"Weißenburg hat sich aufgeführt"
16.7.2019, 09:47 UhrNichtsdestotrotz spendeten sie eifrig Applaus und erhoben sich zu stehenden Ovationen. Besonders Bettina Brezinski als Phöbe fand dabei größteAnerkennung. Sie ist vor weniger als einer Woche für Josephine Köhler eingesprungen, die sich ein Bein gebrochen hatte. In nur fünf Tagen machte sie sich die anspruchsvolle Rolle zu eigen und lieferte eine tolle Performance ab. Dafür zollte ihr nicht nur Katalin Fürstin von Wrede höchsten Respekt: „Das ist unglaublich beeindruckend.“ Was Franzobel als Autor und Georg Schmiedleitner als Regisseur geschaffen haben,ist wuchtiges Theater, das die gigantische Bergwaltdheaterbühne füllt wie kein Stück zuvor. Man merkt, wie sehr die Geschichte dort hinein geschrieben wurde und mit wie viel Begeisterung Schmiedleitner die Naturbühne zum Element seiner Inszenierung machte.
Das wohl größte Kompliment machte ihm ein Zuschauer, der völlig durchgeweicht meinte: „Ich habe den Regen ganz vergessen, so sehr hat mich das alles auf der Bühne in den Bann gezogen.“ Schmiedleitner und Franzobel treiben einen durch die Geschichte Weißenburgs. Sie lassen die Hinrichtung einer Kindsmörderin, Markgrafeneskapaden und Weltkriegsbombardements aufeinandertreffen. Bildgewaltig und gespickt mit Sätzen, die schwer verdaulich sind. „Nur durch Mitläufer wie uns gerät etwas in Bewegung“, sagt Brigitte Brunner an einer Stelle des Stücks.
Das Premierenpublikum war völlig überwältigt von dem Geschehen auf der Bühne und wusste gar nicht, wie es reagieren sollte. Doch am Ende gab es nur Positives zu hören. „Das war ein Spektakel“, fasste es Oberbürgermeister Jürgen Schröppel zusammen. Und Landrat Gerhard Wägemann konstatierte: „So etwas hat das Bergwaldtheater noch nicht erlebt. Das war eine grandiose Aufführung, die man gesehen haben muss.“ Er hat auch gleich in seinem Terminkalender nach einer Gelegenheit gesucht, um sich den „ Lebkuchenmann“ ein zweites Mal anschauen zu können. Auch das eine Reaktion, die man öfter zu hören bekam: „Das kann man beim ersten Mal gar nicht alles erfassen. Das muss man fast noch ein zweites Mal sehen.“ „Der Lebkuchenmann“ ist maximal weit von der vor wenigen Jahren üblichen heiteren Muse im Bergwaldtheater entfernt. Die Figuren sind unbequem und anstrengend. Die Ereignisse tun fast körperlich weh. Weißenburg kommt bei der Schlaglichterreise auch nicht gerade gut weg. Aber: „Es ist trotzdem grandios, sich das anzuschauen“, befand FW-Stadtrat Heinz Gruber.
Bei der After-Show-Party bedankte sich Regisseur Schmiedleitner bei seinen Schauspielern. Gerade den Laien hat er extrem viel abverlangt und sie in den Proben hart angefasst. Aber er hat damit aus allen die bestmögliche Leistung herausgekitzelt, wie die Zuschauer nach der Premiere angetan feststellten. Viele kennen einen oder mehrere der Darsteller und waren irritiert, weil sie den eigenen Nachbarn oder die Kollegin fast nicht erkannt haben. So sehr sind alle eins geworden mit ihrer Rolle.
Schmiedleitner war am Ende der Premiere erleichtert: „Weißenburg hat sich aufgeführt“, sagte er dankbar. Bei der After-Show-Party bekannte er, dass er in den vergangenen Monaten selbst ein Stückweit Weißenburger geworden sei. Im kleinen Kreis hat die Stadt dann doch noch ihr Kompliment bekommen.
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