Zengers Analyse
Viel geschossen, viel gekämpft: Warum der Club ein Spiel auf Augenhöhe verloren hat
30.1.2023, 17:58 UhrMarkus Weinzierl kommentierte die Niederlage des 1. FC Nürnberg damit, dass der Gegner aus Hamburg „um die eine Standardsituation besser“ war. Angesichts des Ergebnisses – der Club erzielte kein Tor, der FC Sankt Pauli eines nach einem Standard – ist diese Analyse nicht von der Hand zu weisen. Welche anderen Faktoren im Spiel gegen die Kiezkicker spielten eine Rolle für die knappe Niederlage?
Die meisten Parameter (Grafik 1) sahen tatsächlich ein weitgehend ausgeglichenes Spiel, das zwischen verschiedenen Phasen der größeren oder kleineren Dominanz eines Teams oszillierte. So hatte Sankt Pauli insgesamt geringfügig mehr Ballbesitz, aber auch der Club in der Viertelstunde nach dem Gegentor eine dominante Phase, beide Teams dominierten zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Zweikämpfe – auch hier ist der Unterschied zwischen der Viertelstunde vor und der Viertelstunde nach dem Gegentor auffällig. Selbst bei der Pressingintensität sieht man die unterschiedlichen Verläufe, die ein wenig – aber nicht vollständig – mit der Ballbesitzzeit korrelieren. Es war also in vielerlei Hinsicht ein Spiel auf Augenhöhe.
Wo der FCN tatsächlich deutlich vor den Gästen lag, war die Torschussstatistik. 23 Abschlüsse zählte man am Ende, was in der Tat den höchsten Wert der Saison darstellt. Allerdings waren 14 der Schüsse in Richtung Tor von außerhalb des Strafraums und von den neun Abschlüssen innerhalb des Sechzehnmeterraums ging nur einer – Jan Gyamerahs Großchance nach 38 Minuten – aufs Tor. (Grafik 2) So kommt der Club dann bei den expected Goals auch trotz fast viermal so vielen Torschüssen (23:8), nur auf einen geringfügig besseren Wert als der Gast aus Hamburg (DFL: 1,01:0,78). Übersetzt bedeutet das, dass der Club zwar oft schoss, die Abschlüsse aber weitgehend ungefährlich waren, St. Pauli dagegen im Schnitt deutlich gefährlichere Schüsse abgab. Das sorgte am Ende dafür, dass St. Pauli eben eine einzige gelungene Standardvariante reichte, um drei Punkte aus dem Max-Morlock-Stadion mitzunehmen.
Die Geschichte des Spiels wäre damit, sowie mit ein paar Formulierungen mit „ausgerechnet“ – ausgerechnet der Ex-Cluberer Medic erzielt das Tor, ausgerechnet der Ex-Cluberer Vasilj hält das zu Null – erzählt. Dennoch gab es ein paar auffällige Veränderungen im Spiel des FCN. So rutschte Johannes Geis in die Innenverteidigung neben Christopher Schindler. Dort wurde Geis – ganz im Sinne der später am Abend stattfindenden Conference Championships der NFL – als eine Art Quarterback eingesetzt, der tiefe Bälle spielen sollte. (Grafik 3)
Er spielte 27 solche langen Pässe und damit fast genauso viele wie die anderen 14 eingesetzten Feldspieler des FCN zusammen. Diese kamen auf 32 derartige Pässe. Seine 16 angekommenen langen Pässe waren sogar mehr als die 14 angekommenen Pässe aller Mitspieler. Es war also klar, dass Geis den Auftrag hatte, diese langen Bälle in die Spitze zu spielen. Auffällig ist dabei auch, dass er nach der Pause nur noch halb so viele lange Bälle spielte als noch vor der Pause. Darüber vergaß Geis aber seine Defensivaufgaben nicht, von den Bodenzweikämpfen gegen den Ball in der eigenen Hälfte verlor der gebürtige Schweinfurter nur einen. (Grafik 4)
Dieser Trend der vielen gewonnen Duelle gegen den Ball war aber nicht nur bei Geis auffällig, sondern tatsächlich bei allen Clubspielern. Mit 75,4% gewonnenen Bodenduellen gegen den Ball erzielte die Mannschaft eine neue Saisonbestleistung. Das letzte Mal, dass ein besserer Wert erzielt wurde, war beim letzten Heimspiel gegen den FC Sankt Pauli – auch dies eine Niederlage. Die Kehrseite der Medaille. Mit Ball am Fuß gewann der Club nur 28,7 Prozent der Duelle, der zweitgeringste Wert der Saison – nur beim 0:3 gegen Heidenheim war der Club bei den Offensivzweikämpfen noch seltener erfolgreich. So erklärt sich dann auch die Zweikampfkarte (Grafik 4), die zeigt, dass St. Pauli die Duelle in der Nähe des eigenen Strafraums weitgehend gewinnen konnte.
So kommt am Ende auch ein Bild heraus, das durchaus die Analyse von Markus Weinzierl unterstützt. Gegen den Ball neutralisierten sich die Teams weitgehend und das auf hohem Niveau. So hatten beide Mannschaften in der Offensive Probleme und am Ende entschied ein Standard. Zu Gunsten der Gäste.
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