150 FCN-Trikots im Büro: Sammler erklärt seine Leidenschaft
6.6.2020, 09:10 UhrWie lange sind Sie schon Club-Fan?
Pavel Krasnikov: Ich bin 1994 von meinem damaligen Banknachbarn aktiviert worden. Er hat mir von Michael Wiesinger Karten gegeben und nur gesagt, dass der Club gut ist und ich unbedingt Fan werden muss. Er hat allerdings nicht gesagt, dass der Club gerade im Abstiegskampf ist. (lacht) Als ich dann herausgefunden habe, dass der Club aktuell gar nicht so gut ist, war es zu spät, da war die Liebe schon da. Heute geh' ich oft ins Stadion, allerdings bin ich nicht die Art von Fan, die zu jedem Auswärtsspiel mitfährt. Ich freue mich schon, wenn ich meinen Sohn mit ins Stadion nehmen kann.
Wann haben Sie mit dem Sammeln angefangen und wie sind Sie darauf gekommen?
Krasnikov: Ich war schon immer ein Stofffetischist. Irgendwann hab ich dann ein älteres Trikot ergattern können und dann war die Sucht da. Die Summen sind dann auch immer höher geworden. Am Anfang dachte man noch 100 sind das höchste, darüber kann ich heute nur noch lachen. Geld ist bei Sammlern aber nicht so viel wert, es geht um das Feeling. Ich versetze mich einfach gern in die Vergangenheit. vor allem, wenn es ein Trikot ist, dass ein Spieler getragen hat und ich weiß, welche Geschichte dahintersteckt und in welchem Spiel es von wem getragen wurde.
Wie viele Trikots haben Sie inzwischen?
Krasnikov: Insgesamt habe ich 200 Trikots, etwa 150 davon sind vom Club. Aber ich sammle nicht auf Masse. Ich versuche, von jeder Version, also Lang- und Kurzarmtrikot, aus jeder Saison eins zu haben, inklusive Sonder- und Auswärtstrikots natürlich. 70 Prozent meiner Trikots sind matchworn, vor allem matchworne Sondertrikots sind aber schwer zu bekommen. Manchmal kaufe ich die dann erstmal im Fanshop und schaue dann, ob ich noch ein getragenes bekomme. Trikots im Fanshop zu kaufen, ist eben nicht so spannend, das ist überall zugänglich, da fehlt der Kick.
Nationalmannschaftstrikots, Ebay-Kleinanzeigen und Kontakte
Welche Trikots haben Sie, die nicht vom Club sind?
Krasnikov: Ich hab einige von Stuttgart, Bochum, Bayern, der Nationalmannschaft. Solche Trikots bekomme ich durch Zufall, durch Glück, an denen hänge ich nicht ganz so sehr, auch wenn ich natürlich weiß, dass sie ein Stück Bundesliga-Geschichte sind. Da ist auch keins dabei, das ich auf gar keinen Fall verkaufen würde. Außer natürlich Nationalmannschaftstrikots, die von Club-Spielern getragen wurden. Ich habe zum Beispiel das Nationalmannschaftstrikot, das Dieter Eckstein zu seinem Debüt getragen hat. Bei alten Trikots, die man nicht direkt von einem Spieler bekommen hat, kann man sich natürlich nie sicher sein. Aber wir besprechen uns dann untereinander, allerdings vor allem mit Sammlern von anderen Vereinen, da kommt man sich nicht in die Quere. Es gibt auch eine Sammlerbörse auf Facebook, da schauen wir uns dann die Naht und so etwas an und recherchieren. Mein Trikot von Eckstein hat die Nummer 16, die ist sehr sehr selten, und es wurde dreimal getragen, einmal davon eben von Eckstein bei seinem Debüt.
Wie kommen Sie zu den Trikots?
Krasnikov: Vor allem schaue ich bei Ebay und Ebay-Kleinanzeigen, aber da muss man natürlich schnell sein. Ich habe aber auch Kontakte beim Verein, die ich mir über die Zeit aufgebaut habe. Ich kaufe aber auch Leuten Trikots ab, die von anderen Vereinen sammeln und durch Zufall an ein Club-Trikot gekommen sind. Unter den Sammlern vom selben Verein ist das eher schwierig. Manchmal kauft man, wenn man die Gelegenheit hat, auch mal ein Trikot doppelt. (lacht) Ich hab zum Beispiel vier Meistertrikots von 1968 bekommen und keins davon verkauft. Es ist ein sehr umkämpftes Feld, man hat seine Quellen, man hat seine Feinde und seine Freunde. Nicht selten laufe ich auch einfach Leuten im Stadion hinterher, die ein seltenes Trikot tragen und frage sie, ob ich es ihnen abkaufen kann.
Haben Sie durch das Sammeln manchmal auch Kontakt zu Spielern oder Ex-Spielern?
