Vom Mobbingopfer zum Moderator: Oberpfälzer polarisiert bei N1
06.02.2020, 10:39 UhrDie Chancen, dass er einmal Florian Kerschners Nachfolge antritt, stehen aber nicht schlecht. "Ich will gar nicht allen gefallen", sagt Stefani. "Wenn du allen gefällst, dann redet auch niemand über dich." Braune Augen hinter der Brille, um die Hüfte etwas runder, sieht Stefani netter aus als seine scharfe Zunge am Mikro vermuten lässt.
Vier Wochen lang hatte er Anfang des Jahres Kerschners Frühsendung von 5 bis 10 Uhr übernommen, weil der als frisch gebackener Papa ein paar Wochen Baby-Auszeit nahm. "Es war sehr früh", gibt Stefani lachend zu. In Berlin, wo er vorher beim Radio war, musste er zwar auch mal früh ran — aber als Producer. "Früh reden zu müssen, ist nochmal etwas anderes", sagt er.
Er schmiss die Schule und ging nach Berlin
Zum Radio zu gehen, den Traum träumte der gebürtige Oberpfälzer schon früh. Denn das Radio war es, das ihm Halt gab in einer Kindheit, die nicht einfach war. Mit sechs Jahren kam er aus seiner Familie ins Heim. "Dort war ich der Jüngste und hatte vor allem Angst", erzählt er. Er verkroch sich in seinem Zimmer und drehte das Radio an, Bayern 3. Jeden Tag hörte er dieselben Moderatoren. Die ihn beruhigten, ihm Sicherheit gaben. "Susanne Rohrer, Thomas Anzenhofer, das waren meine Freude", sagt Stefani. Wie funktioniert Radio eigentlich, wollte er wissen — und schrieb alle Moderatoren an. Einer antwortete: Thomas Anzenhofer. "Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben", sagt Stefani heute noch. Denn der Moderator lud den damals Elfährigen ins Studio ein und wurde etwas wie ein Mentor für ihn. "Ich will zum Radio", war Stefani von da an klar.
Er schmiss die Schule und ging nach Berlin, dahin, "wo die Leute gestört sind." Während er in Nürnberg polarisiert, sei er für Berliner Verhältnisse fast langweilig gewesen. Nach Bayern wollte er trotzdem wieder zurück. Seine Freunde leben hier, er selbst wohnte zwei Jahre in Nürnberg. "Ich bin schon verwurzelt hier", sagt er. Seit eineinhalb Jahren ist er bei N1, moderiert die Nachmittags-Sendung. Er lebt in einer Einzimmer-Wohnung, und lässt im Gegensatz zu Kerschner lieber kochen. "Ich bin ein fauler Mensch. Mein halbes Gehalt bekommen die Lokale und Restaurants hier", gibt der Vegetarier zu.
"Eine Tür ist aufgegangen und ich bin reingelatscht"
Als er zum ersten Mal im Studio stand, kamen ihm fast die Tränen, erzählt er. "Früher war ich Mobbing-Opfer und jetzt stehe ich hier, und es hören mir 50.000 Menschen zu." Einen Auftrag, den der 21-Jährige, bei aller Schnoddrigkeit, ernst nimmt. "Es gibt ja auch Tage, an denen man keinen Bock hat. Aber dann denke ich, wenn ich nur einen Jungen oder ein Mädchen erreiche, das vielleicht auch eine schwierige Zeit hat, wie ich damals, dann ist es meine verdammte Pflicht, da zu sein."
Dass sich alles ganz schnell ändern kann und er sich am besten auf sich selbst verlässt, hat er im Heim gelernt. Richtig weit kommt man aber nur mit einem guten Coach, ist er sicher. Mit Florian Kerschner, der auch Programmchef ist, hat er einen. Der hält ihn für einen der talentiertesten Nachwuchsmoderatoren Deutschlands. "Er hat Persönlichkeit." Auch wenn die ab und zu mal übers Ziel hinausschießt. "Jetzt muss er auch mal seine nette Seite rauskehren. Die hat er ja auch!", betont er. Wie beim ersten Date sollte man die Sache mit den Hörern angehen, rät Kerschner: "Sich so verhalten, dass der andere denkt, ,Ach ja, nett, den treff ich nochmal.‘"
Kerschners Leben hat sich seit der Geburt von Sohn Finn vor sieben Monaten um 180 Grad gedreht. Statt abends mit Freunden bei einem Bier zu sitzen, liegt er jetzt schon mal um 18.30 Uhr im Bett. Unvorstellbar für Stefani: "O Gott!", entfährt es ihm. Auch Kerschner war früher eher einer, der schon mal direkt von der Feier ins Studio kam. "Aber wenn mich jetzt die Babyaugen anschauen, dann ist Bier einfach draußen! Ich habe mehr Schlaf und krass Energie momentan", sagt er. Seit 20 Jahren macht der 40-Jährige Radio, seit 13 Jahren die Morning-Show. Die eng mit seiner Person verbunden ist. Und wenn Stefani dann mal ran darf, wird er es vermutlich machen wie bisher: "Eine Tür ist aufgegangen und ich bin reingelatscht."
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