Schwere Vorwürfe gegen Pflegeheim der Diakonie
19.05.2009, 00:00 Uhr
Deshalb machte sich sofort der für die Diakonie verantwortliche Oberkirchenrat Detlev Bierbaum aus der Zentrale der Landeskirche - er war früher Dekan in Nürnberg Nord - von der Landeshauptstadt in die fränkische Provinz auf. Auch Ludwig Markert hielt es nicht länger auf seinem Präsidentenstuhl in Nürnberg, er fuhr nach Dinkelsbühl im Landkreis Ansbach. Markert ist Chef des Diakonischen Werks Bayern, zu dem auch die Pflegeeinrichtung der Diakonie Dinkelsbühl-Wassertrüdingen gehört. Für Markert und Bierbaum steht der Ruf der kirchlichen Einrichtungen in Bayern auf dem Spiel: «Die Vorwürfe treffen unsere Kirche ins Herz«, sagt Bierbaum sichtlich erschüttert.
«Sie stirbt eh gleich«
Vor Ort in Dinkelsbühl ist Krisenmanagement gefragt. Freilich sind es nur Vorwürfe. Aber es ist kein anonymes Schreiben, das den Kirchenoberen und den Ermittlern vorliegt. Zwei ehemalige Schwesternschülerinnen und eine langjährige Pflegerin stehen ganz offen zu ihren Aussagen. In drei Fällen ist laut Angaben der Frauen fraglich, ob in lebensbedrohlichen Situationen von Pflegebedürftigen Ärzte gerufen wurden. Angeblich seien dabei schlimme Äußerungen gefallen nach dem Motto: «Die Frau stirbt eh gleich«.
Das Problem ist, dass die angeblichen Vorfälle bis zu acht Jahre zurückliegen. Zwar hat die Staatsanwaltschaft bereits umfangreiche Patientendokumentationen mitgenommen. Aber wenn ein Arzt bei der Ausstellung des Totenscheins keinen Verdacht auf Einwirkung oder Verschulden des Pflegepersonals schöpft und deshalb keine weiteren Untersuchungen durch die Gerichtsmedizin einleiten lässt, sind die Ermittler später meist chancenlos. Die Staatsanwaltschaft in Ansbach bestätigt, dass auch dem Vorwurf der «groben Behandlung« von fünf Senioren nachgegangen wird. Angeblich gibt es sogar Fotos der Blutergüsse. Dazu wollten sich die Verantwortlichen in Dinkelsbühl nicht äußern.
«Ja, hin und wieder hat es Beschwerden gegeben«
Im Mittelpunkt der Krisengespräche in Dinkelsbühl steht der ehrenamtliche Vorsitzende des dortigen Diakonievereins, Friedrich Lechler. Seit 13 Jahren führt der frühere Bankdirektor den Trägerverein. «Ja, hin und wieder hat es Beschwerden gegeben«, räumt er nervös ein. Und erst vor wenigen Wochen sei eine Pflegerin abgemahnt und dann fristlos entlassen worden. Die Frau habe sich im Ton vergriffen. Auch er ringt um Fassung, hat sofort eine Mitarbeiterversammlung einberufen und dabei erfahren, dass sich das Pflegepersonal von den angeblichen Ausfällen und Straftaten strikt distanziert: «Wir sind das nicht«, hörte der örtliche Diakonie-Chef.
«Absolute Transparenz«
Bayerns oberster Leiter der Diakonie, Ludwig Markert, zieht dennoch gleich erste Konsequenzen. Das Beschwerdemanagement der Diakonie, die bayernweit für immerhin 23000 pflegebedürftige Menschen Verantwortung trägt, soll verbessert werden. Und er mahnt bei seinen Krisengesprächen in Dinkelsbühl. «Die Wahrheit soll um Himmels willen nicht bruchstückhaft ans Licht: «Wir wollen die Vorwürfe ohne Ansehen der Person aufklären.« Auch Detlev Bierbaum tritt die Flucht nach vorne an und plädiert für «absolute Transparenz«.
Deutlich ist das Bemühen der oberen Kirchenfunktionäre, die Dinkelsbühler Diakonie nicht im Regen stehen zu lassen. So betonen sie: Immerhin hat der Trägerverein sofort Selbstanzeige erstattet, als die Vorwürfe ruchbar wurden. Mit Spannung werden jetzt die Ermittlungsergebnisse erwartet. Doch die Staatsanwaltschaft in Ansbach macht keine Hoffnung auf schnelle Ergebnisse. Zunächst müssen noch Zeugen gehört und Unterlagen ausgewertet werden, heißt es. Erst nach dem Abschluss der umfangreichen Ermittlungen will sich die Staatsanwaltschaft äußern.