0:2! FCN verliert erst den Schwung und dann das Spiel
10.11.2018, 17:25 UhrDie Größe eines Fußballvereins, hat mal ein Sportvorstand des 1. FC Nürnberg gesagt, erkennt man unter anderem an der Zahl seiner Auswärtsfahrer. Würde man nur das Bundesliga-Spiel am Samstag im Max-Morlock-Stadion zugrundelegen, wäre der VfB Stuttgart ein richtig großer. Mindestens 10.000, wahrscheinlich aber 12.000 bis 13.000 Anhänger der Schwaben bevölkerten an einem schönen November-Tag vor allem die Südkurve.
Bereits eine Stunde vor dem Anpfiff sangen sich die Rot-Weißen warm für die anstehende Partie, deren Bedeutung im Vorfeld gerne etwas überhöht dargestellt worden war. Von der bereits letzten Chance der Stuttgarter war hier und da die Rede, zudem von einer mindestens gewaltigen für den Club, sich etwas abzusetzen. Am zehnten von 34 Spieltagen.
Aus Sicht des Altmeisters wurde jedoch nichts aus dem Plan. Bei einem Heimsieg wären es acht Punkte Vorsprung gewesen auf den VfB, nach dem 0:2 an einem ursprünglich schönen November-Tag in Nürnberg sind es nur noch zwei.
Selbst ein Blick auf die Ersatzbank der Stuttgarter verriet jedenfalls schon vor Anpfiff, dass da ein eher ungewöhnlicher Tabellen-Achzehnter auf Frankens Lieblingsspielplatz gastierte. Castro, Didavi, Akolo, wer da nicht alles herumsaß auf der Bank des VfB, Badstuber hatte es nicht mal ins 18-köpfige Aufgebot der Cannstätter geschafft, angeblich wegen Probleme in der Wadenmuskulatur. Allerdings hört man auch aus gut informierten Kreisen, dass der Ex-Nationalspieler auch für die schlechte Stimmung und das eine oder andere Gegentor verantwortlich gewesen sein soll in den vergangenen Wochen.
Elf hatten sie zuletzt kassiert, in drei Begegnungen, in den drei ersten unter dem neuen Trainer Markus Weinzierl. Wahrscheinlich stellte er deswegen zumindest nominell ausgesprochen defensiv auf; sein Kollege Michael Köllner versuchte es mit der gewohnten Mischung aus Jung und etwas Älter, im Vergleich zum 2:2 in Augsburg nahm Nürnbergs ranghöchster Oberpfälzer lediglich eine Änderung vor: Simon Rhein durfte in zentraler Position vor der Abwehr beginnen.
Mut und Margreitter
Der Club startete couragiert in die Partie, versuchte den VfB in den ersten Minuten mit vehementen, meist über die Außen vorgetragene Angriffsanstrengungen zu beeindrucken. Virgil Misidjan tat sich beim FCN dabei auf der rechten Bahn hervor. Die erste Halbchance der Hausherren bereitete allerdings Sebastian Kerk, Misidjans Pendant auf links, per Freistoßflanke vor: Der aufgerückte Georg Margreitter platzierte den Ball mit dem Kopf am rechten Pfosten vorbei (2.). Nachdem sich in einer flotten Anfangsphase auch Stuttgart durch einen abgefälschten, durchaus gefährlichen Gentner-Schuss zu Wort gemeldet hatte (5.), ließ der Offensivschwung beim Club jedoch zusehends nach.
Der FCN suchte zwar weiterhin das vertikale Spiel, doch agierte der Altmeister dabei von Minute zu Minute fehlerhafter und hektischer. Ein Manko, dass vielleicht Yuya Kubo als passgenauer Ideengeber in der Offensivzentrale hätte beheben können. Doch der ballgewandte Japaner fehlte zur Überraschung vieler Beobachter im Club-Aufgebot gänzlich. Die anfangs attraktive, weil von Nürnberg flott gestaltete Auseinandersetzung wurde in der Folge vielleicht auch deshalb immer unattraktiver.
