Rekord-Verspätung: Deutsche Bahn will neue Züge nicht abnehmen
24.04.2020, 08:33 Uhr
Die Deutsche Bahn hat immer wieder Probleme mit neuen Zügen. Teils lange Lieferverzögerungen waren in der Vergangenheit eher die Regel als die Ausnahme, die Folge waren Konflikte und auch juristischer Streit mit Stammlieferanten wie Siemens, Bombadier und Alstom.
Bahn will neue Intercity-Züge wegen Mängeln nicht abnehmen
Auch deshalb erteilte der Konzern bereits 2013 überraschend einen Auftrag für neue Fahrzeuge beim tschechischen Fahrzeugbauer Škoda Transportation. Doch schon längst ist klar, dass diese Entscheidung alles andere als ein Beispiel für die gelungene Ausweitung des Wettbewerbs war. Stattdessen bahnt sich eine rekordverdächtige Verspätung für den Einsatz der Fahrzeuge an.
Zwar hat nach Angaben eines Bahnsprechers das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) bereits Anfang Dezember 2019 eine eingeschränkte Zulassung für die sechs Garnituren erteilt, die jeweils aus sechs Doppelstockwagen und einer Lok bestehen und 676 Menschen Platz bieten. Doch offenbar wegen anhaltender technischer Probleme will die DB die Züge weder abnehmen noch in einen Probebetrieb auf der Strecke Nürnberg, Ingolstadt und München einsteigen.
Dort sollten die Fahrzeuge ursprünglich bereits Ende 2016 an den Start gehen. Bei der Vorstellung des ersten Zugs Ende Oktober 2018 in einem DB-Werk in der Nähe von München hieß es, dass die Züge erst im Sommer 2019 nach und nach an die DB übergeben werden sollen. Als Begründung wurden damals von einem Vertreter des tschechischen Fahrzeugbauers die anspruchsvollen technischen Lösungen für die Waggons genannt. Škoda Transportation hatte offenbar den Auftrag unterschätzt.
Die Doppelstockwagen müssen für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt und zudem druckdicht sein, damit Fenster und Türen auch den Kräften bei einer Tunnelbegegnung mit dem ICE standhalten, der auf der Strecke auch mit Tempo 300 unterwegs ist. Und nicht zuletzt muss auch die Bord-Software zuverlässig funktionieren.
Corona-Krise: Bahn ändert Fahrplan in Bayern
Fast ein Jahr später ist nun klar, dass sich der Einsatz der neuen Škoda-Züge auf der Strecke Nürnberg-München weiter und auf unbestimmt verzögert, wo seit Inbetriebnahme der neuen beziehungsweise ausgebauten Trasse im Jahr 2006 Deutschlands schnellster Nahverkehr mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde rollt. Einen Zeithorizont, wann die dort bislang eingesetzten und durchaus betagten InterCity-Garnituren abgelöst beziehungsweise ergänzt werden, konnte der Bahnsprecher nicht nennen.
11 Kommentare
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PT
Es ist bemerkenswert, dass man die IC-Linie 61 (Nürnberg-Karlsruhe) auf IC2 umgestellt hat, obwohl man zum Zeitpunkt der Umstellung wusste, dass diese Züge massive Software-Probleme hatten. Gleichzeitig weigert man sich hier mit oft vorgeschoben wirkenden Argumenten, die neuen Züge einzusetzen. Es sind zwar verschiedene Geschäftsbereiche betroffen (DB-Regio bzw. DB-Fernverkehr), ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass die internen Qualitätsrichtlinien zur Abnahme von Neufahrzeugen sich so grundlegend unterscheiden. Es ist wie im Artikel erwähnt leider nicht bekannt, um welche konkreten Probleme es sich konkret handelt. An anderer Stelle wird bereits gemunkelt, dass etablierte Bahn-Lieferanten etwas Lobbyarbeit betrieben hätten, um Skoda vom deutschen Markt fernzuhalten, bzw. den Weg dorthin so steinig wie möglich zu machen.
Walberla
Im Artikel steht, dass das EBA eine "eingeschränkte Zulassung" erteilt hat. Worin besteht diese Einschränkung konkret und was muss zur Erlangung einer "uneingeschränkten Zulassung" noch gemacht werden?
Wie sieht es mit der Erfüllung der Netzzugangskriterien von DB Netz aus, werden bzw. sind die erfüllt?
@Redaktion: Da ein relevantes öffentliches Interesse an dem Verkehren der neuen Züge (mehr Kapazität, Barrierefreiheit, usw.) besteht, bitte hartnäckig bei der DB nachfragen und die Fragen klären und kommunizieren. Da die DB seit 12/2016 den mit der BEG geschlossenen Verkehrsvertrag nicht erfüllt, dürfte hier auch einiges an Strafzahlungen von der DB an die BEG fällig sein.
Glubberer aus Leidenschaft
Zwei Dinge verstehe ich ehrlich gesagt nicht: Zum einen hat die Bahn 2013! bei der Vergabe an Skoda wohl darauf gehofft endlich mal pünktlich mit den bestellten Zuggarnituren beliefert zu werden. Aber Skoda hatte zu diesem Zeitpunkt die Züge mit den technischen Anforderungen gar nicht im Programm. Es war also von vornherein sehr riskant auf Skoda zu setzen. Zum anderen fällt schon auf das grundsätzlich jeder Anbieter Probleme mit der Zulassung beim Eisenbahn-Bundesamt hat. Ich erinnere mich an die ICE`s von Siemens die schon jahrelang durch Spanien und Russland fuhren bevor nach gefühlt endlosen Nachbesserungen auch in Deutschland eine "Fahrerlaubnis" erteilt wurde. Was ist also so speziell in Deutschland das selbst die Anbieter regelmäßig scheitern, die seit Jahren mit der Bahn Geschäfte machen.
VorsichtIchStreueBlumen
@elkie: auf die Qualitätsansprüche eines Kunden muss man sich einrichten. Das wird ja wohl in einen großen Konzern gelingen. Nach Auslieferung auffallende Mängel im Rahmen von Basisfunktionen dürfen natürlich nicht ein QS-System unbemerkt oder wahrscheinlich bewusst tolerierend durchrutschen.
Die Tatsache, dass scheinbar bei vielen Bahnausrüster geschlampt wird, deutet auf eine Absprache hin. Davon wird ein Q-ler natürlich auch nichts wissen (wollen!!).
Berkman
Und was sagt Škoda dazu?