Warum der Discounter Aldi offenbar perfekt zu Franken passt
21.2.2013, 10:40 UhrNZ: Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Wilkes: Ich bin ja kein gebürtiger Franke, sondern stamme aus Dortmund. Das ist Aldi-Nord-Land. Damals gab es noch den Ur-Aldi. Den Albrecht Discount, auf den der Aldi, wie wir ihn heute kennen, zurückgeht. Mich hat es schon als Kind fasziniert, wie dort einfach von den Paletten herunter verkauft wurde. Dieses ursprüngliche Einkaufserlebnis ist mir immer in Erinnerung geblieben.
Beruflich bin ich dann später immer zwischen Aldi-Nord-Land und Aldi-Süd-Land hin und her gependelt und habe so die Unterschiede der Sortimente kennengelernt. Die Idee für das Buch entstand dann gemeinsam mit meinem Cousin. Wir lieben es beide unterwegs zu sein. Wenn man gerne auf Achse ist, erlebt man sehr viele Dinge. Also haben wir darüber nachgedacht, welches Reiseprojekt wir angehen könnten. Eine Reise durch Deutschland wäre doch mal interessant, haben wir uns überlegt…
NZ: …entlang des „Aldi-Äquators“, was sonst.
Wilkes: Ja! Die einzige real existierende Grenze, die es in Deutschland überhaupt noch gibt, das ist die Grenze zwischen Aldi Nord und Aldi Süd. Diese läuft so wunderbar durch die deutsche Provinz. Gerade das hat uns sehr gereizt. Wir wollten ein wenig die Einkaufsgewohnheiten der Menschen diesseits und jenseits des Äquators ergründen, nach dem Motto „sag mir, wie du einkaufst und ich sag dir, wer du bist“.
Denn die Einkaufsgewohnheiten prägen uns Menschen und unseren Lebensstil schließlich in ganz besonderer Weise. Gerade dieses Discounterwesen oder –unwesen, je nachdem wie man es bezeichnen möchte, mit all seinen schönen und auch tückischen Seiten zu ergründen, war unsere Idee. Zu schauen, was uns in Deutschland heute noch trennt, was uns verbindet, das waren alles Dinge, die uns interessiert haben. Gemeinsam mit zwei Freunden sind wir diese zugegeben schon sehr schräge Reise dann angegangen. Eine Woche.
NZ: Was unterscheidet denn nun Aldi-Nord-Land von Aldi-Süd-Land?
Wilkes: Man muss sagen, dass Aldi-Süd-Land tendenziell ein bisschen edler ist. Die Aldi-Süd-Filialen und die Gestaltung deren Parkplätze, was beispielsweise die Bepflanzung betrifft, das ist schon alles eine Nuance schicker als im Norden. Wobei dafür das Sortiment im Aldi-Nord-Land zum Teil größer ist. Da entdeckt man Dinge, die man im Süden nicht findet. Zum Beispiel verkauft Aldi auf Sylt Zeitschriften und Zeitungen. Wir haben uns natürlich auch ein wenig durch die verschiedenen Sortimente gegessen. Soviel sei verraten: Zum Teil überschneidet sich das Angebot, aber es gibt auch sehr viele schmeckbare Unterscheide.
NZ: Wie würden Sie denn den fränkischen Aldi-Bewohner charakterisieren?
Wilkes: Der Franke geht beim Einkauf entsprechend seiner Mentalität sehr systematisch und geordnet vor. Aufgrund seiner nüchternen und direkten Art macht er ungern Umwege. Er schreitet zielsicher die Regale ab, er weiß genau, wo er hin zu greifen hat, um seinen Einkaufszettel abzuarbeiten. Der Franke, so habe ich das bisher erlebt, mag es einfach nicht, zu viel Zeit beim Einkaufen zu verschwenden. Bei alledem kommt ihm das Aldi-System natürlich sehr entgegen. Hier wird er nicht durch zu viel Vielfalt verwirrt. Außerdem verliert der Franke ja auch nicht gerne mehr Worte, als unbedingt nötig.
Er beschränkt sich oftmals auf die essentiellen Dinge. Lange einleitende Sätze findet man eher selten. Auch in dieser Hinsicht kommt ihm die Discounter-Idee sehr zugute. Dort gibt es schon mal gar nicht die Zwang, in irgendeine Kommunikation treten zu müssen. Eine Wurst- oder Käsetheke, an der man etwas bestellen muss, fehlt. Das Aldi-System ist zudem nicht darauf ausgerichtet, dass man mit seinem Einkaufswagen in den Gängen stehen bleibt und sich unterhält. Macht man das, verursacht man zwangsläufig einen Stau, der zu sehr viel Ärger führt. Insofern geht es in den fränkischen Discountern sehr zügig voran, weil es dort ja eher selten vorkommt, dass zwei Leute stehen bleiben und sich längere Zeit unterhalten. Aldi passt also perfekt nach Franken.
NZ: Sie haben das Buch den Aldi-Verkäuferinnen gewidmet. Warum?
Wilkes: Weil diese für mich die Heldinnen der Wirklichkeit sind. Früher, als es noch das alte System gab, bei dem die Verkäuferinnen den Preis eines jeden Produkts auswendig kennen und eingeben mussten, habe ich sie noch mehr bewundert. Und auch heute, ständig dieses Piep, Piep, Piep, da bekommt man ja einen Tinnitus. Außerdem sind sie trotz der wahnsinnigen Hektik und trotz des unglaublichen Tempos immer freundlich. Nach einem Tag würde ich wohl entnervt aufgeben.
Johannes Wilkes liest am Donnerstag um 18.30 Uhr im Nürnberger Thalia Buchhaus Campe (Karolinenstraße 53) aus seinem Buch „Der Aldi-Äquator“. Der Eintritt ist frei.
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