Treuchtlingens torhungrige Stammtisch-Veteranen
23.11.2017, 06:05 Uhr
Angefangen hat alles im September 1967. Eine Handvoll Freizeit-Fußballer kam damals auf die Idee, einen Stammtisch zu gründen. Eine reine Männerrunde sollte es sein, sie sollte sich wöchentlich treffen und gelegentlich gegen andere Vereins-, Firmen- oder Stammtischteams kicken. Im Café „Central“ fanden die ersten Zusammenkünfte statt, später wechselte das Lokal dann mehrfach – vom Freizeitheim über das „Monte Negro“ bis hin zur „Frankenstube“. Seit zwölf Jahren ist der „Grüne Baum“ nun Stammlokal des Stammtisch-Clubs, kurz „STC“.
Anfangs hatte die noch junge Männerrunde rund zwei Dutzend Mitglieder, zeitweise waren es sogar mehr als 40. Es gab eine richtige Vereinsstruktur mit Vorsitzendem, Kassier, Schriftführer und Ballwart. Bei den Weihnachtsfeiern blickten die Stammtischfreunde stets in Gedichtform auf das Jahr zurück. Daraus hat Gründungsmitglied Werner Salomon eine lückenlose, vierbändige Chronik erstellt.

Oft wuchsen auch die Familien automatisch mit in die Stammtisch-Gemeinschaft hinein, denn neben den wöchentlichen Treffen und Fußballspielen gab es jahrzehntelang gemeinsame Ausflüge, Zeltlager, Wanderungen und Jubiläumsfahrten bis nach Mallorca und Südtirol. An die Fahrten erinnern sich die verbliebenen Stammtischbrüder noch gut – etwa an das Zeltlager bei Monheim, bei dem die Männer laut Altbürgermeister Wolfgang Herrmann (ebenfalls seit fast 50 Jahren STC-Mitglied) an zwei Tagen bis zu drei Festmeter Holz verschürt und ungeahnte Mengen Bier konsumiert hätten. Oder an die Ausflüge nach Itzing, von denen einer mit einer Verfolgungsjagd durch den Wald endete, nachdem die Polizei das selbstmontierte Blaulicht auf einem der STC-Autos weniger lustig fand als die Stammtischfreunde.
Ein anderes Mal, erinnert sich Herrmann, hätten die jungen Treuchtlinger dem örtlichen Wirt „die Schweißperlen auf die Stirn getrieben“, als sie direkt vor einer Bürgerversammlung partout nicht das Gasthaus verlassen wollten. Der Sohn des Wirtes habe die rund 20 Stammtischbrüder schließlich mit dem Heuwagen zurück ins Zeltlager gebracht. Später stellte dann der Treuchtlinger Busunternehmer Walter Engeler den fahrbaren Untersatz und ist seither Ehrenvorsitzender.
Auch die Treuchtlinger Volksfestzüge waren lange Zeit kaum ohne den unter der Leitung von Josef Wiesbeck und Hans Loy gebauten Festwagen des STC denkbar. Der erste stand 1970 unter dem Motto „Venedig“, der zweite entführte das Publikum ein Jahr später mit der Unterstützung einiger recht leicht bekleideter Ehefrauen ins „Schlaraffenland“. Insgesamt 26 Mal waren die Stammtischbrüder beim Festzug vertreten, 1976 organisierten sie außerdem einen eigenen Faschingsball.

Sein erstes Fußballspiel absolvierte der STC 1967 gegen die Betriebsmannschaft der Post. Es wurde nach 27 Minuten wegen Starkregens abgebrochen, und die Freizeitkicker gingen gleich zum gemütlichen Teil über. Auch andere Treuchtlinger Stammtische hatten damals eigene Teams, wie etwa das Café „Stadelbauer“ oder das „Prinz Luitpold“. Gegen die Firmen-Elf der Nürnberger Nachrichten gab es im August 1972 sogar ein Benefizspiel zu Gunsten des Bädervereins.
„Ums Gewinnen ging es dabei nie“, blickt Werner Salomon zurück. „Hauptsache man hatte Gaudi und ist nach dem Spiel noch zusammengesessen.“ Insgesamt 61 Mal standen die Stammtischbrüder innerhalb der ersten zwölf Jahre auf dem Platz, hatten sogar ihr eigenes Wappen und Trikot. Die roten, im Stil der 1970er Jahre sehr knappen Shorts hat Helmut Zürrlein bis heute aufgehoben.
Inzwischen treffen sich im „Grünen Baum“ regelmäßig noch 14 Stammtischbrüder, darunter die Gründungsmitglieder Herbert Mößner, Erich Döbler, Werner Salomon und Helmut Zürrlein sowie der einstige Gründungsvorsitzende Michael Kellner. Die meisten STC’ler sind schon über 70, der Jüngste der Runde ist mit 56 Jahren Jens Illgner, der erst im Januar dieses Jahres aufgenommen wurde. Große Verjüngungs-Anstrengungen wird es aber nicht mehr geben: „Das Clubleben schleicht nun langsam aus“, so Werner Salomon.
Gekickt wird beim STC schon seit 1979 nicht mehr, dafür aber bis heute gelegentlich gekartelt, gegrillt, am Vatertag gewandert und vor allem viel debattiert – nicht nur über Fußball, auch wenn bei wichtigen Spielen stets der Liveticker auf dem Handy mitläuft. Oft geht es um Alltagsgeschichten oder die große und die kleine Politik. „Früher sind wir da nie vor drei Uhr nachts heimgekommen“, erinnert sich Werner Salomon. Nur über eines verlieren die STC’ler dem ehemaligen Lehrer zufolge grundsätzlich kein Wort: „Über die Frauen red’ mer net!“
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen