Strafbefehl
Kirchenasyl: Strafe für Pegnitzer Pastor Stefan Schörk
7.11.2021, 11:28 UhrDie Enttäuschung bei Pastor Stefan Schörk von der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde (EmK) Pegnitz war groß. Wegen Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel – sprich, weil er einem 24-jährigen Iraner Anfang des Jahres Kirchenasyl gewährt hat – wurde er vor dem Amtsgericht Bayreuth schuldig gesprochen. "Was ich getan habe, war nichts Schuldhaftes, es war Auftrag meiner Christenpflicht und für die Menschlichkeit", sagt der 47-Jährige.
Die Besucherplätze im Gerichtssaal reichten nicht aus. Zahlreiche Unterstützer – unter anderem aus der EmK aus Pegnitz und Bayreuth – mussten vor der Tür warten. "Ich bin schon etwas nervös", sagt Schörk vor Verhandlungsbeginn. Das Urteil werde Signalwirkung in Sachen Flüchtlingspolitik haben.
Der Asylantrag des jungen Iraners war vergangenes Jahr abgelehnt worden. Dieser war seit Mitte Oktober ausreisepflichtig, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Überstellung nach Griechenland angeordnet hatte. Die Frist dafür lief Anfang April ab. Mitte Januar hatte sich der 24-Jährige ins Kirchenasyl begeben, um einer Abschiebung zu entgehen. Das hatte Pastor Schörk den Behörden angezeigt und ein Härtefalldossier eingereicht. Das Dossier wurde vom BAMF Ende Februar abgelehnt und es forderte die Beendigung des Kirchenasyls. Dennoch habe er das Asyl bis zum 10. April fortgesetzt, so Staatsanwalt Stefan Hoffmann in seiner Anklage.
Seit rund sechs Jahren setzt sich Schörk mit seinen Kirchengemeinden Pegnitz und Bayreuth für Geflüchtete ein. Deutschunterricht, Arbeitsplatzsuche, Behördengänge gehören dazu. Etwa 25 Mal hat er schon Kirchenasyl gewährt, das er erst nach sorgfältiger Prüfung begonnen habe, sagt Schörk vor Gericht.
Langer Leidensweg
Unzählige habe er auch abgelehnt, weil die Situation der Betroffenen nicht von einer solchen Schwere gekennzeichnet war wie bei dem Iraner. Dieser hatte Anfang des Jahres von seinem Vater, einem Moslem, erzählt, der ihn geschlagen hatte, davon, dass er während seiner Flucht aus dem Iran in Griechenland auf der Straße gelebt und illegal bei einem Schlepper gelebt hatte. Er war mehrmals im Gefängnis, wurde geschlagen, bekam kaum etwas zu essen.
Unter den vielen Anfragen auf Kirchenasyl seien immer wieder Einzelschicksale herausgestochen, alleinerziehende Mütter, missbrauchte Frauen, Männer mit Foltererfahrungen, traumatisierte Kriegsflüchtlinge. Jedes von ihm eingereichte Dossier sei aber abgelehnt worden und er wurde im Einzelfall aufgefordert, das Asyl aufzulösen. "Das war nie Bestandteil der Absprachen zwischen den Kirchen und dem BAMF", so Schörk weiter, "das war immer ein Alleingang des Ministeriums."
Die Dossiers seien nicht mehr von einer unabhängigen Kommission geprüft worden. "Kriterien waren nicht mehr humanitäre Gesichtspunkte." Diese hätten aber bei ihm gezählt. Nach seinen christlichen Überzeugungen hätte er nicht anders handeln können. "Dort, wo Menschen an Leib und Leben in Gefahr stehen, wo ihre Seele verletzt ist und weitere Verletzungen drohen, da muss ich helfen", sagt Schörk.
Er predige jeden Sonntag von Nächstenliebe und dem Einsatz für Randgruppen sowie für ausgestoßene Menschen. "Meine Worte müssen sich an Taten messen lassen." Das, was hier von ihm verlangt werde, könne er nicht, er könne nicht gezwungen werden, die Hilfe in extremen Ausnahmesituationen zu verweigern. Die Abschiebung nach Griechenland wäre für den jungen Iraner eine erneute Entwurzelung gewesen.
"Das Land ist mit Flüchtlingsproblemen überfordert, es garantiert keine fairen Asylverhandlungen." Schließlich zitierte Schörk ein Schreiben des Staatsanwaltes an ihn, eine Reaktion auf verschiedene Ermittlungsverfahren, die gegen ihn eröffnet wurden. "Das Ermittlungsverfahren wird eingestellt, es hat sich herausgestellt, dass sie unschuldig sind", heißt es da. Ihm sei also bestätigt worden, dass sein Handeln nicht strafbar wäre. Er sei sich sicher gewesen, sich in einem rechtlich straffreien Raum bewegt zu haben.
"Sie wussten von dem negativen Härtefalldossier und sind nicht tätig geworden", hielt der Staatsanwalt dem Pastor vor. Er habe Schörk über eine eventuelle illegale Handlung informiert, als er ihn über die Anlehnung des Dossiers informiert hatte. Das teilte ein Pegnitzer Polizist mit, der als Zeuge geladen war. Gleichzeitig bestätigte er, dass er Schörk sinngemäß die Aufforderung der Staatsanwaltschaft mündlich übermittelt habe, das Kirchenasyl zu beenden.
Plädoyer des Staatsanwaltes
"Die strafrechtliche Relevanz wurde vom Angeklagten nicht eingeräumt, ein Duldungsanspruch ist nicht herzuleiten", so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Schörk habe vom Abschiebeauftrag gewusst und deshalb bestehe keine Veranlassung, auf Straflosigkeit zu hoffen. Er forderte deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro. Sein Mandant habe den objektiven Sachverhalt eingeräumt, so Verteidiger Michael Brenner in seinem Plädoyer. Er verwies aber auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, dass ein Asylbewerber nicht bestraft werden dürfe. "Bei der Rechtsprechung zwischen Abschieben und Duldung darf das Kirchenasyl kein Hindernis sein", so Brenner.
Der Staat würde sonst ein strafbares Verhalten schaffen, das aber nicht vom Grundgesetz getragen werde. "Mein Mandant hat das Kirchenasyl mit Bedacht entschieden", betonte er. Er habe es nicht beenden können, weil Schörk sonst in einen Gewissenskonflikt geraten wäre. Deshalb fordere Freispruch.
Doch Richterin Christiane Breunig sprach ihn schuldig und verhängte eine Geldauflage in Höhe von 1500 Euro, eine auf zwei Jahre befristete Verwarnung. Grundsätzlich sei das Kirchenasyl kein zulässiger Entscheidungsgrund. "Grundrechte werden vom Staat garantiert und wenn der Staat kein Asyl gewährt, hat das jeder zu akzeptieren."
Er habe nichts Schuldhaftes getan, nur was seine Christenpflicht ist, so Schörk im Anschluss an die Verhandlung. Die Kriminalisierung des Kirchenasyls sei ein Skandal und das Urteil habe Signalwirkung. "Ich finde das schlimm." Der Pastor und sein Anwalt überlegen, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werden.