Der FCH hat ein eingespieltes Team

Club-Gegner Heidenheim: Die Extremläufer von der Ostalb

Florian Zenger

3.4.2022, 10:14 Uhr
Wer viel läuft, darf feiern: Hier bejubelt der FC Heidenheim einen Treffer von Christian Kühlwetter (2. von rechts). 

© Marijan Murat, dpa Wer viel läuft, darf feiern: Hier bejubelt der FC Heidenheim einen Treffer von Christian Kühlwetter (2. von rechts). 

Wie war das Hinspiel?

Der Club fuhr den höchsten Pflichtspielsieg unter Robert Klauß ein. So hoch, dass sich nach dem Spiel ein sichtlich zufriedener Enrico Valentini fragte, ob er überhaupt schon mal nach einem 4:0 vor die Journalisten hatte treten dürfen. Hatte er nicht.

Das Spiel gewonnen hatte der 1. FC Nürnberg durch einen starken Mittelteil des Spiels zwischen der 45. und 75. Minute. In dieser Zeit fuhr der Club viele Angriffe, erzielte drei Traumtore und fügte Heidenheim die dritte Niederlage in Folge zu. Es war der Gegensatz zur furiosen halben Stunde, die der FCN vor eineinhalb Wochen gegen Dresden hatte, wo er offensiv sogar noch furioser spielte, aber eben nur eine Chance verwertete.

Alle Beteiligten waren sich jedoch nach der Partie im Oktober einig, dass das Spiel enger war als das Ergebnis es vermuten ließ. Gerade bis zum 2:0 hätten die Gäste durchaus ins Spiel finden können, doch Pech und Christian Mathenia verhinderten es. Nach der Pause war es dann aber eine klare Sache, auch für Klauß: "Wir haben gesagt, dass wir mehr sprinten müssen, in den richtigen Umschaltphasen. Die andere Sache war, dass wir entspannter und cooler am Ball sein wollten. Das haben wir umgesetzt." Jenes Tempo und jene Bissigkeit in den Duellen plus etwas Übersicht im Aufbauspiel waren am Ende ausschlaggebend dafür, dass der Club das Spiel in der zweiten Halbzeit an sich riss.

Was ist seitdem anders?

So hoch wie in Nürnberg hat der FCH nicht wieder verloren. Das 0:4 stellte die zweithöchste Auswärtsniederlage in der Zweitligageschichte der Heidenheimer dar und die vier Gegentore sind immer noch mehr als ein Zehntel aller Gegentore in dieser Saison. Frank Schmidt reagierte auf die heftige Niederlage mit einer Formationsumstellung. Die Dreierkette war Geschichte, fand erst im Spiel bei St. Pauli vor der Länderspielpause wieder Anwendung. Was allerdings nicht geschah, waren große personelle Wechsel.

Was Heidenheim auszeichnet: Dass man mit einer Kerngruppe spielt. Gleich acht Spieler (Müller, Theuerkauf, Hüsing, Mainka, Mohr, Schöppner, Busch und Kleindienst) kommen auf mindestens 78 Prozent der möglichen Einsatzzeiten. Das heißt: Die Mannschaft ist im Kern eingespielt, kennt die Abläufe unter Frank Schmidt. Das gilt erst recht, weil im gesamten Kader mit Malone und Siersleben nur zwei Spieler stehen, die 2020/21 nicht auch für den FCH gespielt haben. Die Kontinuität schlägt sich dann auch in vielen statistischen Indikatoren durch: Vom Ballbesitz über den Pressingdruck bis zur Anzahl der Schüsse sind viele Werte nah an denen des Vorjahrs.

Gleiches gilt für die Laufwerte. Bei Laufdistanz, Anzahl von Sprints und Anzahl von intensiven Läufen sind die Brenzstädter die Nummer Eins in Liga Zwei. Bei Sprints und intensiven Läufen gilt das sogar mit deutlichem Abstand. Jene Laufstärke ist – egal in welcher Formation das Team aufläuft – essentiell dafür, dass die Vorstellungen von Frank Schmidt umgesetzt werden.

Das St. Pauli-Magazin "Millernton" beschrieb diese vor Kurzem äußerst treffend so: "Das Team definiert sich über die Defensivarbeit und spielt ein sehr konzentriertes und abwartendes, gerne tiefes Pressing. Wenn es aber mal vorne draufgeht, dann knallt es meist gewaltig. Wenn der Ball gewonnen wird, dann gibt es nur eine Richtung: Anstatt abwartend zu spielen und Situationen zu entwickeln, wird der Ball meist strikt nach vorne gespielt."

Der Club muss also körperlich voll dabei sein und mit Geschwindigkeit verteidigen. Es spricht also einiges dafür, sowohl die Doppelsechs mit Schnelligkeit und physischer Robustheit zu besetzen und Außenverteidiger mit Tempo aufzubieten, auch um die Tatsache zu kompensieren, dass die Innenverteidigung in keiner Kombination als wirklich schnell zu bezeichnen ist.

Als zusätzliche Schwierigkeit für den FCN kommt die Heidenheimer Heimstärke hinzu. Nur fünf Mannschaften (Fürth, Karlsruhe, Bochum 2x, St. Pauli 2x, Sandhausen) haben überhaupt in den letzten drei Runden im ehemaligen Albstadion gewonnen. In dieser Saison gelang es nur dem FC St. Pauli. Darmstadt, Schalke und Bremen verloren an der Brenz, der HSV spielte Remis.

Wer sind die Top 2 unter 23?

Aus der oben genannten Kerngruppe ist einzig Jan Schöppner U23-Spieler. Der 22-Jährige wurde in der Jugend des SC Verl ausgebildet und schaffte bei den Ostwestfalen den Sprung in die erste Mannschaft. Mit der stieg er – unter Dresdens neuem Trainer Guerino Capretti – 2019/20 in die Dritte Liga auf, wechselte dann aber nach Heidenheim.

Dort avancierte er im Laufe der Rückrunde zum Stammspieler und ist es auch in dieser Saison. In der Regel wird Schöppner im zentralen Mittelfeld eingesetzt. Ob als Zehner im 4-2-3-1, rechter Achter im 4-1-4-1 oder rechter Mittelfeldspieler im 4-4-2, Schöppner ist im Zentrum flexibel einsatzbar. Er ist dabei weder der kreative Passgeber noch der schnelle Umschaltspieler, sondern ist mit seinen intensiven Läufen (nur Mohr und Kleindienst haben im Kader mehr) wichtig für die laufstarke Spielweise der Brenzstädter.

Die restlichen jungen Spieler im Kader kamen bisher nur sporadisch zu Einsätzen. So beispielsweise Innenverteidiger Tim Siersleben (22), der nach einigen coronabedingten Ausfällen in den vergangenen drei Spielen zu Einsätzen kam und dabei mit viel defensiver Präsenz überzeugen konnte. Weitgehend über Einwechslungen zum Zug kommt Maurice Malone (21). Der Offensivspieler ist vom FC Augsburg ausgeliehen und blieb in 570 Minuten auf dem Feld bislang gänzlich ohne Torbeteiligung.

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