Da es in seinem Laden um die Versorgung von Tieren geht, hat Kurt Amert trotz der Corona-Krise normal offen und verkauft Imkerbedarf an seine Stammkunden. Der passionierte Imker ist seit 41 Jahren im Geschäft und doch dreht sich seine Welt nicht um den leckeren Honig an sich: Der 68-Jährige, der selbst gar keine eigenen Bienenvölker mehr züchtet, gibt sein Wissen weiter. An die Menschen der Region, die das Imkern für sich entdecken wollen - und an Menschen in Nepal. Nach dem verheerenden Erdbeben dort im Jahr 2015 gingen viele nepalesische Männer aus ihren Dörfern fort, um zum Beispiel im Emirat Katar Arbeit auf Großbaustellen anzunehmen. Die Frauen und Kinder blieben, teilweise sehr isoliert, in ihren Häusern zurück. "Die Frauen kommen zum ersten Mal wegen ihrer Bienen zusammen und stellen fest, wie stark sie in Gemeinschaft sind", erzählt Kurt Amert.
Dass die Frauen dadurch am Broterwerb teilnehmen können, steigert ihr Ansehen in der Gemeinschaft enorm. Sie bekommen durch die Imkerei ein Stück Eigenständigkeit zurück – und eine Aufgabe. Das nepalesische Kastensystem ist nach wie vor ein gesellschaftliches Phänomen und tief in den Köpfen der Menschen verwurzelt. Kurt Amert reist etwa einmal im Jahr in das Land und beobachtet dies jedes Mal.
Sein Wissen weiterzugeben, macht dem Imker Freude. Sein gegründeter Hilfsverein heißt "Gayatri Fund e.V.". Gayatri, das ist ein bekanntes hinduistisches Mantra. Das zugehörige Symbol zeigt eine Person mit mehreren Armen und Köpfen. Kurt Amert hat diese Symbolik mit Bedacht gewählt: Ein Mensch könne viel erreichen, wenn er seine Arme ausstreckt, sich mit anderen vernetzt und gemeinsam an etwas arbeitet.
"Jeder kann Imker werden"
So unterstützen Kurt Amert und seine Freunde zum Beispiel zusätzlich Hilfsorganisationen, die nepalesischen Mädchen helfen, welche zum Beispiel Opfer sexueller Gewalt wurden. Ihnen wird die Ausbildung zur Krankenschwester ermöglicht. Bildung, Selbstständigkeit, Solidarität und Zukunftsaussichten stehen im Vordergrund.
Das Thema Zukunft spielt allerdings auch hierzulande eine große Rolle: Der Klimawandel wird den Bienen immer gefährlicher, auch deshalb ist es aus seiner Sicht gut, dass sich immer mehr Menschen das Imkern zutrauen. "Jeder kann Imker werden", sagt Kurt Amert, "die Imkerei wird europaweit durch ein Förderprogramm bei den Anfangskosten unterstützt." Vor allem der Kontakt zu Imkervereinen in der eigenen Region würde Neulingen, oder besser gesagt Jungimkern, helfen, den Einstieg zu schaffen. Startschwierigkeiten sollen niemanden entmutigen: Dass ganze Völker eingehen, kann passieren, es ist sogar natürlich.
Ein Kunde kommt ins Geschäft. Er braucht neue Mittelwände für seine Bienen. Eines seiner Völker ist eingegangen, aber die anderen beiden sähen gut aus, erzählt er beim Bezahlen, kurz bevor er sich wieder verabschiedet. Man sagt, jemand der einmal der Imkerei verfallen ist, hört nie wieder damit auf. Ein Bienenstich mit lebenslangen Folgen, sozusagen.
Imkerei: Einblicke in eine eigene Welt
Am Ende des Treffens führt Kurt Amert noch durch sein Geschäft. Es ist ein Mix aus Baumarkt, Klamottengeschäft, Möbellager und Supermarkt. Für Imker, egal wie erfahren oder unerfahren sie sein mögen, gibt es alles, was das Herz begehrt. Von der wichtigen Schutzkleidung, über Rähmchen und Beutenzubehör. Nachhaltigkeit ist Kurt Amert bei der Auswahl der Produkte enorm wichtig.
"Meine eingebrachte Zeit und mein Engagement sind bisher immer als doppelte Freude zu mir zurückgekommen. Ich nutze mein Imkergeschäft genau dafür." Am Ende des Rundgangs steht Kurt Amert wieder hinter seinem Tresen. Er wirkt glücklich und ausgeglichen. "Ja, das ist meine Welt" sagt er lachend. Und tatsächlich: Es ist eine eigene Welt, die sich hier in einem Imkerladen mitten auf dem Land wiederspiegelt. Genauso wie Bienen sich zu Völkern zusammenschließen müssen, schaffen es auch Menschen wie Kurt Amert nicht im Alleingang, die Welt besser zu machen. Vielmehr ist es der Zusammenschluss Vieler, die jeweils ihren Teil zu etwas beitragen. Und irgendwann laufen auch größere Projekte durch bestehende Gemeinschaften fast wie von selbst. Nur der Anfang muss getan werden und der ist nun mal nicht immer leicht – nicht nur bei der Imkerei.