Krasnikov: Ich wünschte, ich hätte mehr. Zu ehemaligen Spielern habe ich einige Kontakte, auch zu Spielern aus unterschiedlichen Zeiten, zum Beispiel aus den 1970er Jahren. Da bin ich dann manchmal auch bei einem zuhause und bekomme dann ein Trikot angeboten, dass der Spieler noch bei sich liegen hatte. Aus dem aktuellen Team hab ich aber gar keinen Kontakt, es ist sehr schwer, an die Mannschaft ranzukommen.
"Es ist immer pures Glück, ob man ein bestimmtes Trikot bekommt"
Wie viel zahlt man etwa für ein Matchworn-Trikot?
Krasnikov: Es gibt eine relativ große Preisspanne, manchmal hat man auch Glück. Das günstigste Trikot, das ich gekauft habe, hat mich 15 Euro gekostet. Da hatte ich wirklich Glück, die Person, die es verkauft hat, wusste nicht, dass es selten ist. Mein teuerstes Trikot hat 1800 Euro gekostet, dafür hab ich sogar einen Nebenjob gemacht. Das Trikot ist von Willi Kund, er ist einfach eine Kultfigur und ich kenne die Geschichte dahinter. Je mehr man über ein Trikot weiß, desto mehr ist es wert. Ich habe lange versucht, es mir auszureden, aber es hat nicht geklappt. (lacht) So etwas passiert aber wirklich nur bei älteren Trikots. Die sind auch teurer, da ist die normale Preisspanne zwischen 50 und 400 Euro.
Was ist Ihr Lieblingstrikot?
Krasnikov: Das ist ganz schwer. Letztens gab es eine Challenge auf Facebook, da sollte man seine fünf Lieblingstrikots aussuchen und das ist mir schon sehr schwergefallen. (lacht) Ich würde aber sagen, die Meistertrikots, auch weil der Club zu meinen Lebzeiten wohl nicht mehr Meister wird. Trikots, die ich von Spielern persönlich bekommen habe, sind natürlich auch sehr besonders. Ich hab da auch meine Geheimnisse, aber das Trikot von Louis Gomis, dem Aufstiegshelden von 2001, hab ich zum Beispiel persönlich gekriegt.
Gibt es ein Trikot, das Sie noch nicht haben, aber unbedingt haben möchten?
Krasnikov: Es ist immer pures Glück, ob man ein bestimmtes Trikot bekommt. Ich hab ein weißes AEG-Trikot aus den 1970er Jahren im Blick. Ich liebe einfach weiße Trikots und das ist das, das ich am meisten begehre. Ich lebe aber mit dem Gedanken, dass ich das Trikot vielleicht nie haben werde. Man muss als Sammler mit dem zufrieden sein, was man hat. Wenn man nur darüber nachdenkt, was man nicht bekommen hat, dann macht einen das krank.
Sammler-Kontakte, Tausch und Verkauf
Bekommen Sie manchmal Anfragen von Leuten, die Trikots abkaufen möchten?
Krasnikov: Es gibt ein großes Netzwerk von Sammlern, da fragt schon mal jemand, ob er das eine oder das andere haben kann. Vom 1. FC Nürnberg gibt es fünf bis sechs größere Sammler und mehrere mit kleineren Sammlungen. Zum direkten Tausch kommt es aber selten, da scheitert es meistens an Kleinigkeiten. Geld hilft bei mir aber oftmals nichts, weil mir die Trikots so sehr am Herzen liegen. Einmal kam der Sohn eines ehemaligen Club-Spielers auf mich zu und wollte mir das Trikot seines Vaters abkaufen. Er hat mir wochenlang vierstellige Summen geboten und ist immer wieder hochgegangen mit dem Preis. Natürlich wird man da bei jeder Erhöhung schwächer, aber am Ende habe ich gesagt, dass ich erstmal nicht verkaufen will. Geld ist für Sammler nicht so wichtig. Bei Trikots vom FCN geht es mir wirklich nur um das Trikot, bei den Trikots, die ich von anderen Mannschaften habe, ist das anders. Da tausche oder verkaufe ich leichter mal eins.
Tragen Sie die Trikots manchmal oder ist das ein No-Go?
Krasnikov: Wenn ich ein Trikot neu habe, dann ziehe ich es nur kurz an, hole mir diese Power, dieses Feeling und zieh es dann wieder aus. Aber so richtig trage ich sie natürlich nicht.
"Vor allem die alten Trikots sind Konservierungsstücke"
Wo bewahren Sie die Trikots auf?
Krasnikov: Die Polyestertrikots hängen auf Zwei-mal-zwei-Meter-Stangen in meinen Büro hinter einem Vorhang, vor der UV-Strahlung schütze ich sie auch. Die Vitrinen sind auch in meinem Büro, ich hab meine Trikots alle griffbereit. Wichtig ist mir auch, dass sie nicht eingerahmt sind, ich will meine Trikots von beiden Seiten betrachten können. Ich hab keine Angst, dass sie mir jemand wegnimmt. Aber sie sind alle versichert, meine Versicherung hat die Liste von allen meinen Trikots. Es ist eine ganz normale Haftpflichtversicherung, aber die Versicherung will schon wissen, wenn dann ein ganz Besonderes dazu kommt oder so. Sollte mal etwas passieren, wäre es mir lieber, wenn alle Trikots auf einmal weg wären. Dann kann ich wenigstens sagen, "Jetzt höre ich ganz auf", aber wenn eins weg ist, dann ist meine Sammlung nicht mehr vollständig, das wäre ganz schlimm für mich.
