Feingefühl an der Fräsmaschine
15.04.2011, 08:20 Uhr
Begrüßt wurden sie dort vom Betriebsratsvorsitzenden Wilhelm Zapf, der die Mädchen auch durch das Weißenburger Werk führte und ihnen die eine oder andere Spezialmaschine erklärte, mit der der Automobilzulieferer Stoßfänger und andere Bauteile fertigt. Die jungen Damen hörten ihm interessiert und geduldig zu – obgleich die meisten schon genau wissen, was sie einmal werden wollen: Krankenschwester, Bankkauffrau oder Verkäuferin. Da kann auch der Girls’ Day 2011 nicht dagegen ankommen: Die Top Ten der beliebtesten Ausbildungsliste ist seit Jahren stabil.
Zementierte Rollenbilder
Das weiß natürlich keine besser als Dr. Häublein, die aus diesem Grund auch nicht zu hohe Erwartungen hat, dass ein Tag die in vielen Jahrzehnten festzementierten Rollenbilder über den Haufen werfen kann. „Zumindest setzen sie sich einmal gezielt mit anderen Berufen auseinander und sehen diese vor Ort. Können fühlen, sehen und ausprobieren, wie der Beruf tatsächlich ist.“
Deshalb kommt auch die Praxis nicht zu kurz: In der Lehrwerkstatt dürfen die 15 Mädchen einmal selbst die Fräsmaschine ausprobieren. Ausbilder Markus Pfefferer erklärt ihnen genau die Maschine und passt auf, dass nichts passiert. Auch er hätte eigentlich nichts dagegen, wenn sich bei Faurecia für die technischen Berufe mehr Mädchen bewerben würden. Denn auch Pfefferer denkt, dass diese teilweise den Jungs sogar überlegen sein könnten. „Beschichtungstechniker wäre so ein Beruf, bei dem man viel Fingerspitzengefühl und Feinmotorik braucht und auch einen Sinn für Optik.“ Dennoch gab es fürs laufende Lehrjahr nur eine weibliche Bewerberin.
Häublein ist trotz allem überzeugt, dass der Girls’ Day etwas bringen kann – auch den Arbeitgebern: „Der zweite Effekt ist es, den Horizont der Betriebe zu erweitern und dadurch auch klassische Vorurteile abzubauen. Wir wollen mit dem Tag vor allem zur Reflexion anregen und ein möglichst breites Spektrum zeigen.“ Denn immerhin stünde den jungen Damen ein Spektrum von insgesamt 250 Ausbildungsberufen zur Verfügung. Allerdings legen sich dann die meisten auf die bereits erwähnten Top Ten fest, die immer noch von der Verkäuferin angeführt werden.
Girls’ Day in der Kläranlage
Bei den Jungen ist das dagegen noch immer der Kraftfahrzeugmechatroniker. Dienstleistungsberufe stehen beim starken Geschlecht dagegen nicht gerade in der Gunst: Erzieher oder Pfleger werden von jungen Männern viel zu selten in Betracht gezogen. Doch gerade hier gäbe es gute Berufsaussichten, weil sich ein Fachkräftemangel abzeichnet. Viele Teams und Kollegien würden in Zukunft gerne mehr Männer willkommen heißen.
Während die 15 Mädchen der Weißenburger Realschule gerade in der Werkskantine ein kleines Präsent und ihre Bescheinigung über die Teilnahme am Girls’ Day entgegennahmen, führte Betriebsleiter Josef Uhl sechs junge Frauen durch die Kläranlage Brombachsee. Die Mädchen bekamen einen Eindruck über das Berufsbild der „Fachkraft für Abwassertechnik“ und durften im Metall- und Elektrobereich, im Labor und in der Unfallverhütung ihr handwerkliches Geschick zeigen. Mit dabei war auch der neue Geschäftsleiter des Zweckverbandes Brombachsee, Roland Schermer, der die Aktion voll unterstützte und den Jugendlichen für ihre Zukunft alles Gute wünschte.
Auch das Weißenburger Leoni-Werk nahm erneut am Girls’ Day teil. 60 interessierte Mädchen informierten sich dort über die angebotenen Berufe und probierten aus, wie man Hülsen lötet, Gehäuse steckt oder Kabel in dreidimensionaler Form mitmilfe einer CAD-Software konstruiert.
Zum ersten Mal beteiligte sich auch der TÜV in der Weißenburger Schlachthofstraße an der Aktion. Dort absolierten die Mädchen einen kleinen Pannenkurs, wechselten Räder und prüften Ölstand und Reifendruck. Im Anschluss durften sie ihr Wissen beim theoretischen Teil einer Führerscheinprüfung testen.