Amtsgericht
Weißenburger wegen Volksverhetzung verurteilt
20.8.2021, 06:10 UhrDass ausgerechnet der 47-jährige Weißenburger Marcel K. (Name geändert) erwischt wurde, war wohl Zufall. Angezeigt hatte ihn niemand, stattdessen seien die Behörden im Zuge genereller Ermittlungen auf die Whatsapp-Gruppe „Stammtischbrüder“ aufmerksam geworden. Dieser Gruppe mit 37 Mitgliedern aus Ostdeutschland gehörte auch der Angeklagte an, der gebürtig aus dieser Region kommt.
Ins Visier der Strafverfolgungsbehörden rückte Marcel K. dann mit zwei Memes, die er 2017 und 2018 bei den „Stammtischbrüdern“ teilte. Auf dem Einen ist ein dunkelhäutiger Mann zu sehen, der am Strand steht und eine Art Tank auf dem Rücken trägt – es sieht in etwa so aus, wie ein Sprühgerät zur Unkrautvernichtung. Über dem Bild steht: „Tauchlehrgang für Asylbewerber.“
Auf dem zweiten Bild, das der 47-Jährige Weißenburger an seine Whatsapp-Kontakte weitergeleitet hat, ist eine Pistole zu sehen, deren Lauf sich gegen denjenigen richtet, der die Pistole hält. „Sachsen will Migranten bewaffnen“, steht dabei.
Vorwurf nicht konkret genug?
In beiden Fällen sah die Generalstaatsanwaltschaft München, die den Strafbefehl ausstellte, den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Und vor dem Weißenburger Amtsgericht sahen Staatsanwalt Felix Stiklorus und Richterin Anna Richter das genauso. Auf dem ersten Bild sei klar, dass die Asylbewerber diesen Tauchlehrgang nicht überleben sollen. Und das zweite Bild stelle unmissverständlich dar, Migranten sollen sich erschießen.
Zumindest beim ersten Bild wollte das Verteidiger Antonius Lunemann so nicht stehen lassen. Er störte sich an der Formulierung in der Anklageschrift, derzufolge das Tauchgerät nicht geeignet „scheint“, um den Tauchgang zu überleben.
„Das ist aber kein konkreter Nachweis und kein Schuldvorwurf“, so der Anwalt. „Das Wort ,scheint‘ ist für einen Strafbefehl nicht geeignet!“ Und er stellte die Frage: „Wo ist hier der Vorwurf, dass man jemanden in den Tod schicken möchte?“
Dem widersprach Staatsanwalt Stiklorus entschieden. „Es bestehen keine Zweifel, dass ein Fass mit Gartenschlauch nicht geeignet ist, einen Tauchgang durchzuführen.“ Zudem sei eine bestimmte ethnische Gruppe – in dem Fall Asylbewerber – bewusst ausgewählt worden. „Es ist klar, in welche Richtung das abzielen soll – nämlich das Lebensrecht von Migranten abzusprechen.“
Verteidiger: "Solche Bilder waren damals ständig unterwegs."
Als weiteres Argument zur Verteidigung seines Mandanten führte Lunemann die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung zum Tatzeitpunkt (2017 und 2018) an. „Das war zu einer Zeit, als vieles im Internet erlaubt und übertragen wurde“, erklärte Antonius Lunemann. „Solche Bilder waren damals ständig unterwegs. Damals war bei uns allen eine ganz andere Auffassung.“
Vieles, was etwa auch bei Pegida-Demos gesagt wurde, sei nicht sanktioniert worden, kritisierte der Verteidiger. Dass nun ausgerechnet sein Mandant aufgrund eines „Zufallsfunds“ der Ermittler wegen Volksverhetzung vor Gericht stünde, während Tausende andere nicht belangt würden, sei der gestiegenen Sensibilisierung der Behörden und Gerichte geschuldet. Und dem Drang, „wieder was für die Statistik“ bei den rechten Straftaten vorweisen zu können.
Lunemann forderte daher für seinen Mandanten eine Reduzierung der Strafe, die im Strafbefehl mit 90 Tagessätzen zu jeweils 50 Euro festgelegt wurde. Mit 90 Tagessätzen erhalte Marcel K. nämlich einen
Eintrag ins Führungszeugnis und könne beispielsweise keine Beamtenlaufbahn mehr anstreben – unverhältnismäßig hart, wie der Verteidiger fand.
Strafbarkeit für Gericht eindeutig
Eine Argumentation, die Richterin Anna Richter nicht gelten lassen wollte. „Es war damals nicht weniger strafbar als jetzt.“ Sie glaube nicht, dass Marcel K. grundsätzlich eine rechte Gesinnung habe.
Dennoch habe er die Bilder an eine größere Personengruppe weiterverbreitet und dabei billigend in Kauf genommen, dass auch diese 37 Personen die Memes wiederum weiterleiten. „Und es war ihnen bewusst, was die Bilder ausdrücken sollen.“
Letztendlich habe der 46-Jährige eben in zwei Fällen gegen das Gesetz verstoßen, fasste die Richterin zusammen. Zudem habe man als Erwachsener eine Vorbildfunktion und die Eigenverantwortung, „auch mal darüber nachzudenken, ob man Sachen einfach so weiterleitet“. Das Urteil – 90 Tagessätze zu jeweils 45 Euro – habe daher auch eine generalpräventive Funktion und „soll ein Zeichen setzen“.