Kommando zurück
08.06.2011, 05:37 Uhr
Die Sachlage ist kompliziert. Die Antragsteller führten drei Hauptargumente an, die für eine Öffnung des Hirtenwegs sprechen: Er ist die kürzeste Verbindung der meist im Osten der Stadt beheimateten Landwirte zu ihren meist im Westen der Stadt liegenden Feldern. Er wird schon seit Jahrhunderten von der Landwirtschaft genutzt. Und: Bürgermeister Werner Bäuerlein hatte 2007 zugesagt, den Weg staubfrei zu machen. Entsprechend seien alle bisherigen Wegebauten im Zuge der Flurneuordnung auf den Hirtenweg zugeschnitten worden.
"Stadtmauer für Landwirte"
Was im Stadtrat Vertretern aller Fraktionen sauer aufstieß, war der Ton, den die Antragsteller in einem mehrseitigen Brief anschlagen. Mit dem Beschluss, den Hirtenweg zu sperren, mute der Stadtrat den Landwirten nicht nur einen langen Umweg zu. Er habe damit auch eine „neue Stadtmauer für uns Landwirte“ gebaut.
Besonders heftig wird es zum Schluss des Schreibens. Hier drohen die Antragsteller damit, sich künftig nicht mehr an der Pflege von Wegen und kleinen Gewässern zu beteiligen und über mögliche Grundstücksabtretungen (zum Beispiel beim Bau von Gehwegen) nicht mehr mit der Stadt verhandeln zu wollen, sollte der Stadtrat seinen alten Beschluss nicht zurücknehmen (wir berichteten).
Erst die Traktoren, dann die Pkw
Die Argumente, die für die Beibehaltung des alten Beschlusses und damit für die Sperrung des Hirtenweges sprechen, listete Bürgermeister Werner Bäuerlein auf. An erster Stelle stehe die Verkehrssicherheit. Die sei seinerzeit höher gewichtet worden als der Umweg, welchen die Landwirte auf sich nehmen müssen und den Bäuerlein mithilfe von GPS-Daten auf maximal 485 Meter pro Fahrt bezifferte. Deshalb habe man sich seinerzeit entschlossen, aus dem Hirtenweg eine Sackgasse zu machen, die nur von der Spalter Straße angefahren werden kann.
Wer den Hirtenweg für den landwirtschaftlichen Verkehr öffne, der müsse damit rechnen, dass sich auch viele andere Verkehrsteilnehmer durch das Nadelöhr zwängen, so Bäuerlein. Schließlich wäre der Weg die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Schenkeln der neuen Teilortsumgehung. Eine Theorie, die Stadtrat Gerhard Rock (CSU) bestätigte. „Ich garantiere, dass nach geraumer Zeit zehnmal so viele Nichtlandwirte auf dem Hirtenweg unterwegs sein werden als Landwirte“, sagte der Polizist und Verkehrsexperte.
Ein ganz schlechtes Gewissen hatte Werner Bäuerlein in Bezug auf die meist jungen Grundstücksbesitzer in dem kleinen Wohngebiet am Hirtenweg (auf dem Gelände des früheren Sägewerks Kuhn). Die seien mit der Zusage angelockt worden, ihre Häuser in einem vom Durchgangsverkehr weitgehend befreiten Gebiet bauen zu können.
Die Umgehung ändert alles
Bäuerlein räumte ein, dass es 2007 das von den Antragstellern zitierte Gespräch über die „Staubfreimachung“ des Hirtenwegs gegeben habe. Doch sei es dabei vor allem darum gegangen, eine asphaltierte Verbindung zum Friedhof zu bekommen. Die gebe es demnächst an anderer Stelle.
Und: Seinerzeit lagen die Pläne für die Teilortsumgehung, deren erster Bauabschnitt in diesen Tagen fertiggestellt wird, noch nicht auf dem Tisch. „Mit der Umgehung hat sich alles geändert“, sagte Bäuerlein und betonte, dass man das den Landwirten immer wieder gesagt habe. Ob im Bauausschuss, ob im Stadtrat, ob in einer Bürgerversammlung. „Nie hat es auch nur eine Stimme gegen die Sperrung des Hirtenwegs für den Durchgangsverkehr gegeben.“ Zudem verwies Bäuerlein mehrfach darauf, dass es sowohl südlich wie auch nördlich des Wegs neue Zufahrten für die Landwirte zu ihren Feldern gebe.
