Maschinen, wenn er nicht grad auf einer Ersatzteilmesse nach Kleinteilen sucht oder eine der vielen Motorradgruppen durch die Räume führt. Das Museum hat sich rumgesprochen in der Biker-Szene, gilt als ausgesprochener Geheimtipp.

Auch deshalb, weil Brünner immer für seine Gäste Zeit hat, die überwiegend während der Freiluftsaison kommen. Es ist keine Voranmeldung erforderlich, will man die Motorräder ansehen und mit dem Chef fachsimpeln. Seine Maschinen hat er größtenteils in der Fränkischen Schweiz gesammelt. „Bis nach Bamberg bin ich gekommen, in jedem Dorf hab ich Ausschau gehalten.“

Viele Maschinen rettet er vor der Schrottpresse und richtet sie liebevoll wieder her. „Alle Maschinen hier sind fahrtüchtig“, sagt er stolz beim Vorbeigehen an den vielen Raritäten, die heute fast nur noch unter eingefleischten Oldtimer-Fans bekannt sind. Darunter eines der ersten Mofas, das Honda im Jahre 1967 gebaut hat; mit Fahrradlenker, Antriebskette wie bei Fahrrad, Tretpedalen und einem Hilfsmotor am Hinterreifen. Oder eine 750er Zündapp mit Beiwagen von 1943, auf die man im Weltkrieg ein Maschinengewehr montierte.

Manche Motorräder können Geschichten erzählen, wie die „Imme“ aus der Nachkriegszeit. Erfinder dieses Mopeds war Ingenieur Norbert Riedel aus Nürnberg, der für Victoria und Triumph als Konstrukteur arbeitete und für die Messerschmitt-Werke einen Anlassermotor baute. Bevor er mit seiner „R 100“ in Immenstadt (daher der Name „Imme“) in die Serienfertigung ging, entstanden 1947/48 einige Prototypen zu Testzwecken, die er „Muggen“ taufte, weil er sie in Muggendorf baute. Viele Jahre lang erinnerte eine Gedenktafel beim Firmengelände in der Wiesentstraße an die Ursprünge der „Imme“ und Imme-Fans treffen sich alle paar Jahre hier.

Tafel verschwunden

Doch mittlerweile ist das Firmengelände verkauft, die Tafel verschwunden. Und so wird auch das Wissen um das legendäre und einzige in der Region gebaute Motorrad bald verblassen. Dass es nicht so schnell so weit kommt, dafür sorgt Brünner, der noch heute überwiegend auf dem Motorrad unterwegs ist.

Für längere Strecken bevorzugt er zwar eine der beiden 1200er BMW-Motorräder, mit bis zu 134 Pferdestärken. „Die sind gut beim Überholen“, meinte er lächelnd. Für Kurzstrecken innerhalb der Region schraubt er jedoch ein rotes Kennzeichen auf eines seiner Oldtimer-Motorrädern und düst los. Beneidenswert. Wer kann schon aus zirka 140 fahrtüchtigen Motorrädern jeden Tag ein anderes auswählen?