Abschied mit Wehmut
22.3.2011, 07:59 UhrOft hat Richard Erdmann in den vergangenen Tagen und Wochen für sich Rückschau gehalten, Bilanz gezogen, und vielleicht das eine oder andere Tränchen verdrückt. „Es war eine unglaublich schöne Zeit“, sagt er ohne lange nachzudenken. „Ich war jederzeit gerne Bürgermeister“.
Umrahmt waren seine zwölf Jahre als Rathaus-Chef von zwei Großereignissen, die dazu beigetragen haben, den Ruf der Kreisstadt Roth über die Landkreisgrenzen hinaus positiv zu besetzen. Und auch nach innen hätten diese Ereignisse den Zusammenhalt gefestigt. Die Rede ist von der „Natur in Roth 2003“ und dem Festjahr „950 Jahre Roth“. „Wenn’s am schönsten ist, muss man aufhören“, sagt Erdmann, der gerade in der jüngsten Vergangenheit viele lobende Worte für seine Amtsausübung entgegennehmen durfte. Auch – und gerade — von seiner Verwaltung.
47 Jahre stand Richard Erdmann im Berufsleben. Begonnen hat der gebürtige Freisinger als Sportartikelkaufmann, von 1968 bis 1974 war er Soldat auf Zeit, ehe er von 1977 bis 1999 Beamter des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes wurde, zuerst bei der Bundeswehrverwaltung in Roth, später bei der Gemeinde Rednitzhembach als Hauptamtsleiter. 1990 wurde er erstmals in den Rother Stadtrat gewählt, war von 1991 bis 1999 SPD-Fraktionssprecher und von 1996 bis 1999 3. Bürgermeister, ehe er zum Nachfolger von Hans Weiß gewählt wurde.
Seine Verwaltungskenntnisse hätten ihm vor zwölf Jahren das Eingewöhnen im Rathaus leicht gemacht, so Erdmann. Mit dem heutigen Tag ist das Berufsleben für ihn abgeschlossen. Doch Richard Erdmann fühlt sich mit 62 Jahren noch fit genug, um sich noch viele Wünsche zu erfüllen. Jetzt wolle er den Großteil seiner Freizeit mit seiner Frau verbringen, die in all den Jahren oft auf ihn verzichten musste. Genießen wolle er die Zeit, die vor ihm liegt, und auch mal ganz spontane Ausflüge unternehmen. Aber er will auch wieder ins Faustballtraining einsteigen und an der Hallen- und Feldrunde in seiner Altersklasse teilnehmen. Er will Rennrad fahren und sich aufs Mountainbike schwingen. Er will mit seinen Freunden gemeinsame Bergtouren machen und in seiner Werkstatt im Keller werkeln. Schließlich hat er zum 60. Geburtstag von den Rathausbediensteten eine Drechselmaschine und das passende Werkzeug bekommen.
Damit nicht genug. Er hat die Städtepartnerschaften mit Ratibor, Opava und Regen belebt und wachsen sehen. Er hat sich schon überlegt, als inoffizieller Partnerschaftsvertreter im Namen der Stadt Kontakte weiterzupflegen, um die Partnerschaften weiter mit Leben zu erfüllen. Und nicht so schnell aufgeben will er auch sein Amt als Vorsitzender des Fördervereins Stadtjugendkapelle nicht. Eine Einrichtung, die er mit viel Engagement mit aus der Taufe gehoben und die richtigen Weichen gestellt hat. Aber gemach. Erst einmal heißt es Abstand gewinnen und die Tage in vollen Zügen genießen.
Auf was er stolz sei? Natürlich die Entwicklung der Stadtjugendkapelle. Auch seien zwei Kufa-Entscheidungen richtig gewesen: Zum einen die Besetzung mit einer weiblichen Doppelspitze, zum anderen die bauliche Erweiterung mit einem Bistro.
