Gefragte Beratungsstelle

02.04.2019, 05:59 Uhr
Gefragte Beratungsstelle

© Markus Steiner

Es ist ein ganz normaler Tag in der Beratungsstelle für Eltern und Jugendliche in Weißenburg: Kurz nach 8 Uhr klingelt das Telefon zum ersten Mal. Sabrina Müller (alle Namen geändert) möchte dringend einen Termin vereinbaren. Die Mutter berichtet völlig verzweifelt, dass es seit der Trennung von ihrem Mann immer wieder zu großen Schwierigkeiten in der Familie kommt und sie sich große Sorgen um die gemeinsamen Kinder macht. Ihre Tochter Sandra hat sich in der Schule geprügelt und musste deshalb zum Direktor. Ihr Sohn Elias, sagen die Erzieherinnen, würde sich im Kindergarten völlig zurückziehen und nicht mehr mit anderen Kindern spielen. Sie selbst habe das Gefühl, dass ihr Mann das alles nicht ernst nehme und sie sich mit den Problemen völlig alleingelassen fühlt und nicht mehr weiterweiß. Für Stephanie Göggerle gehören Probleme wie diese zum Alltag.

Die Diplom-Psychologin leitet seit Juni 2017 die Eltern- und Jugendberatung des Diakonischen Werks in Weißenburg. Gemeinsam im Team wird entschieden, wer die Familie berät. Die zuständige Beraterin vereinbart dann möglichst zeitnah einen Ersttermin, den die Eltern am besten gemeinsam wahrnehmen sollten. Sollte es bei dem Gespräch zu massiven gegenseitigen Vorwürfen kommen, würde eine weitere Kollegin hinzugezogen werden, sodass die Eltern vor­erst einzeln beraten werden können.

Den Blick auf die Kinder richten

„Eine nicht verarbeite Trennung ist häufig der Grund dafür, dass Eltern es nicht mehr schaffen, ihre eigenen Verletzungen und Kränkungen zurückzustellen und den Blick auf ihre Kinder zu richten“, weiß Göggerle aus ihrer langjährigen Erfahrung. Die Eltern könnten dann nicht mehr im Sinne des Kindeswohles entscheiden. Und das steht für das Team der Beratungsstelle im Vordergrund. Deshalb werden mit Familie Müller bei mehreren Terminen erst einmal Grundsätze erarbeitet, wie die Kinder möglichst vor negativen Trennungsfolgen geschützt werden können, und die Erziehungsberechtigten werden bei gemeinsamen Absprachen unterstützt. Außerdem werden die Bedürfnisse der Kinder in der Trennungssituation betrachtet und den Eltern Wege aufgezeigt, wie sie ihren Kindern das geben können, was diese in der belastenden Situation brauchen.

Die Eltern- und Jugendberatungsstelle des Diakonischen Werks Weißenburg-Gunzenhausen ist seit genau 40 Jahren Teil der psychosozialen Grundversorgung von Familien im Landkreis und gehört zu den ambulanten Diensten der Jugendhilfe. Sie arbeitet seit dem 1. Januar 1991 auf der rechtlichen Grundlage des SGB VIII des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Das bedeutet: Familien in Deutschland haben ein Recht auf Erziehungsberatung. Das Team der Beratungsstelle ist Ansprechpartner für Eltern, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 27. Lebensjahr.

Der Bedarf für Eltern- und Jugendberatung ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen: So wurden 2018 insgesamt 845 Kinder, Jugendliche oder deren Eltern in der Eltern- und Jugendberatung vorstellig. „Erfreulicherweise sind immer mehr Eltern bereit, sich in ihrer Erziehungsarbeit unterstützen zu lassen“, sagt Stephanie Göggerle. Die Zeiten, in denen es als Schwäche galt, wenn man eine Beratungsstelle aufsuchen muss, seien glücklicherweise vorbei. Gut findet die Psychologin auch, dass immer mehr Väter ihre Erzieherrolle und Verantwortung übernehmen wollen. Im Idealfall teilen sich Väter und Mütter diese Rolle zu gleichen Teilen.

Was den meisten Familien in der heutigen Zeit zu schaffen macht: „Dieser Gedanke, dass alles heute machbar ist“, weiß die Diplom-Psychologin. Ein Anspruch, der viele Eltern natürlich überfordert. Hinzu kommt, dass nicht jeder der zigfachen Erziehungsratgeber, die auf dem Markt sind, für jedes Kind und jede Familie passt. Deshalb rät Stephanie Göggerle viel eher zu individuellen Lösungen: „Hören Sie einfach auf sich selbst.“ Göggerle und ihr Team wollen die Familien, die sei beraten, dazu ermuntern, sich selbst mehr zu beobachten und wollen sie dadurch unterstützen, Krisen zu bewältigen und ein förderliches Familienklima zu etablieren.

In der Beratung reichen die Themen von Partnerschaft, Trotzphase und Pubertät bis zur Zukunftsplanung der jungen Erwachsenen. Ziel der Sozialpädagoginnen und Psychologinnen ist es weniger, allgemeine Tipps und Ratschläge zu erteilen, sondern – basierend auf dem Hintergrund von Fachwissen – mit den Betroffenen gemeinsam individuelle Lösungswege zu finden. Die sollten im Idealfall immer zur Situation der jeweiligen Familie passen und die Familienmitglieder wieder miteinander ins Gespräch bringen.

Präventionsarbeit

Zur Präventionsarbeit der Beratungsstelle gehören ein wöchentliches Elterncafé, das Elterntraining, Supervisionen für Kita-Teams und eine Reihe von Veranstaltungen, wie Vorträge und Workshops für Eltern. Im Beratungsteam des Diakonischen Werks arbeiten psychologische und pädagogische Fachkräfte eng zusammen. Alle Mitarbeiterinnen verfügen über langjährige beraterische und therapeutische Ausbildungen und Erfahrungen.

„Die Niederschwelligkeit unseres Angebotes ist ein wichtiges Ziel“, sagt Göggerle. Dies sei durch eine unbürokratische Anmeldung über einen Telefonanruf gewährleistet. Meist kann bereits schon innerhalb von vier Wochen mit der Beratung begonnen werden. Was noch wichtig ist: Die Beratung ist kostenfrei und unterliegt der Schweigepflicht. Weil oftmals nicht nur ein Problem, sondern gleich mehrere Probleme bestehen, arbeitet die Eltern- und Jugendberatung innerhalb des Trägers im Netzwerk mit anderen Beratungsstellen und Diensten zusammen, die sich seit Oktober jetzt alle im neuen Beratungszentrum in der Schulhausstraße 4 bündeln. Für Stephanie Göggerle ein klarer Vorteil: „So können Fachwissen aus anderen Bereichen angefragt und die Ratsuchenden niederschwellig weitervermittelt werden. Unsere Leistungen werden dadurch sogar multipliziert.“

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