Grüne Villa: Vom Nazibüro zur Arztpraxis

25.09.2014, 09:11 Uhr
Grüne Villa: Vom Nazibüro zur Arztpraxis

© Foto: Valentin Held

Die Geschichte dieses Hauses begann 1927, als vom Mediziner Dr. Richard Frank ein Bauantrag für ein Anwesen in der damals noch Ziegelgasse benannten Straße (ab 1933 in Hindenburgstraße umbenannt) bei den Behörden einging. 1928 war das Gebäude fertiggestellt.

Der Bauherr war praktischer Arzt am örtlichen Krankenhaus und hatte in seinem neuen Anwesen ein Büro der NSDAP für den „Gau Franken“ eingerichtet: das „Amt für Volksgesundheit“. Es war zuständig für die Verwaltung der Kreise Schwabach, Hilpoltstein und Nürnberger Land.

Balkon und südlicher Anbau

1934 wurde das Haus um einen südlichen Anbau und einen noch immer bestehenden dritten Balkon erweitert. Der für die neuerlichen Baumaßnahmen zuständige Architekt hieß Alwin Carl. Es ist nicht auszuschließen, dass dies durch die Einrichtung des Büros notwendig geworden war. Es ist nicht verwunderlich, dass nahe diesem NSDAP-Büro von der Hitlerjugend eine Eiche westlich des Anwesens gepflanzt wurde, die im Volksmund „Adolf-Hitler-Eiche“ hieß.

1938 ist Dr. Richard Frank mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern von Schwabach weggezogen. Daraufhin hat der Arzt Friedrich Weinmann diese Villa erworben. Ab 1939 lebte er dort mit seiner Ehefrau Dr. Hildegard Weinmann, geborene Böhm. Das Ärzteehepaar hatte keine Kinder. Die vorhandene Einrichtung und die zahlreichen Aufnahmen von Reisen belegen ein für die damalige Zeit durchaus komfortables und gesellschaftlich anerkanntes Leben, was sich auch in dieser Villa widerspiegelt.

Großzügige Raumaufteilung

Zwar ist das Gebäude dem Kunsthistorischen Stil des Expressionismus zuzuordnen, jedoch ist die Einrichtungsstil von Sachlichkeit und Funktionalität geprägt. Dies zeigt sich zum einen in der Diele, dem breiten Treppenaufgang und der verkleideten Heizung sowie in den durchdachten Einbaumöbeln.

Zum anderen zeigt sich der rationale Charakter des Interieurs in den verwendeten Wandfliesen: einfarbig weiß mit nur einer farbigen Leiste abgesetzt. Das wäre heute wieder absolut modern.

Grüne Villa: Vom Nazibüro zur Arztpraxis

© Foto: Held

Die Grundflächen der einzelnen Privaträume sind großzügig bemessenen. Dies gilt sowohl für Bad, Küche bis hin zum fast schon luxuriösen, aber nicht überladenen Wohnzimmerstil der NS-Zeit, der getrennt vom Speisebereich und einer mit Schiebetüren abgetrennten Ruhezone mit viel Tageslicht erhellt war.

Die Hausangestellte wohnte im Obergeschoss, wo die Räume allerdings kleiner waren.

Von langer Dauer war dieses Leben in dieser Villa nicht. Dr. Friedrich Weinmann starb bereits am 22. Juli 1948 in Lipprichhausen und Dr. Hildegard Weinmann Böhm am 2. März 1963 in Schwabach.

Beliebte Gynäkologin

Hildegard Weidmann war Allgemeinärztin und Gynäkologin. Dies wurde klar, wenn man die Tür zum erst vor wenigen Wochen geräumten Behandlungszimmer öffnete. Die Zeit schien hier stehengeblieben zu sein. Martialisch wirkte der aus Eisenrohren bestehende Behandlungsstuhl. Das Interieur war vor allem funktional eingerichtet. Aber alle Gerätschaften lagen exakt genauso aufgereiht, wie es einst die „sehr beliebte Frau Doktor“, nach dem Urteil von Zeitzeugen, gebraucht hatte.

Grüne Villa: Vom Nazibüro zur Arztpraxis

© Valentin Held

Hier fand sich wirklich noch alles, was zu einem gynäkologischen Untersuchungsraum benötigt wurde: Stethoskop, Patientenkarteien, Büchern, Akten und Arzneien. Alles scheinbar unberührt seit 50 Jahren.

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