Bamberg-Aus: Saison ist beendet, die Aufarbeitung nicht
21.6.2020, 21:44 UhrDas Quarantäne-Hotel der Basketball-Bundesliga hat sich rasant geleert am Wochenende. Von den zehn Mannschaften, die ursprünglich ins Münchner Leonardo Royal eingezogen sind, sind nur noch vier übrig, auch Brose Bamberg ist am Sonntag abgereist. Müde dürften alle Beteiligten gewesen sein nach sechs Spielen in 13 Tagen und sehr wahrscheinlich auch ein bisschen enttäuscht, weil sie nach dem starken Auftakt gegen Vizemeister Berlin so schnell abgebaut hatten beim Geisterturnier.
Ein "Zeichen setzen" wollten sie nach einer sehr durchwachsenen Saison bis zur Unterbrechung, so hatte es Geschäftsführer Arne Dirks angekündigt, aber es wurde dann lediglich eine Fortführung des bereits Bekannten; eine erfrischende Leistung gegen Alba, eine indiskutable gegen Ludwigsburg, zwei Erfolge gegen die ausgedünnten Aufgebote von Frankfurt und Vechta, ein paar gute Phasen gegen Oldenburg im Viertelfinale, aber eben nur Phasen – oder ganz nüchtern: zwei Siege, vier Niederlagen.
Zu wenige auf Top-Niveau
"Ich glaube, dass wir die ganze Saison über nicht konstant genug waren. In zwei Wochen holst du das nicht auf", sagte Kapitän Elias Harris, der im Viertelfinal-Hinspiel mit 24 Punkten noch fast im Alleingang dafür gesorgt hatte, dass vor dem Rückspiel überhaupt noch Hoffnung aufs Halbfinale vorhanden war in Oberfranken. Beim Rückspiel zwei Tage später konnte er wegen einer Blockade im Rücken nur zuschauen und beobachten, wie seine Kollegen nach einer soliden ersten Halbzeit in der zweiten ein weiteres Mal den Faden verloren.
Diesmal hielt Kameron Taylor mit 20 Zählern dagegen, aber das war zu wenig, auch weil sich mit Jordan Crawford der potenziell beste Punktesammler beim 75:89 frühzeitig mit fünf Fouls auf die Bank meckerte. "Wir haben es leider nicht geschafft, genügend Spieler auf ihr Top-Niveau zu bekommen", stellte Trainer Roel Moors fest. Eigentlich ließ sich das fast über alle Spieler sagen.
Viele Fragezeichen
Harris nannte die vergangenen Monate bei der abschließenden Pressekonferenz eine "Achterbahnfahrt", er kennt sich damit bestens aus. Seit 2013 ist er in Bamberg unter Vertrag und hat in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt.
Dass er auch in der kommenden Saison die Farben von Brose Bamberg tragen wird, ist eher unwahrscheinlich. Im Zuge des zwischenzeitlichen Corona-Stillstands wurde ihm bei den Verhandlungen um das Kurzarbeitergeld von Brose-Chef Michael Stoschek öffentlich die Vorbildrolle abgesprochen, außerdem läuft sein Vertrag aus. Auch die Arbeitspapiere von Crawford, Retin Obasohan und Louis Olinde sind am Ende des Monats Geschichte, lediglich beim immer noch als großes Talent gehandelten Olinde dürfte sich Sportdirektor Leo de Rycke wohl um eine Verlängerung bemühen.
Fehlende Identität
Alle anderen haben noch Vertrag – was in Anbetracht der Achterbahnfahrt nicht nur eine gute Nachricht sein dürfte. Auch das zweite Jahr in Folge war der ehemalige Seriensieger weit davon entfernt, um die Meisterschaft mitzuspielen, vielen Fans geht beim selbsternannten "Basketballherz" die Leidenschaft ab.
Während in Ludwigsburg oder Oldenburg trotz geringeren Budgets eine klare Identität zu erkennen ist, befindet man sich in Bamberg weiter im Selbstfindungsprozess. Zuletzt zogen sogar Außenseiter wie Vechta oder Crailsheim vorbei. "Der Verein muss mit den Mitteln, die er erwirtschaften kann, sorgfältig umgehen und das Beste daraus machen. Da haben wir noch ein Stück Nachholbedarf", sagte Stoschek vergangene Woche beim Besuch des Final-Turniers gegenüber dieser Zeitung. Eine Kritik, die sich vor allem an die handelnden Akteure abseits des Parketts gerichtet haben dürfte. Bis Freitag wird nun die abgelaufene Saison aufgearbeitet, dann könnte der nächste große Umbau beginnen.
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