Wie funktioniert die Konservierung und Pflege? Worauf muss man besonders achten?
Krasnikov: Vor allem die alten Trikots sind Konservierungsstücke, die sind ja komplett aus Baumwolle oder einem Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester. Da sind Mottenkugeln zu wenig. Die alten Trikots bewahre ich in abgeschlossenen Vitrinen auf, da haben die Motten keine Möglichkeit, reinzukommen. Außerdem sind die Vitrinen mit einem Vorhang abgedunkelt, um die Trikots vor UV-Strahlung zu bewahren, und ich lüfte regelmäßig. Wichtig ist auch, dass die Baumwolltrikots nicht auf Kunststoffbügeln hängen, damit der Weichmacher sie über die Jahre nicht beschädigt. Stattdessen kann man Holz- oder Pappbügel verwenden, ich benutze Pappbügel. Einmal im Jahr hänge ich die Trikots auf den Balkon, damit sie richtig auslüften können, Lufttrocknen nennen wir das. Das geht aber nur im Winter, wenn die Sonne nicht scheint, ich mache das auch nur mit den Baumwolltrikots, den spannenden.
Gewaschen werden die Trikots also nicht?
Krasnikov: Polyestertrikots, die stark riechen, wasche ich manchmal, aber nur mit der Hand und Kaltwasser. Einmal hatte ich zum Beispiel eins, das hat extrem nach Rauch gestunken, das habe ich gewaschen. Matchworn-Trikots werden aber nicht gewaschen, die ziehe ich nur kurz an und hänge sie dann auf die Stange. Ich hänge sie höchstens zum Trocknen und Auslüften auf. Einmal hab ich eins von Michael Frey bekommen - also nicht von ihm direkt, ich habe das jemandem abgekauft - aber das war noch sehr nass und roch etwas intensiver. Das habe ich drei Tage auf dem Balkon aufgehängt. Liebe hin, Liebe her, Hygiene muss sein.
Motten-Albträume und Corona
Ist Ihnen ein Trikot schon mal kaputtgegangen?
Krasnikov: Nein. Außer meine Alltagtrikots, die ich ins Stadion trage, da geht mir schon mal was kaputt.
Haben Sie manchmal Albträume von mottenzerfressenen Trikots oder so etwas?
Krasnikov: Ja, sehr oft sogar. Manchmal wache ich nachts auf, und mache mir Gedanken, dass meinen Trikots irgendetwas passiert. Dass mein Sohn zum Beispiel alleine in mein Büro rennt und etwas zerreißt. Die Gedanken sind schon da, aber ich mach‘ mich jetzt da nicht krank.
Was hält Ihre Frau von Ihrem Hobby?
Krasnikov: Sie sieht das relativ locker. Als ich ihr von dem Trikot für 1800 Euro erzählt habe, hat sie allerdings gedacht, ich bin verrückt.(lacht) Ich erzähle ihr vieles, aber nicht alles. Es gibt den Sammlerspruch, dass es die größte Angst eines Sammlers ist, dass die Frau, wenn man im Sterben liegt, die Trikots für den Preis verkauft, den man ihr genannt hat. (lacht) Aber ich habe extra angespartes Geld dafür und sie weiß Bescheid. Solange sie sich dann auch mal was in der Preiskategorie gönnen kann, ist das okay. Wenn es mal zu sehr Überhand nimmt, dann sagt sie mir aber auch mal, dass ich mich nicht so krank machen soll, zum Beispiel, wenn ich etwas nicht bekommen habe. Aber sie sieht ja auch, dass es mir gut tut. Die Ehe ist auf jeden Fall nicht gefährdet. (lacht)
Hat die Corona-Krise Einfluss auf Ihr Hobby? Ist es aktuell schwerer, an neue Trikots zu kommen?
Krasnikov: Nein, das merke ich eigentlich gar nicht. Klar, der Nachschub fehlt, weil eine Weile ja nicht gespielt wurde. Der Austausch ist vielleicht etwas größer, man schreibt viel, weil vielen langweilig ist.
Haben Sie ein bestimmtes Ziel, wie viele oder welche Trikots Sie haben wollen, und dann hören Sie auf oder schauen Sie einfach mal?
Krasnikov: Aufhören werde ich erst, wenn jemand mir eine Millionen Euro oder so etwas bietet und alles auf einmal kauft. Dann würde ich komplett aufhören, zu sammeln, auch wenn es mir schwer fallen würde. Ich habe aber keine Höchstzahl, pro Saison kommen etwas drei bis vier Trikots dazu und zusätzlich noch alte Trikots von früher, wenn ich welche bekomme.
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