Schlag nach bei Stuber!
14.1.2011, 22:54 UhrDie Geschichte des Universalkochbuchs beginnt 1951 vor einer Buchhandlung in Innsbruck. Maria Huber und Hermine Hedwig Stumpf, deren Namen später zum Autoren-Pseudonym Hedwig Maria Stuber verschmolzen, stehen vor einer Auslage und betrachten mit Interesse die ausgestellten Küchen-Titel. Dabei fällt ihnen auf, dass einer fehlt, den sie in der ersten Auflage ihres Kochbuchs so beschreiben: „Ein vielseitiger Ratgeber für die liebe Hausfrau in Stadt und Land, die kaum noch Zeit hat, sich täglich von neuem den Kopf darüber zu zerbrechen, was auf den Tisch des Hauses kommen soll.“
Diese Lücke wollen sie füllen. Von der Idee zur Tat vergehen vier Jahre, in denen die „Städterin“ Maria Huber und die mit den Haushalten auf dem Land vertraute Hermine Hedwig Stumpf jene Koch- und Backrezepte aussuchen und ausprobieren, die ihrer Ansicht nach zu einer gut geführten Küche gehören. Hermine Hedwig Stumpf, die auf einem fränkischen Bauernhof groß geworden ist, befragt ihre Mutter und den Hausmetzger; den „besten“ Schweinebraten und gute Mehlspeisen steuert ihre niederbayerische Schwiegermutter bei. Zum Thema gesunde Ernährung wird die Hausärztin konsultiert. Rezepte, zum Teil aus anderen Regionen, besorgt auch der Buchverlag über seine Kontakte zu anderen Verlagen.
Der erste Band wurde 1955 auf der Buchmesse vorgestellt und übertraf sofort alle Erwartungen. Er umfasste bereits über 1000 Rezepte und zielte vorrangig auf die Landbevölkerung. Deshalb ging es in den begleitenden Kapiteln um die Bekämpfung von Vorratsschädlingen ebenso wie um Hausschlachtung samt Pökeln, Räuchern und Eindosen von Fleisch und Wurst oder das Einlegen von Eiern für den Winter. Doch schon in der ersten Überarbeitung richtete sich „die Stuber“ an die „fortschrittliche Hausfrau“ in Stadt und Land, nahm sie Rücksicht auf die Belange der berufstätigen Frau durch „Rezepte abwechslungsreicher Speisen, die sich schnell zubereiten lassen.“
1970 schrieb Die Welt der Frau über Hedwig Maria Stubers „Ich helf dir kochen“, dies sei ein seit längerem bewährter Ratgeber für die Hausfrau, die ihre Kochkunst täglich beweisen muss. Vital kritisierte 1971 nur den „etwas ungeschickten Titel eines großartigen Buches. Ungeschickt, weil in diesem 450-Seiten-Band zwar alles steht, was Kochnovizen mit der Zeit lernen müssen, aber eben auch vieles an Grundsätzlichem, das man sein Leben lang braucht“. Zu dem Grundsätzlichen gehörten Kapitel wie Ernährungskunde, Küchensprache wie Absengen (das Entfernen von Flaumfedern vom Geflügel) oder Dressieren (Geflügel vor dem Braten in die gewünschte Form bringen) oder auch manches, was uns heute eher schmunzeln lässt, wie das Benehmen bei Tisch („Fleisch wird mit dem Messer bissenweise abgeschnitten.“) Die Autorinnen blieben sich über die Jahre treu: Sie bemühten sich um nachvollziehbare Rezepte, wenig „exotische“ Zutaten und präzise Formulierungen. Das wurde honoriert in einer Zeit, in der die Westdeutschen Schlangestehen vor den Geschäften, Schwarzmarkthandel und Lebensmittelrationalisierung fast schon vergessen hatten. Die bloßen „Sattmacher“ wie Kartoffeln oder bestimmte Gemüsesorten waren nicht mehr gefragt. Das erblühende Wirtschaftswunder spiegelte sich auch auf dem täglichen Speisezettel wider.
„Die Stuber“ war das ideale Begleitbuch zur „Fresswelle“, die die Deutschen (West) nach den Jahren der Enthaltsamkeit erfasst hatte. Die erste Auflage von 10000 Exemplaren war binnen eines Jahres vergriffen; 1956 wurde bereits die zweite gedruckt. Die unter dem Namen Stuber vereinten Köchinnen, die selber mit großem Eifer gekocht, gebacken, probiert, getestet, Garzeiten geprüft und alles aufgeschrieben haben, waren – nach heutigen Begriffen – schon Kochstars, als Johann Lafer noch nicht auf der Welt war, Alfons Schuhbeck gerade eingeschult wurde und der große Eckart Witzigmann kurz vor seiner Kochlehre stand.
Über die 55 Jahre gesehen ist „Ich helf dir kochen“ ein Stück Kulturgeschichte der deutschen Küche. Jede weitere Überarbeitung spiegelte den kulinarischen Geschmack ihrer Zeit und die sich ständig verändernde Ernährungsweise der Deutschen:
Die Reiselust der Deutschen schlug sich in den späten 50er- und 60er Jahren vor allem in der neuen Vorliebe für italienische Gerichte in dem Kochbuch-Klassiker nieder, später fanden auch spanische Rezepte, erfragt und mitgebracht von der dortigen Verwandtschaft, in „der Stuber“ Eingang. Die Angebote des Marktes (Mozzarella, Crème fraîche, Brokkoli, asiatische Zutaten) veränderten die Essgewohnheiten, fettarm löste dicke Soßen ab, die Rezepte wurden den veränderten Gar- und Kochzeiten angepasst. „Schlag nach bei Stuber“, frei nach Cole Porter, scheint in vielen Familien ein geflügeltes Wort zu sein.
Maria Huber hat sich schon in den 1970er Jahren zurückgezogen. Seit einigen Auflagen arbeitet die zweite „Stuber-Generation“ an „Ich helf dir kochen“ mit – Hermine Hedwig Stumpfs Tochter Angela Ingianni. Der Fortbestand des Koch-Klassikers im Sinne der ursprünglichen Autorinnen ist somit gesichert.
Aktuell ist die Jubiläumsausgabe mit dem Untertitel „Über 50 Jahre Kocherfahrung“. Ein in jeder Hinsicht gewachsenes Buch, größer, umfangreicher bebildert und mit 2450 Koch- und Backrezepten der üppigste Stuber-Band seit Bestehen.