Die Roboter-Fußballer aus Erlangen sind Weltspitze
17.8.2019, 06:00 UhrDer Student Wegmann allerdings – nomen est omen – kennt den rechten Weg durch den Keller seiner Fakultät und lässt einen hoffnungsvollen (Halogen-)Schimmer am Ende der kleinen Odyssee aufleuchten.
Ja, wer hierher kommt, tue das gerne. Sehr gern sogar – spricht’s und zieht eine schwere Tür mit beherztem Schwung auf. Es offenbart sich: ein tagheller, fensterloser Raum, in dessen Mitte einige Tische zu einem Gruppenarbeitsplatz zusammengeschoben wurden. Das Auge hat gut damit zu tun, Kisten, Kartons, Kabel und viel Elektronikzubehör zu sortieren.
Was den Blick außerdem einnimmt: eine grüne Teppichfläche mit zwei Toren und den obligatorischen weißen Linien – Fußball?
Bis 2050 besser als der neue Messi
Fußball! Hier, in der Kellerwerkstatt der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, residiert er nämlich: der Vizeweltmeister im Roboterfußball 2019. "Robotics Erlangen e.V." heißt er und hält, was sein Name suggeriert.
Lukas Wegmann weiß da mehr. Der Mechatronik-Student aus Hilpoltstein ist seit drei Jahren Mitglied dieses "relativ erfolgreichen Teams", das sich in Sydney gerade den zweiten WM-Platz beim internationalen "RoboCup" in der "Small Size League" gesichert hat. Hinter China.
RoboCup, Small Size League? Also von vorn: Am Anfang war eine Vision – nämlich die, dass es Robotern spätestens im Jahr 2050 gelingen werde, den amtierenden menschlichen Fußballweltmeister auf dem Feld zu schlagen. Seit diese Idee von Japan aus die Runde macht, gilt an so einigen Hochschulen dieser Welt die Devise: Gesagt, geforscht.
In Erlangen hat sich aus eben diesem Grund anno 2007 der "Robotics e.V. Erlangen" gegründet. Ein Verein, dem zurzeit etwa 30 Aktive angehören – Studierende der Informatik, Mechatronik, Elektrotechnik oder des Maschinenbaues. Ihr Ziel: "Die schönste Nebensache der Welt durch kleine Roboter zu betreiben." Dazu werden emsig Computerprogramme entwickelt sowie Roboter-Generationen entworfen und gebaut.
Eine "echte Herausforderung!" Denn diese Art von Fußball muss laut Regelwerk des "RoboCup" – so heißt die Weltmeisterschaft, bei der sich Mannschaften aus vieler Herren Länder einmal jährlich messen – "komplett autonom" stattfinden. Heißt: Niemand darf steuernd ins laufende Match eingreifen. Damit das klappt, haben die jungen Leute, wie schon gesagt, im Vorfeld Sorge zu tragen – indem sie kollektiv tüfteln und konstruieren.
Tüfteln bis spät in die Nacht
So, wie es der Hilpoltsteiner Lukas Wegmann "mehrmals pro Woche, nicht selten bis nach Mitternacht" mit seinen Kommilitonen tut. Gerade jagt er einen zylindrischen Small Size-Bot über den "Rasen" – 18 Zentimeter Durchmesser, 15 Zentimeter hoch. Das sind die vorgegebenen Maße, um in der Small Size-Liga, also bei den "kleinen Spielern", mitzumischen.
Doch diese Kleinen haben’s in sich: "Omnidirektionaler Antrieb mit vier Omniwheels, bürstenlose Gleichstrommotoren mit speziell angepasstem Getriebe, gedämpft federnde Dribblereinheit, Sensor-Fusion von Daten aus Encodern, Gyroskopen, Accelerometer." Alles klar?
Nein, aber Lukas Wegmann versteht sich bestens auf den "Checker Tobi"-Duktus und erklärt: Der Ball ist orange, ein Spiel dauert zweimal fünf Minuten, gekickt wird Acht gegen Acht.
Das allein wäre freilich zu wenig, um der Sache gerecht zu werden: "Über dem Spielfeld hängen Kameras. Die Roboter tragen Gehäuse, auf deren Oberseiten verschieden angeordnete Farbfelder angebracht sind, damit die Kamera den jeweiligen Spieler erkennt." Und dann geht’s los: "Ein PC empfängt diese Kameraaufnahmen, erfasst die Spielsituation, entwickelt in Sekundenschnelle – um genau zu sein: 100 mal pro Sekunde – Entscheidungsmuster und gibt sie via Funk an die Spieler weiter."
Die düsen daraufhin mit bis zu 15 Stundenkilometern übers zwölf mal neun Meter große Spielfeld, um mit einer Schussgeschwindigkeit von zirka 30 km/h möglichst viele Tore zu erzielen.
Fouls würden natürlich geahndet, heißt’s; es gibt einen Schiedsrichter, Freistöße und Elfmeter. Teuer sind die Spieler überdies: um die 3000 Euro blättern Uni und Sponsoren pro Kerlchen hin. So weit, so Fußball.
Allerdings lohne jedweder Einsatz, findet Lukas Wegmann, weil: "Es ist unfassbar wertvoll, welche praktischen Erfahrungen wir Studenten hier sammeln dürfen; wir arbeiten mit Methoden, die Industriestandard haben." Und dabei sei man ständig am Ball, "inkrementelle Verbesserungen zu machen." Die globale Konkurrenz schlafe schließlich nicht.
In der Tat ist das der eigentlich erwünschte Effekt: Aus der Taufe gehoben wurden der RoboCup und seine unterschiedlichen Ligen ("Small Size" ist nicht die einzige, siehe www.robocup.org), um "die Förderung der Wissenschaft und Technik für die Robotik und die Künstliche Intelligenz (KI) durch ansprechende und anspruchsvolle Wettbewerbe" zu etablieren.
Schöne Nebenschauplätze in diesem innovativen Szenario sind Länder wie der Iran, Japan, Kanada, Australien oder Frankreich – Bordeaux soll 2020 WM-Austragungsort sein. Ja, als Teil der "Robotics" komme man "wirklich rum" in der großen, weiten Welt, sagt ein begeisterter Nachwuchsforscher, der selbst aus dem kleinen Hilpoltstein stammt - wo Lukas Wegmann übrigens kein Unbekannter ist: 2018 hat er dort den Kulturpreis für sein virtuoses Klavierspiel erhalten, jetzt bekennt er: "Ich bin sehr technikaffin."
Muss er auch sein. Denn das Jahr 2050 liegt schließlich nicht mehr in unendlich weiter Ferne...
Wer die Mitglieder des Vereins "Robotics Erlangen e.V." in Aktion erleben will, hat dazu am 19. Oktober Gelegenheit bei der "Langen Nacht der Wissenschaften".
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