Nerven wie Stahlseile

05.01.2012, 08:29 Uhr
Nerven wie Stahlseile

© Schoplocher

Viel hätte nicht gefehlt und die einmalige Erfolgsgeschichte von Roland Juranek und dem Perkussionsgewehr hätte es nicht gegeben. Denn bei einem freundschaftlichen Besuch der Nennslinger Schützen vor rund 20 Jahren in Thalmässing griffen alle zu dem damals wenig benutzten Sportgerät — bis auf Roland Juranek, der mehr aus Gefälligkeit überhaupt mitgefahren war. Irgendwann gab er dem Drängen, dass „es auch der beste Luftgewehrschütze unbedingt einmal probieren sollte“, dann doch noch nach. Und wusste schon nach dem ersten Schuss: „Das ist es!“.

Mittlerweile hat es der 53-Jährige zu großer Perfektion und einer langen Liste an Erfolgen gebracht: Weltmeistertitel, erste Plätze bei Europameisterschaften, beinahe unzählige Goldmedaillen bei deutschen und bayerischen Titelkämpfen. Auch in diesem Jahr ist Juranek derjenige Sportler mit der mit Abstand längsten Erfolgsliste bei der Ehrung durch den Landrat am 13. Januar — als Sahnehäubchen können zwei Europameistertiteln mit der Steinschlossmuskete gut herhalten.

Erfolge, an die man kaum glauben mag, wenn man hört, dass der Nennslinger in einer „normalen“ Woche 80 Stunden aufwärts arbeitet — und das als Chef seiner eigenen Stahlbaufirma mit der dazugehörigen Verantwortung. Und dann als Ausgleich ausgerechnet eine Sportart, in der man absolut zur Ruhe kommen muss? „Vielleicht gerade deshalb“, meint Juranek und verweist auf die Ruhe, die ihm offenbar anheim liegt. Ab einem gewissen Niveau werde ohnehin alles im Kopf entschieden, meint er.

Trainiert wird im Schnitt zwei Mal wöchentlich, vor Meisterschaften oder Qualifikationswettkämpfen erhöht sich die Schlagzahl auf vier bis fünf Trainingseinheiten. Hinzu kommen die Rundenwettbewerbe, in denen er die Mannschaft der SG Thalmässing verstärkt. Mit dem Luftgewehr oder der Luftpistole. Ohne spezielles Training, dafür aber mit Sohn Kristian und Erfolg. Seine Liebe gehört aber in sportlicher Hinsicht den Vorderladerwaffen und den Wettkämpfen, deren Termine seit einigen Jahren auch den Kalender im Hause Juranek steuern. So ist Familienurlaub im August undenkbar — da stehen traditionell die internationalen Großereignisse an, was für den Familienvater „Singleurlaub“ bedeutet. Nicht, dass Ehefrau Karin kein Interesse hätte – ganz im Gegenteil, wenn ihr Mann arg in Zeitnot ist, richtet sie schon mal die Geschosse her – mitsamt einem aufwändigen Wiege- und Messprozess.

Zu den Wettkämpfen in Deutschland fährt sie jedoch gerne mit, aber nachdem bei Welt- und Europameisterschaften die von den Fußballern bekannte Trennung von Aktiven und Ehefrauen herrscht, mache eine gemeinsame Reise auch wenig Sinn, erklärt das Paar schmunzelnd. In diesem Jahr könnte sich Karin Juranek aber eine Ausnahme vorstellen, denn dann finden die Weltmeisterschaften in Pforzheim statt.

Allerdings muss sich der 53-Jährige auch dafür wieder qualifizieren – was in Anbetracht der großen Leistungsdichte an der Spitze auch bei einem Ausnahmekönner wie dem Nennslinger bei weitem kein Selbstläufer ist. Und: „Einen Bonus als Weltmeister gibt es nicht“. Dennoch hat es Juranek nicht zuletzt dank seiner großen mentalen Stärke in den vergangenen sieben Jahren geschafft, sich sechs Mal zu behaupten. Wenngleich es gerade 2011 knapp war und Juranek drei Tage kämpfen musste. Nach zwei Wettkampftagen rief er zu Hause an und meinte, dass die Tendenz im August Familienurlaub statt Europameisterschaft in Finnland heiße. Nun, es kam wieder anders, Juranek schaffte die Quali und bewies wieder einmal, dass er es gerade nach durchwachsenen Serien versteht, das Maximale aus sich rauszuholen. Juranek meint dazu: „Ich bin eben ein Beißer“. Hinzu kommt ein gewisses Maß an Perfektion und Verrücktheit, das er sich zugesteht. So fährt der Nennslinger bisweilen mal eben in die Schweiz zum Büchsenmacher seines Vertrauens, um das Gewehr nachpolieren zu lassen oder tüftelt an der optimalen Zusammensetzung der Geschosse. Das sei schon eine Wissenschaft für sich, meint er, und ergänzt, dass „man immer weiter testen müsse“, bis auch die letzten Kleinigkeiten gerade gebogen sind.

In Würde abtreten

Nein, ans Aufhören habe er noch nicht gedacht, wenngleich er nicht zu denen gehören möchte, die den Absprung verpassen. „Nicht, dass mal einer sagt: Was will denn der alte Mann hier“, umschreibt der Chef von 24 Mitarbeitern dies. Aber daran mag Roland Juranek noch nicht denken, zumal ihm sein Hobby „immer noch unwahrscheinlich Spaß“ macht. Dazu gehört übrigens auch Langdistanzschießen mit Zielen in bis zu 1000 Yard Entfernung, was allerdings nur im Ausland möglich ist.

Auf das schönste Erlebnis seines bisherigen Sportlerlebens angesprochen, muss der Schütze nicht lange überlegen: Bei der Weltmeisterschaft in Australien setzte er den entscheidenden Schuss vier Mal an und sicherte sich eineinhalb Sekunden vor der Schlusssirene mit einer „Zehn“ den Titel. In Australien spielt auch eine andere nette Anekdote: Tochter Kristina hatte ihm in Anbetracht seiner Erfolge mal gesteckt, dass er für sie „kein richtiger, sondern nur Mannschaftsweltmeister sei“. Als er nach seinem ersten Einzeltitel zu Hause anrief, verlangte er zuerst die Tochter, „um etwas richtig zu stellen“.

Derzeit kann es der vielfache Welt- und Europameister etwas ruhiger angehen lassen – wie immer um diese Zeit. Deswegen wird er auch nicht nervös, wenn die ersten Wettkampfergebnisse eher mager ausfallen. Zwei, drei schlechte Monate gehören schon fast zum Programm und beunruhigen nicht weiter. An der Motivation fehlt es Roland Juranek ohnehin nicht – obwohl er eigentlich schon alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt.

Wobei: Eines fehlt dann doch noch in der Sammlung des Schützen. Er war noch nie Sportler des Jahres im Landkreis, „nur“ zwei Mal Zweiter. „Das wäre ein Highlight, das mir noch fehlt.“ Bisher hat Roland Juranek ja all seine Ziele erreicht...

 

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