Schnaittach schaut auf seine dunklen Jahre
26.09.2011, 18:06 Uhr
Ihr Heimatort widerstand zwar lange der Hass-Ideologie, erlebte dann aber dieselbe Zerrissenheit und dieselben Schrecken wie der Rest des Deutschen Reichs. Baulich erinnert heute noch erstaunlich vieles an die Jahre von 1933 bis 1945. Anlass der Recherchen war die Schnaittach-Chronik für das Jubiläumsjahr des Ortes, die – wie berichtet – ein stattliches Geschichtsbuch geworden ist. Ein eigenes Kapitel istder NS-Zeit gewidmet, das die Kunsthistorikerin und Kreisheimatpflegerin nun erstmals als eigenes Thema vor 100 Zuhörern im Sparkassensaal vorstellte.
Weitere Schwerpunkte der Chronik sind die Herrschaft der Ganerben und die Rekatholisierung. Das spielt deshalb eine Rolle, weil diese drei „Epochen“ das heutige Ortsbild entscheidend geprägt haben. Vielen ist das heute nicht mehr bewusst: An die Ganerben erinnern die Festung, die Handwerkerhäuser, die Synagoge und die jüdischen Friedhöfe, an die Zeit der Rekatholisierung die barocke Kirchenausstattung – und an die Hitlerzeit das Freibad („Streicher-Kampfbahn“) mit Badsaal, die Badstraße als erste Umgehung, die Simonshofer Straße als „Stadterweiterung“, der Autobahnanschluss, der begradigte Verlauf der Schnaittach und just im Jahr der Machtergreifung 1933 baute die katholische Gemeinde ihre Pfarrkirche St. Kunigund um und großteils neu, wobei Schönwald aber keine Verquickung mit dem Regime fand. Dennoch geschah auffällig viel – trotz damals schon hoher Schulden.
Wie war das möglich? War Schnaittach ein nationalsozialistisches Nest und hat davon profitiert oder hat sich die Partei durch Wohltaten eingekauft? Letzteres. „Die Finanzierung ist mir nicht ganz klar geworden“, sagt sie, mit rechten Dingen sei es wohl nicht zugegangen. Ihr fehlen die Belege, aber der Hauptgrund für die „Wohltaten“ war sehr wahrscheinlich, dass die Hitler-Partei NSDAP bis 1932 in Schnaittach nicht Fuß fassen konnte.
Julius Streicher wütet in Schnaittach
Noch 1931, als überall im Landkreis längst Ortsgruppen gegründet waren, musste das Bezirksamt Lauf dort Aufmärsche der Rechtsradikalen verbieten, weil sonst mit heftigen Unruhen durch die sozialdemokratisch und katholisch geprägte Bevölkerung zu rechnen war.
Genau das und die jüdische Gemeinde reizten schon einige Jahre den Mann, der als „Frankenführer“ berüchtigt war. Schönwald nahm sich Zeit, Julius Streicher etwas ausführlicher vorzustellen, um zu zeigen, wer sich damals Schnaittach vorgeknöpft hatte: ein so charismatischer wie menschenverachtender Hetzredner, Hitlers Bruder im Geiste.
Streicher beorderte seinen engen Vertrauten, den Nürnberger Unternehmer Johann Bickel, schon 1925 als verlängerten Arm nach Schnaittach und besuchte ihn regelmäßig. Alte Schnaittacher munkeln, Streicher hätte ein Verhältnis mit dessen Frau gehabt. Bis Bickel 1936 starb, zog er vor Ort die Fäden, zuletzt als Bürgermeister, nachdem sich der junge Wilhelm Pitterlein nicht völlig hatte instrumentalisieren lassen. Genau in diese neun Jahre seit Bickels Übersiedelung fallen die Bauten, „mit Sicherheit unter seinem und Streichers Einfluss“, wie Schönwald sagt.
Blanke Not wird alltäglich
Zwar hatte es vor 1933 schon auch heftige Angriffe zum Beispiel gegen die jüdische Krämerin Emma Ullmann gegeben, aber nur – so Schönwald – „von einigen wenigen“. Namen nennt sie auch an dem Abend bewusst nicht, um die Nachfahrenzu schonen. Schließlich war der Damm dann doch gebrochen, auch Schnaittach erlebte Aufmärsche, Hetze in übelsten Formen bis hin zur Verschleppung aller Juden 1938, die bis auf eine Ausnahme starben oder nicht mehr zurückkamen. Bespitzelung, Verrat, Misstrauen und blanke Not waren alltäglich geworden.
Bilder aus dem Fundus des Heimatmuseums zeigten das üble Nebeneinander: Hitlergruß und Reichsarbeitsdienst neben Kommunionkindern und Faschingsgaudi – Gehorsam aus Angst oder Überzeugung neben Unschuld, Überlebenswille und Freude. Was die noch lebenden Zeitzeugen erzählen? Schönwald: „Sie sind sehr zurückhaltend.“
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