0:5 gegen Ingolstadt

Ursachenforschung nach Club-Debakel: Null Leidenschaft und ein Versäumnis des Trainers

Uli Digmayer

Sportredaktion

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7.2.2022, 07:39 Uhr

Der desaströse Abend war noch längst nicht beendet, da trafen via Twitter bereits die ersten trostspendenden Kondolenzbotschaften ein. „Wir fühlen mit dir, lieber 1. FC Nürnberg“, schrieben die Nürnberg Ice Tigers am Freitag um 19.51 Uhr. Mit 4:0 führte der FC Ingolstadt da im Max-Morlock-Stadion, und die Kollegen vom Eishockey beschlich wohl gerade eine ungute Erinnerung an ein DEL-Spiel, das sie selbst kürzlich verloren hatten. 1:10. In Ingolstadt.

Zehn Gegentore wurden es dann zwar nicht mehr, fünf können im Fußball aber durchaus als ähnlich deftige Abreibung gelten. Und während die durch Corona personell dezimierten Ice Tigers zumindest mildernde Umstände in Anspruch nehmen durften, war der Club fast in Bestbesetzung aufgelaufen. Dass der junge Innenverteidiger Mario Suver kurzfristig Asger Sörensen vertreten musste, war lediglich ein Teil des Problems, aber gewiss nicht der Auslöser. Denn gnadenlos überfordert waren mit Ausnahme von Torwart Christian Mathenia ja nahezu alle heimischen Fußballer, die da wahlweise seltsam phlegmatisch, nervös und fahrig über den Platz irrlichterten.

Nürnberger kein Sündenbock

Den vielleicht verstörendsten Eindruck hatte in einer chaotischen Anfangsphase Fabian Nürnberger hinterlassen. Nach fatalen Ballverlusten, von denen einer prompt zum 0:2 geführt hatte, nahm Robert Klauß den 22-Jährigen bereits nach 21 Minuten vom Feld – zum Selbstschutz des Spielers, wie der Trainer betonte, „Fabi ist nicht der Sündenbock“. Zumal auch der Plan, mit Routinier Johannes Geis auf der zentralen Sechser-Position für mehr Stabilität zu sorgen, keineswegs aufgehen sollte.

„Wir waren von Beginn an nicht bei 100 Prozent“, gestand Klauß konsterniert ein. In einem Heimspiel wohlgemerkt, das die reizvolle Chance bot, zumindest für eine Nacht auf Rang drei zu klettern. In dem 10 000 voller Vorfreude ins unter Pandemie-Restriktionen ausverkaufte Stadion zurückgekehrte Fans eigentlich zusätzliche Energie geben sollten. Und in dem das bis dato statistisch schlechteste Zweitliga-Team, also das mit den wenigsten Toren, den meisten Gegentreffern und gerade mal zehn Punkten, als idealer Gast erschien, um den nervigen Sieg-Niederlage-Rhythmus der letzten acht Spieltage zu durchbrechen.

Au Backe: Das Heimspiel gegen Schlusslicht Ingolstadt dürfte nicht nur Erik Shuranov eine schlaflose Nacht beschert haben.

Au Backe: Das Heimspiel gegen Schlusslicht Ingolstadt dürfte nicht nur Erik Shuranov eine schlaflose Nacht beschert haben. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Dumm nur, dass das Schlusslicht offenbar keine große Lust verspürte, sich in die zugedachte Opferrolle zu fügen, sondern überraschend frech, forsch und mutig auftrat und einen desolaten Club förmlich überrumpelte. „Es hat heute viel gepasst bei uns“, sollte Trainer Rüdiger Rehm später sagen und zu Recht anmerken, dass seine Elf schon einfach auch über „90 Minuten ein überragendes Spiel“ gemacht habe. Das war in all den Erklärungsversuchen, warum Nürnberg über 90 Minuten ein so unterirdisches Spiel gemacht hatte, nämlich fast etwas untergegangen.

Verständnis für die Pfiffe

Dass bei allem Respekt vor furios aufspielenden Schanzern die Ursachenforschung aber schon etwas tiefer gehen musste, schienen sie auf Seiten der Verlierer schnell zu ahnen. Also auf zum kollektiven Canossa-Gang. „Wir müssen uns bei den Zuschauern entschuldigen, was wir hier abgeliefert haben. Das können wir so nicht akzeptieren“, sagte Klauß und zeigte natürlich Verständnis für die gellenden Pfiffe, die ihnen da noch in den Ohren klangen.

Mit analytischen Details mochte sich der Trainer nach der „mit Abstand schlechtesten Saisonleistung“ gar nicht erst aufhalten. „Die Mängelliste ist extrem lang – zu lang, um das alles aufzulisten.“ An Grundordnungen oder Positionen habe es jedenfalls nicht gelegen, befand Klauß, sondern „wie die Mannschaft in das Spiel reingegangen ist“. Gerade „in den talentfreien Bereichen, den Basics“ sei man abgefallen, zudem habe die Leidenschaft gefehlt. Und etwas, das Klauß schlicht „Haltung“ nannte.

Eine Frage der Einstellung also, was nun mal explizit in das Kernaufgabengebiet des Trainers fällt. Und es war ja nicht so, als hätte man im Oktober mit der 0:7-Havarie gegen eben jene Ingolstädter nicht bereits eine Blaupause frei Haus geliefert bekommen, wie es eben gehen kann, wenn man die Oberbayern unterschätzt. Gewisse Parallelen seien schon zu erkennen gewesen, räumte Klauß ein, „vielleicht hätten wir dieses Spiel thematisieren müssen“. In der Pressekonferenz am Donnerstag hatte das noch ganz anders geklungen, da wurden dezente Erinnerungen an die Blamage lapidar abgetan. War doch bloß ein blödes Testspiel.

Auch Mathenia beschlich der Verdacht, mancher Kollege könne den Tabellenletzten „vielleicht schon auf die leichte Schulter genommen haben“. Und empfahl, „jetzt als Mannschaft Tacheles zu reden, die Köpfe zusammenzustecken und zu schauen, woran es gelegen hat“. Nur vom Reden, das machte sein Trainer allerdings klar, „werden wir nicht besser. Man muss das Gesagte schon auch mit Leben erfüllen.“ Idealerweise gleich am nächsten Samstag beim Karlsruher SC. Bis dahin erwartet Klauß eine Arbeitswoche mit „Häme, Spott, Mitleid – alles Dinge, die man nicht braucht“. Bei den Ice Tigers dürften sie zustimmend nicken.

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