Neues Auge des Gesetzes

Videoüberwachung mit Drohnen: Wenn die Polizei mit dem Ballon kommt

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

E-Mail zur Autorenseite

17.8.2021, 15:48 Uhr
Drohnen waren anfangs vor allem ein Spielzeug für Technikaffine. Inzwischen setzt auch die Polizei sie ein. Neuestes Kind in der bayerischen Videofamilie ist ein Heliumballon. 

© Federico Gambarini, NZ Drohnen waren anfangs vor allem ein Spielzeug für Technikaffine. Inzwischen setzt auch die Polizei sie ein. Neuestes Kind in der bayerischen Videofamilie ist ein Heliumballon. 

Das Thema ist heikel, keine Frage. Und deshalb macht Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eines sofort klar: "Eine undifferenzierte flächendeckende Videoüberwachung wird es in Bayern nicht geben." Londoner Verhältnisse, sagt er "wollen wir ganz klar nicht. Dort ist nach vorsichtigen Schätzungen rund eine Million Kameras aufgebaut, die so ziemlich jeden Winkel ausleuchten.


Drohnen: Auch für Überflieger gelten Regeln


Davon ist Bayern weit entfernt. Doch auch hier setzt die Polizei auf Videotechnik. Schon in den 1990er Jahren nutzt sie Kameras zu Dokumentationszwecken. Heute überwacht sie Plätze, Stadien, Kundgebungen und vieles mehr. So viel ist das geworden, dass sich eine eigene "Koordinierungsstelle Video" um alle Fragen kümmert, kurz KOST Video genannt. Die berät Polizeibehörden ebenso wie Kommunen, bündelt das Wissen in Fragen des Einsatzes, des rechts und der Technik.

Der bessere Hubschrauber

Technisch ist die Familie der Überwachungseinheiten gerade um ein Familienmitglied gewachsen. Der "gefesselte Heliumballon mit Videotechnik", wie das Teil in bestem Beamtendeutsch heißt, steigt an einem Seil bis auf 300 Meter. Seine Kamera ist hochauflösend und wärmebildfähig. Das Objektiv erfasst ein weites Areal; es kann bei der Überwachung von Großereignissen ebenso helfen wie bei der Suche etwa nach Vermissten.

Die Vorteile liegen für die Fachleute der Polizei auf der Hand. Das auf einen Hänger montierte Gerät, dessen Ballon aufgefüllt gut sechs Meter durchmisst, sei im Einsatz extrem leise, könne ewig fliegen und brauche zudem anders als etwa ein Polizeihubschrauber kein Benzin. Billig ist das System allerdings nicht. Alles in allem kostet der Ballon mit seiner Technik rund 400 000 Euro.

Extra einen Pickup

Das Videoarsenal der Polizei reicht von kleinen bis riesigen Drohnen, von umgebauten Bussen mit aufmontierten Kameras bis zum "teilstationären Videoanhänger". Der wiegt zweieinhalb Tonnen; Strom erzeugt ein Generator, dessen Tank groß genug ist, damit das System wochenlang laufen kann. Selbstverständlich ist er "vandalismusgeschützt", wie die Polizeiexperten erläutern. Und weil der Anhänger schon mal wegen seines Gewichts etwa im Festival-Gelände einsinken kann, verfügt die Polizei nun über einen bulligen Amarok-Pickup, der nicht nur die zweieinhalb Tonnen ziehen darf, sondern den Hänger notfalls auch mit einer Seilwinde retten kann.

Alles in allem verfügt die bayerische Polizei mittlerweile über 81 Videoeinheiten, die sich über das Land verteilen und bei Großveranstaltungen eingesetzt werden oder an Gefahrenbrennpunkten, wie sie das Polizeiaufgabengesetz definieren und das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz des Bundes.

Schwerpunkt Nürnberg

Dass die meisten Kameras ausgerechnet in Nürnberg stehen, ist kein Zufall. 30 Stück hat die Polizei hier derzeit aufgestellt. Zum Vergleich: Im dreimal so großen München sind es nur elf. Die in Nürnberg stehen vor allem am Bahnhofsvorplatz, in der Königstorpassage oder am Plärrer. "Dass es so viele sind", sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken2 liegt an den baulichen Gegebenheiten." Nürnberg ist nicht krimineller als München, nur verwinkelter. Will die Polizei alle Ecken ausleuchten, muss sie an manchen Stellen gleich mehrere Kameras installieren.

Kameras, sagt Innenminister Herrmann, erfüllten vielerlei Zwecke. "Sie helfen ganz entscheidend bei der Fahndung nach Kriminellen oder auch bei möglichen terroristischen Anschlägen." Sie könnten Straftäter abschrecken oder das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken. nicht benötigte Daten dürfen längstens 21 Tage gespeichert bleiben.

Gesichter erkennen

Gleichzeitig forschen die Mitarbeiter der Kost Video an weiteren Einsatzmöglichkeiten. "Sie sollen die Qualität der Aufnahmen optimieren und Auswertemöglichkeiten verbessern", sagt Herrmann. Computer, so die Wunschvorstellung, können eines Tages die Gesichter erkennen, das verhalten analysieren und Muster erkennen. Das helfe, "dass Straftäter noch besser und schneller identifiziert werden können", sagt der Innenminister.

Keine Kommentare