Effizienteres Arbeiten
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sei es gelungen, von der Organisation her einen nahezu optimalen Verwaltungsumbau zu vollziehen. Die einzelnen Abteilungen könnten jetzt effizienter arbeiten, zudem sei eine bessere innere Abstimmung erzielt worden. Das Miteinander sei menschlicher geworden, die Wege kürzer. Davon könne nicht zuletzt jeder Bürger profitieren. Besserer Service, mehr Bürgerfreundlichkeit.
Es sei gelungen einen Seniorenbeirat zu installieren. Demnächst komme ein Jugendforum dazu. Im Rahmen des Stadtleitbildes seien Ehrenamtliche in die Stadtentwicklung integriert worden. Stolz ist er auf das herzliche und unkomplizierte Verhältnis zwischen Bundeswehr und Bürgerschaft.
Ein wenig bedauert Erdmann, dass sich die Ursprungsgröße des Fachmarktzentrums in der Bevölkerung nicht habe durchsetzen können. Mit dem Kaufland als Mieter wäre es sicherlich gelungen, Roth als Einkaufsstadt für ein weites Umland interessant zu machen. Es sei aber richtig gewesen, die Bürger einzubeziehen. Der Bürgerentscheid sei eine demokratische Entscheidung gewesen, die anerkannt werden musste.
In Sachen Citymanagement denke er heute anders als noch vor Jahren. Vielleicht könne ein Externer mehr bewirken. Deshalb habe er vorgeschlagen, dass sich die Stadt an der Finanzierung eines Citymanagers beteiligen werde, wenn die Werbegemeinschaft 50 Prozent der Kosten trägt.
Wichtige Impulse für Roth habe die Unternehmerfabrik gebracht. So hätten sich in der Kreisstadt auch auf deren Initiative namhafte Unternehmen angesiedelt, die der Stadt nicht nur Gewerbesteuer, sondern auch Arbeitsplätze gebracht hätte. Sollten die Leonischen Drahtwerke nun doch die Aussiedlung angehen, wären das Gewerbe- und dann auch das Industriegebiet voll belegt, und in Sachen Stadtentwicklung würden sich ganz neue Perspektiven auftun. Nicht ganz ohne sei die Idee von einer Dependance einer Fachhochschule in Roth. Dies stehe als Zukunftsaufgabe auch im Stadtleitbild.
Erdmann bedauert, dass es ihm nicht gelungen ist, ein Hotel nach Roth zu bringen. Oder auch ein Hallenbad. Aber hier müsse ganz klar gesagt werden, dass ein Hallenbad auf Biegen oder Brechen keinen Sinn gemacht hätte. Ein Hallenbad müsse finanzierbar sein, sagte Erdmann. Und in punkto Stadthalle sei eine Sanierung der wirtschaftlichste Vorschlag, denn über den Stadtumbau West gebe es hohe Zuschüsse.
Als absolutes Negativerlebnis in den zwölf Jahren Bürgermeister bezeichnete er die erhitzten Diskussionen in Rothaurach hinsichtlich der geplanten Straßensanierungen. Ein Runder Tisch, der zuletzt auch im Bürgermeisterwahlkampf immer wieder gefordert wurde, bringe nichts, meint er. Gutachten und auch Grundlagen für ein Straßensanierungsmanagement seien vorhanden. Man sei seitens der Stadt jedoch an einem Punkt angelangt, der ein konstruktives Miteinander nicht mehr ermöglicht habe. Schließlich sei es in dieser Frage auch um die Gleichbehandlung mit anderen Stadtteilen gegangen.
„Ehrlichkeit wiegt mehr als der schnelle Erfolg“ oder „Dem Bürger auf den Mund schauen, aber ihm nicht nach dem Mund reden“ — an diesen beiden Redewendungen habe er sich stets orientiert. „Und damit bin ich gut gefahren“, sagt Erdmann.
Seinem Nachfolger Ralph Edelhäußer wünscht er viel Kraft und das nötige Rückgrat, denn ein Bürgermeister müsse sich auch unangenehmen Aufgaben stellen und benötige den Mut, Entscheidungen zu treffen.
DETLEF GSÄNGER