Gut 300 Geräte wären nötig
Luftfilter für alle Klassenzimmer in Altmühlfranken?
15.7.2021, 16:29 UhrDie Staatsregierung erhofft sich von solchen Geräten, dass der Präsenzunterricht auch im Herbst und Winter laufen kann. Sie sollen ein weiterer Baustein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie sein. Dass sie grundsätzlich in der Lage sind, die Zahl der Viren in der Luft zu reduzieren, ist unbestritten. Dennoch gibt es mehrere Stolpersteine.
Für Landrat Manuel Westphal (CSU) ist die entscheidende Frage: „Wie kommen wir vor die Welle?“ Das meint er bewusst doppeldeutig. Denn, wenn man schon für viel Geld Luftfilter anschafft, sollten sie in den Schulen sein, bevor die nächste Corona-Welle übers Land schwappt. Und dazu ist es erforderlich, vor der großen Bestellwelle einzukaufen. Auch andere Bundesländer wollen auf Luftfilter setzen. Es ist klar, dass es so viele Geräte nicht auf dem Markt gibt. Wer zu spät bestellt, wird zu spät beliefert.
Zeitlich sehr eng
Noch stehen die Förderrichtlinien nicht fest. Bekannt sind nur ein paar Eckdaten, die Ministerpräsident Markus Söder angekündigt hat. Weil der Landkreis aufgrund des Auftragsvolumens europaweit ausschreiben muss, braucht er mindestens sechs Wochen bis zur Auftragsvergabe. Dann muss noch geliefert werden. Und das neue Schuljahr beginnt am 15. September. Das ist zeitlich alles mehr als eng.
Der Freistaat wird die Hälfte der Anschaffungskosten übernehmen – maximal 1750 Euro pro Gerät. Laut Christian Tontarra, Sachgebietsleiter Schulen und Landkreiseinrichtungen am Landratsamt, hat der Landkreis für die Geräte, die er schon angeschafft hat, ziemlich genau 3500 Euro bezahlt.
322 Klassenzimmer sind noch ohne
Die Verwaltung hat eine Umfrage an den Landkreis-Schulen gemacht, wie viele Klassenzimmer noch ohne Luftfilter sind. Ergebnis: 322. Macht bei 3500 Euro pro Gerät 1,13 Millionen Euro, wovon der Landkreis rund 565 000 Euro selbst bezahlen müsste.
Bei den bisherigen Geräten handelt es sich um welche mit Filtern. Tontarra hat hochgerechnet, das für Strom und regelmäßiges Wechseln pro Jahr 93 000 Euro anfallen würden. Immerhin hat man mit diesem System an der Realschule und am Gymnasium in Weißenburg sowie am Gymnasium in Gunzenhausen bereits gute Erfahrungen gemacht.
Diesmal sollen aber auch Geräte mit UV-C oder Ionisations- und Plasmatechnologie förderfähig sein. Hier bräuchte es keine Filter und die Viren würden nicht nur gefiltert, sondern gleich abgetötet. Allerdings bergen diese Techniken eine gewisse Strahlengefahr.
Im Schulausschuss ging es sowohl um technische Fragen wie Strömungslinien und Umwälzhäufigkeiten, aber auch um die Höhe der Förderung und darum, dass man am Ende möglicherweise auf einem Berg von Geräten sitzt, die keiner mehr will.
Was ist im Schulbus?
„Wo bleibt denn da die Nachhaltigkeit?“, fragte Manfred Schuster (Freie Wähler). Der Alesheimer Bürgermeister wollte mehr Informationen, bevor er eine solch weit reichende Entscheidung trifft. Doch die wird er nicht bekommen, machte ihm Landrat Westphal deutlich. Die Verwaltung könne auch nur die Förderrichtlinie weiter geben und gegebenenfalls noch Fachstimmen zum Thema zusammentragen.
CSU-Fraktionsvorsitzender Alexander Höhn verwies darauf, dass die Kinder auf dem Weg in die Schule in vielen Fällen in Bus oder Bahn sitzen. Ob da dann auch Filteranlagen eingebaut würden? „Ich glaube nicht.“
Dennoch kommt er für sich zu dem Schluss: „Wir sollten bereit sein, dieses Geld auszugeben.“ Und er sah sich damit ausnahmsweise auf einer Linie mit Reinhard Ebert, dem ÖDP-Fraktionsvorsitzenden: „Nur weil die Kinder im Bus eng beieinander stehen und sitzen dürfen wir den Risikofaktor Klassenzimmer nicht außer Acht lassen.“
Es gibt eine Erwartunghaltung
Der Kampf gegen die Pandemie bestehe aus einem Bündel an Maßnahmen, von denen jede ihre Berechtigung habe, befand Höhn. In Summe seien sie eben besonders wirksam. Er hätte auch keine Begründung für erboste Eltern parat, wenn diese dem Kreistag vorwerfen würden in Sachen Luftfilter zurückhaltend gewesen zu sein, machte der Ellinger, der bekanntlich Gymnasiallehrer von Beruf ist, deutlich. Die Staatsregierung habe er mit ihrer Ankündigung „Druck aufgebaut“, stellte Grünen-Kreisrat Fritz Hörner fest. Die Landkreise aber auch die Gemeinden seien nun im Zugzwang, weil es eine klare Erwartungshaltung gibt.
Bemerkenswerter Nebenaspekt: Im ersten Förderprogramm für Luftfilter gab es Zuschüsse ausschließlich für jene Klassenzimmer, die nicht ordentlich belüftet werden konnten. Diese sind aus Sicht des Umweltbundesamtes Stand heute überhaupt nicht für den Schulunterricht zu empfehlen, weil trotz Luftfiltern ja kein Luftaustausch stattfindet und somit das Kohlendioxid im Raum bleibt.
Ein kleiner Aufschub
Es war eine intensive, aber auch sehr konstruktiv geführte Debatte in der Treuchtlinger Stadthalle. Am Ende einigten sich die Schulausschussmitglieder einstimmig darauf, dass die Verwaltung noch einmal abfragt, ob wirklich für alle 322 Klassenzimmer (105 in den beiden Berufsschulen, 62 im Gymnasium in Weißenburg, 54 in Gunzenhausen, 36 an der Realschule, 36 an der Altmühlfrankenschule, 27 an der FOSBOS und zwei an der Landwirtschaftsschule), die noch keinen Luftfilter haben, einer angeschafft werden muss. Außerdem versucht sie bis zum Vorliegen der Förderrichtlinie noch ein paar mehr Informationen zusammenzutragen.
Sobald der Freistaat dann die Details vorlegt, wird es dann sehr kurzfristig vermutlich schon nächste Woche eine Sondersitzung geben. Dann muss der Schulausschuss entscheiden – um nicht hinter die Welle zu landen.