Damit waren die Argumente eigentlich ausgetauscht. Doch in der Sitzung des Stadtrates wurde zwei Stunden lang um die richtige Position gerungen. Auf die Seite der Antragsteller stellten sich CSU-Fraktionssprecher Reinhard Biburger (CSU), stellvertretender Bürgermeister Hans Zeiner (CSU) und Wolfgang Deutschle (SPD). Einen Durchgangsverkehr im Hirtenweg wolle man zwar nicht. Aber wenigstens probehalber könnte man doch den Weg für die Landwirtschaft öffnen, weil die Argumente der Bauern durchaus einleuchtend seien.
Biburger gab Rathauschef Werner Bäuerlein eine Mitschuld an der verfahrenen Situation. Er sei sowohl Verwaltungschef im Rathaus als auch im Vorstand der Flurneuordnung. Schon alleine deshalb hätte er merken müssen, „dass da zwei verschiedene Gremien aneinander vorbei planen“. Er forderte die Stadträte auf, einen Schritt auf die Landwirte zuzugehen. „Diese Berufsgruppe ist zu wichtig, um sich mit ihr zu zerstreiten.“ Auf der anderen Seite standen stellvertretender Bürgermeister Wolfgang Amler (SPD) und vor allem Anton Friedrich (FW) und Jürgen List (CSU). Amler sagte zwar, man solle die Landwirte nicht unnötig gängeln, doch mit ihrem Schreiben hätten sie sich im Ton vergriffen. Zudem konnte er die Kehrtwendung mancher Kollegen nicht nachvollziehen. „Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber keiner das Recht auf eigene Fakten.“
Allen Abenbergern gedroht
Anton Friedrich fand die Art und Weise des Vorgehens der Landwirte völlig unangebracht. „Wenn das bei uns in Abenberg der neue Umgangston ist, dann gute Nacht“. Wer dem Stadtrat bei einem missliebigen Beschluss „Sanktionen androht, der droht allen 5762 Bürgern unserer Großgemeinde“.
Die schärfsten Geschütze fuhr Jürgen List auf. Er könne die Klagen der Landwirte überhaupt nicht verstehen, denn diese Berufsgruppe würde ohnehin überdimensional von lokaler und überregionaler Politik profitieren. „Eine kleine Gruppe beschwert sich über einen angeblich unzumutbaren Umweg, den täglich tausende von Pkw- und Lkw-Fahrer wie selbstverständlich zurücklegen“, so der Unternehmer, der sich mit seinem Fraktionssprecher mächtig in die Haare geriet. „Was Du hier sagst, ist keine CSU-Linie“, erklärte Reinhard Biburger. „Das ist Jürgen-List-Linie, ich brauche doch keine Partei, hinter der ich mich verstecke“, konterte der Kollege.
Bürgermeister Werner Bäuerlein wehrte sich gegen den indirekten Vorwurf von Reinhard Biburger, in Abenberg werde nicht genug für die Landwirte getan. „Keine Kommune in Mittelfranken hat mehr Flurbereinigungsverfahren als wir, keiner tut mehr als wir, kaum ein anderer ist so oft und so intensiv im Gespräch mit der Landwirtschaft wie ich“, so Bäuerlein.
Bei der Abstimmung stimmten elf Stadträte für den Antrag der Landwirte, acht (darunter Bürgermeister Bäuerlein und die komplette FW-Fraktion) wollten beim alten Beschluss bleiben.
Bis zur nächsten Sitzung will die Verwaltung Vorschläge machen, wie man den Hirtenweg für landwirtschaftlichen Verkehr öffnen kann ohne ihn für andere Verkehrsteilnehmer zu attraktiv zu machen. Sicher scheint, dass es zunächst einmal eine Probephase geben wird. Denn auch Antrags-Befürworter Reinhard Biburger stellte klar: „Wenn der Weg zur Durchgangsstraße wird, dann machen wir ihn wieder zu. Und zwar endgültig.“