Eine letzte Chance für Helmut B.
19.04.2012, 00:00 Uhr Das Verlesen der sechs Anklageschriften durch Staatsanwalt Danny Schaller wollte gar nicht mehr enden und versetzte die zahlreichen Zuhörer im Sitzungssaal 120 des Amtsgerichtes Schwabach in Staunen.
Zusammengefasst hörte sich das so an: Helmut B. wurde beschuldigt, 16 Mal schwarz mit der Bahn zwischen Nürnberg und Weißenburg gefahren zu sein (juristisch als Erschleichen von Leistungen zu bewerten). Schaden: 69,80 Euro. Er wurde beschuldigt, mit dem 20-jährigen Auszubildenden Markus F. (Name geändert) am 15. Mai im westlichen Landkreis Roth als Racheakt einen Fiat Panda angezündet zu haben, weil er vorher mit seinem Kumpel aus einem Festzelt verwiesen worden war (Brandstiftung – Schaden 2000 Euro).
Er wurde beschuldigt, mit anderen Kumpels am 12. Mai einen Mitsubishi und einen Mercedes entwendet und auf der Spritztour mit dem Mercedes – der Mitsubishi-Pajero wurde abgestellt – einmal für 1,74 und einmal für 17,14 Euro getankt zu haben, ohne zu bezahlen (Diebstahl und Betrug). Er wurde beschuldigt, in der Nacht zum 27. August mit einem bereits verurteilten Kumpel in Hilpoltstein die Spiegel von sechs geparkten Pkw abgetreten und einen Schaden von 2625 Euro angerichtet zu haben (Sachbeschädigung).
Er wurde beschuldigt, im Marktkauf in Roth eine Schachtel Zigaretten im Wert von sechs Euro entwendet zu haben (Diebstahl). Und er wurde beschuldigt, mit dem 21-jährigen Peter H. (Name geändert) den 16-jährigen Schüler Sacha K. (Name geändert) unter Androhung der Worte „wir brechen dir die Knochen“ gezwungen zu haben, ihm zum Bahnhof Roth zu folgen (Freiheitsberaubung und vorsätzliche Körperverletzung).
Der 16-Jährige sei, so Staatsanwalt Schaller, vor lauter Angst und weil er vorher getreten worden sei, am 11. November in die eiskalte Rednitz gesprungen (5 Grad Wassertemperatur) und habe mit einer deftigen Unterkühlung (32,6 Grad Körpertemperatur) in die Kreisklinik Roth eingeliefert werden müssen.
Helmut B., der – da ohne festen Wohnsitz – seit 16. Februar dieses Jahres in Untersuchungshaft saß, gab Schwarzfahrten, Auto- und Zigarettendiebstahl, Tankstellenbetrug und Brandstiftung sofort zu. Nur mit dem Vorwurf der Sachbeschädigung der sechs Autos in Hilpoltstein könne sein Mandant nichts anfangen, sagte Pflichtverteidiger Detlef Stadler (Schwabach), da sich sein Mandant aufgrund der starken Alkoholisierung nicht mehr so genau erinnern könne. Den Vorwurf der Freiheitsberaubung und Körperverletzung, so der Rechtsanwalt, weise Helmut B. zurück, da sich die Szenen so nicht zugetragen hätten.
Also wurden Zeugen gehört. Schulfreunde des 16-jährigen Opfers bestätigten die Aussage des Angeklagten, dass niemand Druck auf den Schüler ausgeübt habe, dass sich der Junge am Bahnhof Roth mit seiner Freundin aussprechen wollte und urplötzlich davongerannt sei, als zwei aus der Clique ihre Jacken ausgezogen hätten, um sie den Mädels zu geben.
Es sei kalt gewesen. Weil niemand verstand, warum Sacha weggerannt ist, sei man ihm nachgegajagd, und dann sei der in die Rednitz gestürzt. Alle aus der Clique hätten dem Kumpel helfen wollen, man habe sogar den Rettungsdienst gerufen.
Das vermeintliche Opfer Sacha K. sagte aus, dass er sich bedroht gefühlt habe und getreten worden sei, doch geschubst habe ihn niemand. Er sei in den Fluss „reingeflogen“, doch er wollte nicht mehr raus, da er Angst gehabt hätte.
Richter Reinhard Hader und auch dem Staatsanwalt war damit klar, dass der Vorwurf der Freiheitsberaubung und Körperverletzung nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Das Verfahren in dieser Angelegenheit wurde eingestellt. Auch gegen Peter H..
Blieb noch die Brandstiftung, die der Hauptangeklagte zugegeben hatte, bei der aber die Rolle von Markus F. nicht ganz klar war. Es gab keine Zeugen, die den Auszubildenden gesehen haben, nur die Aussage des Hauptangeklagten Helmut B., dass er zusammen mit seinem Freund ob des Platzverweises sauer gewesen sei und sich rächen wollte. Den Kanister mit Benzin habe F. aus der Garage geholt, sagte Helmut B., doch er allein habe das Auto übergossen und er habe „blödsinnigerweise ein Feuerzeug dabei gehabt“.
Nach dem Plädoyer von Staatsanwalt Danny Schaller (zwei Jahre und sechs Monate Haft für Helmut B. und ein Jahr und drei Monate Haft – auf Bewährung — sowie 1000 Euro Geldauflage für den aus seiner Sicht an der Brandstiftung beteiligten Markus F.) war Rechtsanwalt Manfred Hylla (Kanzlei Feder & Kollegen, Schwabach) überzeugt, dass seinem Mandanten keine Tatbeteiligung nachzuweisen ist. Er forderte Freispruch.
In Würdigung des Berichtes von Gabriele Engelmann von der Jugendgerichtshilfe Roth – „Ein junger Mann ohne Halt einer Familie“ — erinnerte Detlef Stadler an die Entstehungsgeschichte der Straftaten. B. sei vom Vater vor die Tür gesetzt worden, er sei beziehungslos und destabilisiert gewesen. So schwer die Taten seines Mandanten auch gewesen seien, plädierte Stadler leidenschaftlich dafür, Helmut B. eine letzte Chance zu eröffnen.
Die wurde dem jungen Mann schließlich gegeben: Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung entschied das Schöffengericht. Helmut B. bekommt einen Bewährungshelfer an die Seite, muss 150 Sozialstunden ableisten und darf sich in der Öffentlichkeit nicht mit mehr als 0,5 Promille erwischen lassen. „Sonst ist die Bewährung futsch“, sagte Richter Hader eindringlich
Markus F. war aus Sicht des Schöffengerichts der Beihilfe schuldig. Er habe zumindest „psychische Beihilfe“ geleistet, so Hader. Er wurde unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Gesamtstrafe von acht Monaten Gefängnis verurteilt und muss 1000 Euro an den Schulförderverein Abenberg bezahlen.
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