Schwabacher Legende ist jetzt nur noch Geschichte
15.03.2010, 00:00 Uhr
SCHWABACH (stt) – Vor fast exakt 60 Jahren ist das Tanzcafé als Sportheim des Rollschuhclubs eröffnet worden. Bereits 1955 hat es Rudi Nobis von seinem Vater übernommen. »Wir haben eine Ära hinter uns», sagt er an diesem Abend, an dem die Tanzfläche voll ist wie selten in den jüngst zurückliegenden Jahren.
Ganz ohne Stocken kommen Rudi Nobis und seiner Tochter Birgit Nobis-Schrödel die Worte nicht über die Lippen. »Wir haben schon öfter geweint, auch der Rudi», gibt Nobis von sich in der dritten Person zu.
Ein lachendes und ein weinendes Auge sei es, mit dem man schließe. Denn es gehe hier ja weiter, sagte Birgit Nobis-Schrödel. 40 neue Apartments für betreutes Seniorenwohnen werden an der Stelle entstehen, wo sich ganz Schwabach sechs Jahrzehnte lang amüsiert hat. Für Birgit Nobis-Schrödel ist das aber kein wirklicher Trost. Die Tränen strömen aus beiden Augen. Seit 25 Jahren ist sie Chefin im »Tal», wie das Tanzcafé von den Eingefleischten liebevoll genannt wird. »Wir hatten in dieser Zeit nicht einmal Streit», sagt Vater Rudi. Ihren Mann Uwe hat Birgit an der Theke kennengelernt.
»Wir sind hier aufgewachsen»
Unter den Gästen sind viele, die es immer noch nicht ganz fassen können, dass das Stammlokal ihrer Jugend dicht macht. »Wir sind hier aufgewachsen», sagt Sybille Ebert, die sich an ihre Erlebnisse in den frühen 70er Jahren noch gut erinnern kann. Regelmäßig habe sie sich von zu Hause fortgestohlen, um hier in die Disco zu gehen. Kinderfasching, Studentenjob, Männerballett »Die Taler», zählte Helmut Gruhn seine Nobis-Stationen über die Jahrzehnte hinweg auf.
Das Ehepaar Lubowski könnte sich beim Nobis-Kinderfasching erstmals begegnet sein. Unbewusst freilich. Denn kennen und lieben gelernt haben sie sich erst sehr viel später. Vielleicht haben sie im Nobis Ende der 70er als Cowboy und Indianerin aber auch einmal »Lady Bump» miteinander getanzt.
Manche haben im Nobis ihre große Liebe gefunden. »Es war am Faschingsdienstag 1965», sagte Gerhard Schumm aus Unterreichenbach. »Ich war 18 und sie 16», erinnerte er sich an die erste Begegnung mit seiner Frau. »Es hat gefunkt zwischen mir und Erika.» So stark, dass es noch am selben Abend zum ersten Kuss kam. »Heute sind wir 45 Jahre zusammen, 41 davon verheiratet», ist Gerhard Schumm sichtlich zufrieden mit seiner Nobis-Eroberung.
Uschi Schönberger indes legt Wert darauf, ihren Ehemann nicht sofort am ersten Abend im Nobis geküsst zu haben. »Ich bin nicht so eine» meinte sie. An die Veranstaltungsreihen im Nobis erinnert sich Gerhard Schumm noch heute ganz exakt. »Dienstag und Donnerstag ‚Plattenparty‘, Mittwoch und Freitag ‚Tanz bei Kerzenlicht‘, samstags und sonntags Tanz.»
Renate Fischer verdankt dem Nobis sogar doppeltes persönliches Glück. Sie ist zum zweiten Mal verheiratet und hat beide Männer dort zum ersten Mal getroffen. Vor dem Abschiedsabend hat sie einmal zusammengerechnet, wie viel Zeit sie hier verbracht hat. Das Ergebnis verblüfft sie selbst. »Über ein Jahr meines Lebens war ich Tag und Nacht im Nobis», erklärte Renate Fischer, die diese Spanne ausschließlich als Bereicherung sieht. »Ich habe hier jeden Abend etwas mitgenommen, was mir keiner mehr nimmt», sagte sie.
Lina Rühl, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Roth-Schwabach, kennt das Nobis von frühester Jugend an. »Happy im Hippie», erinnert sich die 55-jährige an die Feiern der Wirtschaftsschule in den Jahren 1969 bis 1971, als die Discothek noch genauso hieß wie die Vertreter der Flower-Power-Generation.
Umsätze gingen zurück
Seither hat sich viel verändert. »Seit 20 Jahren gehen die Umsätze kontinuierlich zurück», erklärte Rudi Nobis, »wir haben vieles probiert, aber nichts hat richtig geklappt. »Eigentlich hätten wir schon vor zehn Jahren zu machen müssen.» Einen der Hauptgründe sieht er im Kuwait-Krieg, als der Fasching völlig ausgefallen ist und dadurch einen irreparablen Dauerschaden erlitten hat. »Viele Vereine haben danach gesagt, wir machen nichts mehr.» Die strengeren Vorschriften zu Alkohol am Steuer hätten dazu geführt, dass weniger getrunken werde. Außerdem wollten Männer immer weniger tanzen. Ein Umstand, den die Damen durch heftiges Nicken bestätigen.
Für die harten Fans des Tanzcafés, die seit Jahrzehnten ins Tal kommen, ist allerdings noch nicht aller Tage Abend. Schließlich waren viele hier bereits als acht- und neun-Jährige beim Schlittschuhfahren, dann in der Disco und später mit dem eigenen Nachwuchs beim Kinderfasching. »Generation Nobis» also, die mit dem Tanzcafé alt geworden ist. »Sie können hier bald ins betreute Wohnen einziehen», meinte Gerhard Schumm. »Dann schließt sich der Kreis.»