Frei.Wild: "Wir grenzen keinen aus"

25.1.2015, 21:59 Uhr
Frei.Wild:

Die Freiwild-Fans verehren die Band abgöttisch und verteidigen sie erbittert gegen Kritik. Woher kommt das?

Philipp Burger: Weil die Leute eigentlich nicht mehr brauchen als das, was unsere Texte sagen. Sie können sich damit gut identifizieren. Ich glaube, dass es heute wenige Bands gibt, die durch die Bank mit fast 300 Songs ein positives Lebensgefühl vermitteln, die handgemachte, ehrliche Rockmusik machen. Rock 'n' Roll mit deutschen Texten. Nicht jeder kann Englisch. Das beste Beispiel sind wir selbst. Wir lernen Italienisch als Zweitsprache. Und ich glaube, dass wir eine gute Liveband sind. Wir sind nah dran an den Fans, und die Fans sind nah dran an uns.

Der durchschnittliche Freiwild-Fan fühlt sich irgendwie benachteiligt und schimpft auf das System. Trifft diese Einschätzung zu?

Burger: Auf keinen Fall. Ich kenne so viele Leute, die einfach nur das totale Lebensglück ausstrahlen. Ich glaube aber trotzdem, dass die Band den Auftrag erfüllt, den Rockmusik seit eh und je hatte: Eine gewisse Kante zu zeigen, eine gewisse Rebellion in sich zu tragen. Rockmusik wurde geschaffen, ein Ventil zu sein. Das ist bei jeder Rockband so, dass man mit Leuten diskutiert. Die Leute sollen eine Meinung haben. Das ist bei Freiwild nicht anders als bei jeder anderen Band.

Auf meiner Fahrt hierher lief „American Idiot“ von Green Day im Radio. Der Text nutzt eine sehr direkte Sprache mit einer Menge Kraftausdrücke. Bei Freiwild ist das ähnlich. Was ist der Unterschied zwischen Freiwild und Green Day?

Burger: Das ist eine gute Frage... Wir singen deutsch. Das ist schon mal ein Problem für viele. Würde man solche amerikanischen und englischen Bands ihre Texte auf Deutsch singen lassen, dann glaube ich, hätten wir all unsere Probleme nicht. Schau dir den Sexismus und die Frauenfeindlichkeit im Rap an. Was da in fremden Sprachen abgeht, das würden wir uns nicht trauen. Was wir singen, ist im Endeffekt einfach Musik aus dem Leben. Ich finde es gut, dass es mittlerweile Bands gibt, die das vermitteln, was wir vermitteln. Und zwar, dass es sich lohnt, am Morgen aufzustehen und irgendwas zu Arbeiten, einen Schulabschluss zu machen und sich nicht einfach hängen zu lassen. Nicht wie bei ein paar alten Punkbands: Scheiß auf die Schule, scheiß auf die Eltern, scheiß auf die Lehrer, scheiß auf den Arbeitgeber. So wird man im Leben nicht erfolgreich. Da sind wir auch ein Vorbild. Wir haben alle ein Handwerk gelernt. Wir sind Unternehmer, wir nehmen keine Drogen, haben wir nie genommen. Und vielleicht ist auch gerade deshalb bei Freiwild der Erfolg etwas größer, als bei manch anderer Band.

Ihr singt viel über Heimat...

Burger: Nein, das stimmt nicht. Wir singen über alle Grundbedürfnisse, die der Mensch hat. Wir singen auch über Schlaflosigkeit, über verflossene Liebe, wir singen über durchzechte Nächte. Wir singen genauso von kaputten Autos und kaputten Bierflaschen oder sonstwas. Wir haben über 300 Songs. Und in vier oder fünf Songs wird das Thema Heimat besungen. Und ich finde, als Südtiroler, mit unserer Historie, mit der Musik, mit der wir aufgewachsen sind – mit Schlager- und Volksmusik – da ist das Thema Heimat allgegenwärtig. Da hätten wir noch 20 Lieder mehr schreiben müssen und haben es nicht gemacht. Weil wir auch sagen: Wir machen die Lieder, die uns im Herzen brennen. Und dafür sind wir dankbar. Aber wir grenzen deswegen ja keinen aus.

Was bedeutet für euch, für die Band Heimat?

Burger: Heimat beinhaltet alles, wo wir sagen, das ist ein enorm großer Teil Glück. Das ist unser friedliches – auch zweisprachiges – aufwachsen in einer weltweiten Vorzeigeautonomie, wie sie Südtirol hat. Es ist eine wunderschöne Natur. Es sind die Momente der Vergangenheit, die wir von kleinauf erlebt haben. Vertrautheit, Sicherheit – das ist für mich Heimat. In der Früh aufzustehen und sagen: Wow, ich habe hier ein wunderschönes Land, und ich habe dazu beigetragen.

Was macht Heimat kaputt?

Burger: Umweltverschmutzung zum Beispiel. Alles, was nicht mit einem sorgsamen Umgang zu tun hat. Genauso muss ich sagen, dass man bei uns auch die alten Traditionen und die Bräuche wie ein Herz-Jesu-Feuer pflegt. Ich finde auch total gut, wenn man sich am Sonntag nach der Kirche auf dem Dorfplatz trifft und gemütlich was trinkt. Das ist wichtig für das Sozialgebilde in jedem Dorf.

Was ist für Dich der Unterschied zwischen einem heimatverbundenen Patrioten und einem Rechten?

Burger: Also die Sache ist ganz einfach. In Deutschland wird jemand mit konservativen Werten als Rechtsradikal bis Nazi bezeichnet. In Italien ist es so, dass jemand mit einer konservativen Werthaltung nicht gleich als Nazi hingestellt wird. Nachdem in Deutschland das Wort "Rechts" blind übergleitet wird zum Nazi ist das ein großer Unterschied. Für mich ist ein Patriot jemand, der keine Ausgrenzung betreibt, der sich nicht besser als jemand anders fühlt. Der einfach nur glücklich ist, irgendwo aufgewachsen zu sein und dort ein positives Lebensgefühl erfährt. Und dafür ist er dankbar und trägt seinen Teil dazu bei. Das ist ein Mensch mit einer gesunden Heimatliebe. Rechts ist in Deutschland gleich Nazi, und da brauchen wir bitte nicht weiterreden.

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