Klinikum Bayreuth schickt 3000 Mitarbeiter in "Pendel-Quarantäne"

26.1.2021, 21:13 Uhr
Klinikum Bayreuth schickt 3000 Mitarbeiter in

© Foto: News5/Fricke

Erstmals in der Geschichte Bayreuths ist eine ganze Klinik in Quarantäne gegangen. Schuld daran ist das Auftauchen der englischen Mutation des Coronavirus. Aufgenommen werden jetzt nur noch dringende Fälle. Wie lange das dauert, steht nicht fest. Es hängt auch davon ab, ob und, wenn ja, wie stark sich die Virus-Mutation außerhalb des Klinikums verbreitet hat.

Ereignisse überschlugen sich

Der Notfall hatte sich bereits am Montagabend, 18 Uhr, angedeutet. Da hatte die Klinik das Gesundheitsministerium in München informiert, dass elf Fälle der neuen Briten-Variante aufgetaucht seien. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte bei einer Pressekonferenz zusammen mit dem Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in München, es werde "entschlossen gehandelt", und in enger Abstimmung mit den Behörden vor Ort. Er warnte vor der Virusmutation, die "ansteckender ist".

Es sei "das Gebot der Stunde", die Regeln klar zu halten, "dass sich die Mutation nicht ausbreitet". Alle Mitarbeiter steckten in einer sogenannten Pendel-Quarantäne, die inzwischen überarbeitet wurde. Hieß es ursprünglich noch, die Betroffenen dürften sich – ohne öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen – nur zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort bewegen und befänden sich ansonsten im häuslichen Umfeld in Quarantäne, heißt es inzwischen: "Grundsätzlich soll auf die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verzichtet werden." Es sei denn, es gehe nicht anders, beispielsweise bei Schülern oder Mitarbeitern, die gar kein Auto hätten. Dies erläuterte Landrat Florian Wiedemann (Freie Wähler) in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

Wiedemann, der als Aufsichtsratsvorsitzender quasi der Chef des Klinikums ist, spricht von einem "harten, aber konsequenten Schritt". Allerdings sagt er auch: "Das braucht niemanden zu verunsichern." Absolute Notfälle, bei denen abzusehen sei, "dass die Patienten nicht in adäquater Zeit in andere Häuser gebracht werden können, werden selbstverständlich in Bayreuth behandelt", betonte Wiedemann.

Wiedemann wies darauf hin, dass die auf die Schnelle getroffenen Akut-Maßnahmen von gestern Vormittag in einer Konferenz am Nachmittag "nachgeschärft" worden seien: So würden Behandlungen, die "zwingend notwendig" seien, am Klinikum weitergeführt. Herzinfarkte etwa würden, das betont Wiedemann, auf jeden Fall aufgenommen.

Nach den ersten Untersuchungen am Klinikum Bayreuth auf die neue Mutation aus Großbritannien, die sogenannte englische Mutation, hat die Einrichtung am Dienstagmittag in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass in den 30 eingesandten Proben "bei elf der Verdacht auf das Vorliegen der Variante" bestehe. Zwei weitere Proben seien fraglich gewesen, was die Zuordnung zur Briten-Variante angeht. Bis die Ergebnisse aller Proben endgültig geklärt sind, wird es laut Klinikum zehn bis 14 Tage dauern.

Am Dienstagmittag waren 99 Mitarbeiter des Klinikums positiv auf Corona getestet worden. "Alle sind in Quarantäne und nicht im Dienst", so ein Sprecher der Einrichtung. Von Samstag bis Dienstag sei eine Reihentestung von mehr als 2800 Mitarbeitern gelaufen. Bis Dienstag tauchten 18 positive Fälle auf. Das Klinikum habe die Kontaktnachverfolgung "deutlich verstärkt". "Es wurden und werden auch alle Patienten getestet", heißt es in der Pressemitteilung.

Den Hinweis, dass bei mehr als 3300 Mitarbeitern der Prozentsatz der möglicherweise mit der Briten-Variante Infizierten gering sei, kontert Wiedemann: "Wir verlassen uns auf die Fachleute, die auf das höhere Ansteckungsrisiko hinweisen."

Zuletzt hatte das Klinikum auf mehreren Stationen Corona-Ausbrüche zu verzeichnen. Die schlechte Nachricht: "Diese Entwicklung hält an." Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und die Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München hätten dem Klinikum Bayreuth "zugesichert, weitere Sequenzierungen zur genauen Klärung der Situation zeitnah zu ermöglichen".

Angespannt, aber unter Kontrolle

Frank Schmälzle, Sprecher des Klinikums sagt: "Aktuell ist die Lage in dem Bayreuther Großkrankenhaus angespannt, aber unter Kontrolle." Am Dienstag wurden 80 Covid-Patienten behandelt, davon elf intensiv. "Alle Hygienemaßnahmen werden aufs Genaueste beachtet, insbesondere die Verwendung von umfassender Schutzausrüstung."

Landrat Wiedemann hatte nach eigenen Angaben am Sonntag noch die Hoffnung, dass es sich bei den positiv Getesteten nicht um die Mutation handle. "Am Sonntagabend gab es sieben positive Befunde", sagte er der Redaktion. Und das bei knapp 2000 Getesteten. Im ersten Moment wirke das wenig. Wiedemann betont: Erst wenn klar sei, "wo das Ausbruchsgeschehen ist, kann man die Maßnahmen zurückfahren." Solange sei "konsequentes Handeln gefragt", sodass sich die Briten-Variante nicht noch mehr verteile und das Klinikum verlasse.

Nach Informationen der Redaktion sollte es in mehreren Gesprächsrunden im Laufe des Dienstagnachmittags genau darum gegangen sein, wie und ob sich die Mutation verbreiten konnte. Diese hätte etwa durch in Seniorenheime verlegte Patienten geschehen können.

Unterdessen richtet sich Kulmbach auf Patienten aus Bayreuth ein. Auch dort sind die sogenannten elektiven Behandlungen auf Null gefahren. Nur noch das, was medizinisch notwendig ist, wird jetzt operiert und behandelt. Das Kulmbacher Klinikum testet seit Montag seine Mitarbeiter auf die Briten-Variante.

Auch positive Befunde im Testzentrum von Stadt und Landkreis Bayreuth werden auf die Mutation untersucht, um zu sehen, ob die Mutanten schon in der Bevölkerung angekommen ist.

Folgendes ist jetzt am Bayreuther Klinikum noch möglich: Laufende Chemo-/Strahlentherapien werden fortgesetzt. Der Besuch bei Sterbenden ist zulässig. Mitarbeiter dürfen ihre Kinder in Betreuungseinrichtungen bringen. Voraussetzung ist das Tragen einer FFP2-Maske. Väter und Partner dürfen bei der Geburt dabei sein. Voraussetzung ist ein negativer Schnelltest. Die Ärzte der Klinikum Bayreuth GmbH können weiterhin Notarztdienste versehen. Die Spezialisierte Ambulante Palliativersorgung kann ihre Aufgaben wie gewohnt wahrnehmen. Patienten werden nur dann entlassen, wenn bei ihnen zwei Abstriche im Abstand von 48 Stunden negativ waren.

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