Bei Rotraut Lunz lernten die Burgfarrnbacher das Turnen und Tanzen

Martin Schano

Fürther Nachrichten

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15.2.2021, 14:47 Uhr
Bei Rotraut Lunz lernten die Burgfarrnbacher das Turnen und Tanzen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Im Prinzip ist es unmöglich, als Burgfarrnbacher Rotraut Lunz nicht zu begegnen. Bei Fußballspielen ihres TSV 1895 und der U 23 der SpVgg sitzt sie an der Kasse. Wer ab dem 70. Lebensjahr einen runden Geburtstag feiert, bei dem steht sie als Gratulantin im Namen des Vereins vor der Tür. Und sollte man in den vergangenen 60 Jahren in dem Stadtteil in Berührung mit der Sportart Turnen gekommen sein, weiß man sowieso Bescheid.


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"Ich denke schon, dass man mich kennt", erzählt Rotraut Lunz, als die Zeitung anruft. Und nach so vielen Jahren ist "man" nicht mehr so genau einzugrenzen, schließlich leitete sie ganze Generationen im Kinderturnen an. "Meine Kinderchen, die Fünf- bis Neunjährigen, die haben ja mittlerweile selber Kinder. Wenn die mich grüßen, muss ich manchmal fragen, wer sie sind", erzählt sie und lacht herzhaft in den Hörer.

Die ehemalige Fürther Stadträtin Meta Zill hatte nicht zu viel versprochen, als sie Lunz für ein Porträt in der FN-Serie "Die Seele des Vereins" mit den Worten vorschlug: "Diese quirlige, lebenslustige Frau verdient vollsten Respekt und ist eine Institution im Verein."

Als die Rivalen fusionierten

Beigetreten ist sie dem TSV 1898 im Alter von zehn Jahren, worauf sie stolz ist: "Ich bin eine von den alten Bären." Bis zur Fusion mit dem TV 1895 im Jahr 1983 waren die beiden Burgfarrnbacher Vereine noch Rivalen, zum Beispiel beim einstigen Fürther Staffellauf, "da war ich meistens Schlussläuferin", erinnert sich Lunz, die heuer 70 Jahre alt wird.

Nachhaltig fasziniert hat sie jedoch nicht die Leichtathletik, sondern das Turnen. "Für mich war es die größte Strafe, wenn ich nicht in die Turnstunde gehen durfte", berichtet sie von Erziehungsmaßnahmen ihres Vaters, wenn der aufbegehrende Teenager mal wieder zu spät nach Hause gekommen war.

1981 machte sie den "Übungsleiterschein A". Ein halbes Jahr lang habe sie jedes Wochenende für die Prüfung gepaukt, um das Kinder- und Geräteturnen zu leiten. Nur ein Jahr später packte sie ein Trend, der gerade aus den USA nach Deutschland schwappte: Aerobic.

Bei Rotraut Lunz lernten die Burgfarrnbacher das Turnen und Tanzen

© Foto: privat

"Die Jane Fonda hat das aus Amerika mitgebracht", erinnert sich Lunz, die sich sofort dafür interessierte. Als eines der ersten Tanzstudios in Fürth unweit der heutigen Malzböden in der Schwabacher Straße einen Kurs anbot, meldete sie sich an. "Da bin ich ein paar Mal hin, der Saal war rappelvoll." Mitzuhalten war kein Problem, denn die Übungen kannte sie weitgehend von der Gymnastik.

Abgeschaut von der Trainerin

"Dann hast du dir dieses Outfit gekauft und das Training abgeschaut: mal eine Tanzbewegung, dann eine Choreografie für eine ganze Stunde." Denn ihr Ziel war nicht etwa, dort die nächsten Jahre mitzumachen, sondern sich abzuschauen, wie jene Trainerin vorging.

"Der Turnverband hat ja keine Kurse angeboten, um Übungsleiter zu werden. Also habe ich mir alles selber beigebracht." Und nach geraumer Zeit beim TSV 1895 Burgfarrnbach dann eben selbst einen Kurs angeboten. "Da sind am Anfang im Vereinsheim am Moosweg bis zu 50 Leute gekommen." Bis sie 2017 aufhörte, hatte die Gruppe konstant um die 40 Mitglieder.

Und die durften nicht sehr geräuschempfindlich sein, denn anstatt wie ihre einstige Gymnastik-Leiterin Irmgard Köferler beim alten TSV noch den Rhythmus mit einem Tambourin vorzugeben, ließ es die Jane Fonda von Burgfarrnbach krachen. "Ich brauche laute Musik", erzählt sie lachend, "manche haben gesagt: Sie sind duusheäräd."

Mit dem Alter verlangsamte sich der Takt

Für immer neue fetzige Lieder setzte sie sich vor allem in den kursfreien Ferien stundenlang vors Radio, um auf Kassette die neuesten Schlager aufzunehmen, "meistens die englischen, die haben einen guten Rhythmus". Anfang der Achtziger waren die Lieder "aweng flotter", der Takt verlangsamte sich "mit dem Alter meiner Mädels".


Eine Legende bei Kleeblatt und Club: Hans Bumbes Schmidt


Heute läuft bei Rotraut Lunz im Wohnzimmer ihr Lieblingssänger Udo Jürgens. Den Takt ihres Alltags geben jetzt nicht mehr die Kurse vor. "Das einzige, was ich jetzt noch mach’, ist den Hund ’nausjagen, im Verein Beisitzer sein und Fahrrad fahren." Liebevoll nennt sie "den Wuschel" aus einem Tierschutzprogramm "Max Morlock aus Moldawien"; als Club-Fan muss sie von den Kleeblatt-Anhängern ihres Seniorenstammtischs viel einstecken, doch das kann sie aushalten. Ihre Einstellung "ich bin einer, der nicht immer mit allem einverstanden ist" haben viele in Burgfarrnbach schätzen gelernt.

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