Trotz Elternzeit: Kirche will lesbische Erzieherin entlassen
15.6.2012, 11:06 UhrDie Leiterin eines katholischen Kindergartens liebt eine Frau – und geht mit ihr eine Lebensgemeinschaft ein. Ihr ist bewusst, dass sie dies ihren Job kosten kann. Tatsächlich greift der kirchliche Arbeitgeber hart durch und will der 39-Jährigen kündigen. In der katholischen Kirche kommen solche Arbeitsstreitigkeiten immer wieder vor.
Doch dieser Fall ist anders: Die Erzieherin ist in Elternzeit und genießt damit einen besonderen Kündigungsschutz. Somit muss das Gewerbeaufsichtsamt dem Rauswurf zustimmen. Weil sich die Behörde weigert, zieht die Kirche vor das Augsburger Verwaltungsgericht. Kritiker werfen ihr vor, sie beharre auf ihren Moralvorstellungen. Kläger ist die Pfarrkirchenstiftung, vertreten durch die Rechtsabteilung der Diözese. Sie zieht gegen den Freistaat Bayern ins Feld – er solle der Kündigung zustimmen. Der Fall wird am kommenden Dienstag, 19. Juni, in Augsburg verhandelt.
Das Gewerbeaufsichtsamt argumentiert, die Interessen der Arbeitnehmerin überwiegen, unabhängig davon, ob ein besonderer Grund für die Kündigung vorliegt, wie Gerichtssprecher Ivo Moll erläutert. Wegen der Zustimmungspflicht einer Behörde ist in diesem Fall ein Verwaltungsgericht und kein Arbeitsgericht zuständig. Die Kirche berufe sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht, sagt Moll. Danach können Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln.
Es gilt die kirchliche Moralvorstellung
In Streitfällen legen Gerichte die kirchlichen Maßstäbe zur Bewertung von Loyalitätspflichten zugrunde. Mitarbeiter müssen die religiösen Glaubenssätze beachten. Im konkreten Fall verstößt die Homosexualität der Kindergärtnerin aus dem Landkreis Neu-Ulm gegen die katholischen Moralvorstellungen. Die Frau hatte bei ihrem kirchlichen Arbeitgeber eine Bescheinigung über die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft abgegeben. Auf einer Notiz vermerkte die 39-Jährige auch, sie wisse, dass dies ein Kündigungsgrund sei.
Bistumssprecher Markus Kremser sagt: „Aus Sicht der Diözese handelt es sich um einen so schwerwiegenden Verstoß gegen die Loyalitätspflicht eines Mitarbeiters, dass eine Kündigung keinen Aufschub duldet.“ Die kirchliche Grundordnung sei Bestandteil jedes Arbeitsvertrages. Die Mitarbeiter wüssten, dass ihnen bei Verstößen die Kündigung drohe. Insbesondere Erzieher müssten die Grundsätze des katholischen Glaubens und der Sittenlehre akzeptieren.
Laien befürchten weiteren Imageschaden
Aus Sicht der kirchenkritischen Laienbewegung „Wir sind Kirche“ geht es in dem Verfahren um einen Wettstreit der Systeme: das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gegen die allgemeinen Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer. Die katholische Kirche wolle ihr Recht über alles stellen – dabei würden auch katholische Kindergärten wesentlich von staatlichen Mitteln mitgetragen, sagt „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner. Ein solcher Prozess könne dem Image der Kirche zusätzlich schaden – gerade im Bistum Augsburg mit seinen Protesten gegen die Reformpläne von Bischof Konrad Zdarsa. Weisner versteht nicht, was die Kirche damit erreicht, dass sie die Frau schon während der Elternzeit hinauswirft. „Die Moral wird durchgefochten – koste es, was es wolle.“ Wenn es um Sexualität gehe, sei die kirchliche Moral sehr undifferenziert. „Ein weniger verkrampfter und verbotsbetonter Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität ist dringend nötig“, sagt Weisner.
Das Gericht weiß, dass es ab kommenden Dienstag ein äußerst sensibles Thema verhandelt. Gerichtssprecher Moll sagt: „Wir werden versuchen, das ohne Eifer zu ergründen.“
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