Lokalpolitik läuft Sturm
ICE-Werk bei Harrlach oder Wendelstein: "Wir gehen auf die Barrikaden!"
3.9.2021, 15:29 UhrMit der Reduzierung auf drei mögliche Standorte für ein ICE-Ausbesserungswerk hat die Deutsche Bahn gestern überraschend so etwas wie den Startschuss zum Raumordnungsverfahren gegeben. Der Landkreis Roth ist in allen drei Fällen tangiert. Von einstmals neun Vorschlägen sind übrig geblieben die Muna Feucht, der Bereich südlich der Muna sowie der Standort Allersberg/Pyrbaum/Roth. Bis zum Frühjahr 2022 soll die Auswahl getroffen sein, das Raumordnungsverfahren soll noch in diesem Jahr beginnen.
Die Nachricht kam am Freitag kurz nach Schließung der Ämter, trotzdem waren die meisten betroffenen Behördenleiter noch erreichbar. „Über den jetzigen Zeitpunkt der Entscheidung“ zeigte sich Roths Landrat Herbert Eckstein überrascht, nicht jedoch über die Auswahl.
Jüngste Schreiben der Staatskanzlei hatten angedeutet, dass das Werk nicht im Landkreis Fürth und im Nürnberger Land (Ausnahme Feucht) angesiedelt werden soll. Dass Altenfurt von der Liste ist, ist für den Landkreischef nur schwer nachvollziehbar, wenn man bedenke, nach welchen Kriterien die jetzige Eingrenzung gezogen wurde: „Das scheint mir eher eine politische Entscheidung zu sein.“
Bestätigt sieht sich Eckstein in seiner Auffassung, dass die Bahn bei Großprojekten eine bewährte Tatktik wiederholt: Zunächst mit vielen Standortmöglichkeiten große Bevölkerungsteile in Aufregung zu versetzen, und dann mit einer Reduzierung die Luft aus dem Widerstand zu nehmen. Er hofft daher, dass die Bürger rund um die gestrichenen Standorte sich jetzt nicht zufrieden geben, sondern weiter ihr Wissen, ihre Kompetenz und ihre Kritik einbringen.
In dieser Größe gar nicht nötig?
Schließlich seien überzeugende Argumente entwickelt worden, dass ein Werk in der von der DB vorgestellten Größenordnung gar nicht notwendig sei. Außerdem will der Kreischef die Stadt Nürnberg nicht so einfach „sich aus der Sache rausschleichen lassen“, die viele Hektar am Rangierbahnhof verkauft hat und nun argumentiert, dass sie selbst für ein Ausbesserungswerk keinen Platz habe.
Werner Langhans, Bürgermeister der Gemeinde Wendelstein, kündigte Widerstand auf jeden Fall für den Standort südlich der Muna an. „Da werden wir auf die Barrikaden gehen, ich vorneweg.“ Dass man in dieses Idyll rund um den Jägersee so ein Werk setzen will, widerspreche doch vollkommen der Behauptung, dass man auf Natur- und Umweltverträglichkeit Rücksicht nehme: „Ich bin sehr verärgert. Ich werde mich dafür stark machen, dass es nicht so kommt.“ Mit Hinweis auf die Beschlusslage im Marktgemeinderat erinnert Langhans daran, dass man sich da in Wendelstein ausgesprochen einig ist.
Was die Muna selbst betrifft, erinnert der Rathauschef daran, dass man Zustimmung signalisiert, die Hürden aber absichtlich hoch gestellt habe: „Bedingung ist die komplette Entmunitionierung des Geländes.“ Dieses gilt seit der Zeit als Munitionsanstalt der Wehrmacht als schwer belastet. Die komplette Räumung ist teuer und wurde deshalb auch noch von niemandem in Angriff genommen.
BI unterstützt Nachbarn
Bliebe also der Standort Allersberg/Pyrbaum/Roth. In dieser Hinsicht erfüllt Gabriele Bayer, Sprecherin der Bürgerinitiative in Postbauer-Heng, den Wunsch von Herbert Eckstein. Nachdem der Standort „An der Lach“ von der Liste genommen wurde, versprach sie spontan nachbarschaftliche Solidarität: „Dann werden wir jetzt unsere Aktivitäten nach Pyrbaum verlagern, denn auch dort soll viel Wald gefällt werden“, sieht sie die Arbeit der BI noch nicht als beendet an. Der Standort Pyrbaum sei genauso schlecht wie alle anderen in der Region Nürnberg, sagt Bayer, die auch 3. Bürgermeisterin in Postbauer-Heng und Bezirksrätin ist.
Es sei ein Fehler der Bahn gewesen, sich von Anfang an auf die Metropolregion zu konzentrieren und die Schutzgüter Mensch und Natur hintan zu stellen. Die BI plädiere nach wie vor dafür, eine Industriebrache zu suchen und das Werk dort zu bauen. „Aber wenn man nur aufs Geld schaut, kommt so was raus“, sagt sie. Es sei einfach die falsche Priorisierung gewesen. Jetzt gelte es, Pyrbaum aus dem Rennen zu nehmen. „Hat sich unser Einsatz doch gelohnt“, sagt sie.
Befürworter und Gegner
Der Standort Allersberg/Pyrbaum, direkt an der ICE-Strecke Nürnberg-München und der A9, tangiert den westlichen Zipfel der Marktgemeinde Pyrbaum. Der Ort Pruppach sei rund 1,8 Kilometer entfernt, sagt Pyrbaums Bürgermeister Michael Langner. Die Meinung zum möglichen Standort in seiner Gemeinde sei bisher gespalten: „Es gibt Befürworter, die den Bau des ICE-Werks mit Blick auf die Energiewende für nötig halten, wenn es sein muss, dann halt auch in Allersberg.“
Je näher am möglichen Standort, desto größer werde die Ablehnung, sagt Langner, in den Orten Pruppach, Straßmühle und Birkenlach. Dort gebe es auch Bürger, die sich jenseits der Bezirksgrenze in der BI Harrlach engagierten. Dass Allersberg/Roth nach der Vorauswahl noch im Rennen ist, habe ihn nicht überrascht, sagt Michael Langner. „Gewundert hat mich hingegen, dass zu Beginn des Raumordnungsverfahrens von ursprünglich neun nur noch drei Standorte im Rennen sind.“
Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer wurde von der Nachricht bei einem Meeting mit Lehrlingen überrascht. Vor einer inhaltlichen Stellungnahme wollte er erst einmal den genauen Text lesen. Aber auch er wies darauf hin, dass ihn angesichts der jüngsten Schreiben aus der Staatskanzlei die Auswahl nicht verwundert. Sein nächster Schritt: „Ich werde jetzt in Kontakt treten mit der Bahn.“ Schon angekündigt und jetzt noch drängender als zuvor ist für die außerordentliche Bürgerversammlung zum Thema Anfang Oktober.
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