Club-Fußballerinnen starten in die zweite Liga
Der Name 1. FC Nürnberg als Verpflichtung
10.8.2021, 06:00 UhrMal keinen Handy-Empfang zu haben im Umkreis von ungefähr zwei Kilometern findet Osman Cankaya ziemlich großartig, obwohl er selbst zwei Mobiltelefone in Gebrauch hat. Das eine nutzt er privat, das andere sportlich. Aber nur, wenn er wirklich muss. Im Trainingslager von Donnerstag bis Sonntag hätte er auch gar nicht gekonnt.
Der Trainer der ersten Frauenfußballmannschaft des 1. FC Nürnberg hält sich lieber im Hier und Jetzt auf und nicht in irgendeiner digitalen Scheinwelt. Leben heißt für ihn: Sich mit Menschen umgeben, reden, lernen, Gefühle zeigen. „Fußball“, sagt Cankaya, „soll emotionalisieren, Geschichten erzählen“. Sein Fußball.
Im Odenwald haben sie „mitten im Nirgendwo" jetzt versucht, wieder ein bisschen besser zu werden. Den viertägigen Aufenthalt samt abschließendem Test in Mudau gegen den Drittligisten Hessen Wetzlar (0:0) bezeichnet Cankaya rückblickend als „sehr gewinnbringend“, auch oder gerade abseits des Platzes.
Im Selbstversorgerhaus
Ein ziemlich großes Selbstversorgerhaus hatten sie angemietet, mit überschaubarem Fernsehprogramm, um die Animation mussten sie sich schon selbst kümmern, etwa in zwei Kochgruppen für Frühstück und Abendessen. Teambuilding kann auch unterhaltsam sein.
Vier Siege genügten dem Club 2020/21, um in die zweite Bundesliga aufsteigen. Vier Siege aus vier Spielen, danach ließ die Pandemie keinen Spielbetrieb mehr zu. Die Quotientenregel sorgte diesmal für einigermaßen klare Verhältnisse in der Regionalliga. Ein Jahr zuvor hatten den Nürnbergerinnen noch 0,06 Punkte gefehlt zum ersehnten Sprung nach oben.
Wahrscheinlich waren sie jetzt einfach mal dran. Und wollen mehr. Was nicht heißen soll, dass sie die zweite Liga möglicherweise unterschätzen mit den Absteigern Duisburg und Meppen und gleich vier zweiten Mannschaften. FC Bayern II, VfL Wolfsburg II, Eintracht Frankfurt II, TSG Hoffenheim II.
Cankaya findet die zweitklassigen Erstliga-Reserven eher suboptimal. Und sagt das auch. Selbst auf die Gefahr hin, dass Tina Theune-Meyer anruft und von ihm wissen möchte, wie er das genau meint. Der junge Trainer glaubt eben nicht, dass sich der Frauenfußball mittel- und langfristig in der Breite entwickeln kann, wenn wenige Top-Vereine die vielen kleineren dominieren.
Ausgezeichnete Infrastruktur
Den Club wähnt er irgendwo dazwischen. Reich werden seine Spielerin nicht beim 1. FC Nürnberg, aber wahrscheinlich besser. Sie können sich entwickeln und von der Infrastruktur profitieren. Die Plätze, die Organisation, ja sogar der Bus genügen höchsten Ansprüchen. Eine Firma aus Neustadt/Aisch hat jetzt wieder einen neuen bestellt. Ein vergleichbares Tracking-System nutzen selbst in der ersten Liga nur noch vier andere Vereine.
Cankaya, 32, seit vier Jahren für die Fußballerinnen zuständig und obendrein Sportlicher Leiter, möchte den nach wie vor großen Namen seines Vereins nicht kleiner machen, als er ist. Was für ihn selbst in einer neuen Spielklasse bedeutet, nicht nur Außenseiter zu sein. „Wir können als 1. FC Nürnberg nicht beim SV Henstedt-Ulzburg antreten und sagen, dass der SV Henstedt-Ulzburg der Favorit ist“, sagt Cankaya, dessen Aufgebot im Durchschnitt nur unwesentlich älter ist als in der Vorsaison (19,7).
Der geringfügige Anstieg ist mit dem Lauf der Zeit und den Verpflichtungen von Kerstin Bogenschütz (26) und Michaela Drescher (25) zu erklären, die sich noch von einer Knieverletzung erholt; beide kamen von Zweitliga-Absteiger Saarbrücken und sollen mit ihrer Erfahrung helfen.
Die jungen Talente Nele Bauereisen (SV Weinberg), Amelie Thöle (FC Ingolstadt) und Leonie Hein (SpVgg Oberfranken Bayreuth) müssen hingegen mit ihren Aufgaben wachsen. 107 Namen hatten Cankaya und seine Späher als mögliche Verstärkungen für die neue Runde auf ihren Zetteln stehen, nach dem Aufstieg waren es immerhin noch 25, fünf blieben übrig. Argumente für einen Wechsel nach Nürnberg gibt es viele; wer sich für den Club entscheidet, wird möglicherweise eine gute Zeit haben. Und Annehmlichkeiten genießen, von denen sie an anderen Standorten nur träumen können.
Cankaya hat tatkräftig mitgeholfen, wieder etwas aufzubauen beim 1. FC Nürnberg Frauen und Mädchenfußball, wie der Verein unter dem Dach des Hauptvereins seit 1995 heißt. Dass sie am Sonntag zum Saison-Auftakt beim FC Bayern II antreten dürfen, ist auch sein Verdienst; in gut 40 Einheiten hat er seine Spielerinnen seit dem 21. Juni akribisch vorbereitet. Nicht eines der sechs Testspiele ging verloren, geschlagen haben sie unter anderem den österreichischen Erstligisten FFC Vorderland (2:0) und den schweizerischen Erstligisten FC Basel (3:1).
Das 0:0 gegen Wetzlar zum Abschluss des Trainingslagers konnte Cankaya verschmerzen. Die Müdigkeit machte allen ziemlich zu schaffen. Mitten im Nirgendwo.
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