Gomez kläglich - Kerk kernig
Die Weinzierl-Elf erspielte sich Mitte der ersten Hälfte gleichwohl immer mehr Ballbesitz und ließ die Kugel gepflegt zirkulieren. Vor dem rot-schwarzen Gehäuse fehlte dem VfB allerdings die Präzision und Durchschlagskraft. Nachdem auf der Gegenseite nach einem energischen Misidjan-Antritt der robuste Adam Zrelak in Torjägermanier zum Ball gerutscht, nicht aber in Torjägermanier vollstreckt hatte, waren es dann auch wieder die Gäste, die sich präsenter in der Vorwärtsbewegung zeigten und durch Mario Gomez, der nach Gonzalez‘ guter Vorarbeit aus ebenso guter Position beinahe kläglich verzog (39.), die beste Chance im ersten Durchgang hatten.
Ähnlich wie in Hälfte eins startete Nürnbergs Herz- und Schmerzverein mit viel Dampf, aber wenig Übersicht in den zweiten Spielabschnitt. Behrens probierte es beinahe unmittelbar nach Wiederbeginn und knapp zehn Minuten später auch Kerk, der aus zentraler Position saftig abzog. VfB-Fänger Ron-Robert Zieler wehrte den scharfen Schuss des Rotschopfs zur Seite ab. Und war ebenfalls zur Stelle, als Misidjan aus enorm spitzem Winkel den Abpraller verwerten wollte (55.).
Da Stuttgart voll dagegen hielt - etwa durch Gomez, der wenig später knapp über den Balken zielte (57.) - sollte die Partie jetzt erneut sehenswerter werden. Die Kontrahenten schalteten flott von Defensive auf Offensive um und beharkten sich leidenschaftlich. Unansehnlich und zum Leidwesen der zehntausenden Club-Fans sollte sich jedoch ab Minute 68. das Ergebnis gestalten: Nach einer Aogo-Ecke verlängerte Robert Bauer das Leder vor die Füße des aufgerückten Timo Baumgartl. Club-Keeper Christian Mathenia war mit dem Fuß am Ball, konnte dessen Einschlag im Nürnberger Gehäuse aber nicht verhindern.
Thommys Traumtor entscheidet's final
Der Club wehrte sich wütend: Der kurz zuvor eingewechselte Petrak köpfte nach Leibolds schöner Freistoßflanke in die aufnahmebereiten Handschuhe Zielers (72.). Auf dem Weg nach vorne agierte der FCN bald darauf aber wieder fahrig und hilflos. Stuttgart spielte dies in die Karten, Stuttgart wurde immer sicherer - und Stuttgart stellte in der Schlussphase zu seinen Gunsten nicht unverdient auf 2:0! Erik Thommy, erst vier Minuten auf dem Feld, knallte nach Nürnbergs unzureichender Klärung in Folge einer Ecke, die Kugel von der Strafraumgrenze aus ins Kreuzeck - ein Knallbonbon, der den 12.000 bis 13.000 aus Schwaben mitgereisten Fans schmeckte.
Dass es auf der Gegenseite in der Nordkurve nun still war, hatte auch damit zu tun, dass der Anschlusstreffer des eingewechselten Matheus Pereira in der Nachspielzeit keine Anerkennung fand. So sangen und feierten am späten Nachmittag in Nürnberg nur die Stuttgarter.
1. FC Nürnberg: Mathenia - Bauer, Margreitter, Mühl, Leibold - Rhein - Misidjan, Behrens, Fuchs (83. Pereira), Kerk (56. Palacios) - Zrelak
VfB Stuttgart: Zieler - Pavard, Baumgartl, Kempf - Beck, Aogo - Ascacibar (90. +1 Aidonis), Gentner - Maffeo (78. Thommy), Gonzalez - Gomez (90. +4 Akolo)
Tore: 0:1, Baumgartl (69.); 0:2 Thommy (82.) | Gelbe Karten: Fuchs / - / | Schiedsrichter: Dingert (Gries) | Zuschauer: 50.000 (ausverkauft).
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