Harte Strafen als letzte Chance
06.07.2011, 08:29 Uhr
Und betrunken waren Bernhard (19), Klaus (18) und Achmed (18) (Namen von der Redaktion geändert) in den vergangenen Jahren erschreckend oft. Betrunken und gefährlich.
Dann wurden am hellichten Tag am Schwabacher Bahnhof junge Frauen angepöbelt und angegriffen. Dann gab es eine nächtliche Schlägerei vor einem Nürnberger Bahnhofscafe. Und einen Wohnungseinbruch in Nürnberg mit 11000 Euro Beute. Und es gab vor allem eine Tat, die alle drei zusammen in stark alkoholisiertem Zustand ausgeführt haben: einen Raubüberfall auf eine Schwabacher Spielhalle in der Ludwigstraße.
Der Tathergang war klar. Die Sicherheitskamera hat ihn aufgezeichnet: Am Abend des 3. Februar 2011 betreten Bernhard und Achmed mit Faschingsmasken über dem Kopf die Spielhalle. Der Inhaber und eine Mitarbeiterin sind völlig überrascht. Bernhard geht hinter den Tresen und hält dem Inhaber einen Revolver an den Hals. Er greift sich rund 1400 Euro Bargeld, beide verschwinden nach wenigen Momenten. Klaus steht vor der Tür zunächst „Schmiere“. Doch seine Angst wird so groß, dass er noch während des Überfalls flüchtet. Bei der Waffe handelt es sich um ein täuschend echt nachgebautes Spielzeug. An der juristischen Einstufung ändert das nichts: schwerer Raub.
„Bei Erwachsenen gilt dafür ein Strafmaß von mindestens drei Jahren Haft“, erklärt Richter Hader. Doch abgeurteilt werden sie nach dem milderen Jugendstrafrecht. Der Grund: Reifeverzögerungen. Jugendgerichtshelferin Sabine Macke zeichnet die Lebensläufe der drei jungen Männer nach. Es sind bittere Biografien, die nichts entschuldigen, aber doch manches erklären. Geschiedene Eltern, ein gewalttätiger Vater, eine psychisch kranke Mutter, größere Brüder mit krimineller Karriere. Probleme in der Schule, keine Ausbildung, keine feste Arbeit. Und der Sturz in die Sucht: Alkohol, Drogen, Spielhallen. Leben ohne Halt. Statt dessen: „Saufen und kiffen“, sagt Hader unverblümt.
Doch das soll sich ändern. Durch Strafe, aber auch durch Hilfe. Und durch massiven Druck, diese Hilfe anzunehmen. Als vielleicht letzte Chance auf ein Leben ohne Straftaten. Deshalb geht das Jugendschöffengericht unter Haders Vorsitz bei allen drei Jugendlichen sogar über das von Staatsanwältin Julia Riem geforderte Strafmaß hinaus.
Haft, Ausbildung, Therapie
Bernhard erhält fünf Jahre Jugendhaft. Für den Raubüberfall, den Einbruchsdiebstahl und die Körperverletzung im Nürnberger Bahnhof. Einem Mann wurde dabei ein Knöchel zersplittert. Alle Taten hat er verübt, während noch eine Bewährung für eine Vorstrafe lief. Nun soll er im Gefängnis eine Ausbildung erhalten. „Du sollst wissen, dass Du im Knast keine andere Chance hast, als Dich anzustrengen“, schärft ihm Hader ein. „Ich will aus der Haftzeit das Beste machen“, verspricht Bernhard. Die Staatsanwältin hatte vier Jahre und drei Monate gefordert, Verteidiger Helmut Heckel auf drei Jahre und zehn Monate plädiert.
Für Achmeds Beteiligung am Überfall verlangt die Staatsanwältin zwei Jahre ohne Bewährung, Verteidiger Nils Junge hält zwei Jahre mit Bewährung für angemessen. Das Gericht verurteilt ihn zu zwei Jahren und drei Monaten. Ohne Bewährung. Aber: Wenn Achmed eine Drogentherapie erfolgreich absolviert, wird diese Zeit angerechnet und der Rest zur Bewährung ausgesetzt. Hader: „Vom Kopf her hättest Du die Fähigkeit, Dein Leben in den Griff zu bekommen. Aber Du musst sauber bleiben.“
Auf das Konto von Klaus geht der Angriff auf die Mädchen am Bahnhof, für den er sich mehrfach entschuldigt. Sein „Schmiere stehen“ beim Überfall wertet die Staatsanwältin als Beihilfe und fordert acht Monate auf Bewährung. Verteidiger Ernst-Anton Eder sieht diese Beihilfe nicht, da sein Mandant ja geflüchtet war: eine Woche Arrest reiche. Hader verurteilt ihn aber zu zehn Monaten mit Bewährung. Wichtigste Auflage: eine Alkoholtherapie, die er durchstehen muss. „Ich will Dich nicht einsperren. Du hast es jetzt selbst in der Hand.“