Macht die Netflix-Serie"Damengambit" das Schachspiel hip?
23.12.2020, 11:00 UhrWer Caro-Kann mit einer Modemarke assoziiert, Rossolimo mit einem guten Rotwein und die Sizilianische Verteidigung mit der Mafia, der hat vermutlich wenig Sinn für Schach. Dabei erleben die Könige und ihr Gefolge gerade eine Renaissance: Ende Oktober ging die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" ("Damengambit") an den Start – und direkt durch die Decke.
Das Schicksal der kleinen Beth Harmon, die sich als grandiose Schachspielerin entpuppt, soll mehr als 60 Millionen Haushalte während der ersten vier Wochen bewegt haben. Ein Rekord im Quadrat! Der Verkauf von Schachbrettern laufe angeblich wie verrückt, in einschlägigen Foren tummelten sich mehr Spielwillige denn je, heißt es. Und wie machen sich die örtlichen Vereine den Hype im Rahmen ihrer aktuellen (Corona-)Möglichkeiten zunutze? Wir fragten Michael Ludwig, den Vorsitzenden der Schachgemeinschaft Büchenbach-Roth.
Herr Ludwig, eine schöne Dame hat geschafft, was viele Vereine wahrscheinlich schon seit Jahren versuchen: Sie hat Schach wieder ins öffentliche Interesse gerückt. Welche Klischees wurden denn da geknackt?
Michael Ludwig: Na ja, man muss natürlich sehen: Die Serie ist zeitlich in den 50er- und 60er-Jahren verortet. Da spielten Mädels kein Schach. Die Turniere wurden von Zigarre rauchenden Männern dominiert.
Hier setzt sich nun ein neunjähriges Waisenmädchen in einer rührenden und zugleich spannenden Geschichte bis zur Schachweltmeisterschaft durch und stellt damit eine Männerdomäne auf den Kopf. So was ist mitreißend, klar!
Trotzdem sind Frauen in dieser Sportart nach wie vor unterrepräsentiert. Warum eigentlich?
Ludwig: Ja, leider! Schach lernt man in der Regel in jungen Jahren. Da sind Mädchen irgendwie seltener am Brett anzutreffen, weil sie vermutlich anderen Interessen und Neigungen nachgehen.
Wie betreiben Sie Mitgliederwerbung, wenn nicht gerade das Coronavirus wütet? Und vor allem: Funktioniert´s?
Ludwig: Normalerweise sind wir fleißig an regionalen Veranstaltungen wie dem Ferienprogramm, dem Rother Altstadtfest oder dem Weiherfest in Büchenbach beteiligt. Außerdem gehen wir regelmäßig an die Schulen, um Mitglieder zu akquirieren. Das Rother Gymnasium ist ja sogar anerkannte deutsche Schachschule!
Stärkstes Medium ist derzeit unsere Homepage. Da erhalten wir immer wieder Anfragen von Interessierten. Aber freilich ist das persönliche Gegenübersitzen am Brett was ganz anderes...
Ärgern Sie sich aktuell darüber, dass dieser Netflix-Boom zur falschen Zeit kommt?
Ludwig: Nein, überhaupt nicht! Es freut mich, dass so großes Interesse am Schach besteht. Ich denke, das wirkt nach.
Der Boom fing aber eigentlich schon im März an, was sicherlich daran lag, dass viele Menschen zwangsläufig zu Hause waren und nach einer "sinnvollen" Beschäftigung suchten. Wir haben heuer in der Tat schon einige Neuzugänge gewinnen können.
Was braucht´s eigentlich, um gut Schach spielen zu können? Die Serien-Protagonistin ist ja ein kleines Mathe-Genie...
Ludwig: In unseren Reihen sind tatsächlich viele gute Spieler, die eher ein Faible für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich besitzen. Das ist allerdings nicht zwingend erforderlich. Vor allem Eigenschaften wie Konzentration, Empathie, vorausschauendes, strategisches sowie taktisches Denken und Handeln sind hilfreiche Voraussetzungen. Sie werden aber durch das Schachspielen auch gefördert. Diese Eigenschaften waren übrigens für meine berufliche Laufbahn sehr hilfreich.
Wie geht man´s an, wenn man´s nicht kann?
Ludwig: Da gibt´s viele Möglichkeiten. Natürlich bieten Internetplattformen heutzutage Unterstützung. Es gibt digitale Lern- und Schachprogramme, speziell auch für Kinder. Wir, die Schachgemeinschaft Büchenbach-Roth, starten einmal pro Jahr einen Anfängerkurs. Der ist fester Bestandteil unseres Terminkalenders. Aber auch der Bayerische und der Deutsche Schachbund sowie der Bayerische Schulschachreferent sind hier unglaublich engagiert.
Haben Sie sich für die Zukunft Ihres Vereins irgendwas von der Serie abgeguckt?
Ludwig: Nicht wirklich. Die dargestellte Handlung spielt ja in einer Zeit, als das Schachspielen sehr exotisch war. Aktuell liegen die Herausforderungen und Möglichkeiten doch eher im Umgang mit den digitalen Medien.
Übrigens: Was ist eigentlich ein "Damengambit"?
Ludwig: Das ist eine spezielle Eröffnungsvariante, die durch den Vorzug des Damenbauerns und eines folgenden Bauernopfers gekennzeichnet ist, um einen sogenannten Entwicklungsvorsprung zu erhalten. Alles klar?
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