Schwabach: Fachkraft auf dem zweiten Bildungsweg
17.12.2019, 06:00 UhrAlina Oziorkina ist die Idealbesetzung. 39 Jahre alt, Lettin, alleinerziehend. 2011 kam die Schwabacherin nach Deutschland. Sie arbeitete zunächst als Küchenhilfe, danach als Zimmermädchen. Über eine Zeitarbeitsfirma wurde sie an Apollo vermittelt. Ihr gefiel es dort gut, und Apollo war auf der Suche nach Fachlageristen. Alina Oziorkina war lernbegierig. Sie begann die Ausbildung. Fünf Module absolvierte sie beim Nürnberger Berufsförderzentrum bfz binnen 16 Monaten. Am Ende stand eine externe Prüfung vor der IHK. Jetzt ist die zierliche Frau keine ungelernte Hilfskraft mehr, sondern eine Facharbeiterin, die ganz nebenbei noch den Stapler-Führerschein gemacht hat.
15 400 Frauen und Männer ab 25 Jahren wurden über die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände beziehungsweise über das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft und mit Hilfe der Arbeitsagenturen und Berufsförderzentren weiterqualifiziert.
Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein
Das klingt nach viel, ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn die Konjunktur derzeit ein wenig verschnupft ist: Bis 2025 werden alleine in der bayerischen Wirtschaft 350 000 Fachkräfte fehlen. Die Arbeitgeber haben sich auf die Fahnen geschrieben, mit vermehrten Anstrengungen die Lücke zumindest halbwegs zu schließen. Das passiert einerseits durch Rekrutierung von Fachkräften im Ausland. Das passiert aber auch durch Fort- und Weiterbildung von bislang ungelernten oder gering qualifizierten Kräften.
Und hier kommt das Projekt "Chance Teilqualifizierung" ins Spiel, das es schon seit 2007 gibt. "Es ist nur ein Baustein, aber einer, der immer wichtiger wird", so Bertram Brossardt bei seinem Besuch in Schwabach.
Ausbildung in Module zerlegt
Susanne Mauser-Kick vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft ist Expertin in Sachen "Chance Teilqualifizierung". Inzwischen habe man in 24 Berufen die Ausbildung in jeweils fünf Module zerlegt, sagt sie stolz. Am Ende jedes Moduls steht eine Abschlussprüfung, nach jedem Abschnitt kann man entscheiden, ob man weitermachen will oder nicht. Während die klassische Ausbildung nach der Schulzeit eine Hopp-oder-Top-Geschichte ist, vergleicht Bertram Brossardt die Chance Teilqualifizierung mit einer Treppe. Nach jeder Stufe kann man durchatmen und schauen, ob es noch ein Stück nach oben geht.
An 69 Standorten zwischen Garmisch und Aschaffenburg gibt es inzwischen das, was Alina Oziorkina bei Apollo in Schwabach in der Praxis und beim bfz in Nürnberg in der Theorie durchlaufen hat.
Die IHK-Prüfung meisterte sie mit Bravour, ebenso wie ihre sieben "Mitschüler" aus dem mittelfränkischen Raum. Alle haben einen unbefristeten sozialversicherungspflichtigen Job gefunden.
Bertram Brossardt kann schon mal zu rechnen anfangen. 350 000 Fachkräfte fehlen bis 2025. Acht neue Fachkräfte kamen jetzt hinzu. Fehlen noch 349 992. Es gibt noch viel zu tun.
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