Bemerkenswert! Fast 7700 Fans verabschieden Reinprecht
7.12.2018, 22:57 UhrAls das Trikot des großen Luc Jean-Marie Robitaille unter das Dach des Staples Center gezogen wurde, ahnte Steven Reinprecht bereits, dass er etwas länger auf den Beginn des Spiels würde warten müssen. Auf einer Bühne auf dem Eis standen 20 Stühle für prominente Weggefährten des großen Stürmers der Los Angeles Kings bereit. Robitaille brauchte allein fünf Minuten, um sich beim ersten zu bedanken. Zwei Stunden später begann das Spiel der Kings gegen Reinprechts Phoenix Coyotes.
Am Freitag redete Steven Reinprecht sechs Minuten und 23 Sekunden, er hätte aber auch zwei Stunden reden dürfen. Das war sein Abend, wegen ihm und seiner Familie war die Arena mal wieder ausverkauft. Und als um 19.36 Uhr das Banner mit der 28, mit seiner Nummer, unter das Dach der Arena gezogen wurde, da gab es niemanden, der nicht ehrlich ergriffen auf Mette, Henning, Sarah und Steven Reinprecht blickte. Nie wieder wird ein Ice Tiger mit der Nummer 28 auflaufen.
Träume kanadischer Jungs
Kanadische Jungs träumen davon, in der überlebensgroßen National Hockey League zu spielen, in der NHL ein Tor zu schießen, den Stanley Cup zu gewinnen und irgendwann das Trikot mit dem Ahornblatt zu tragen. Im Laufe der Jahre kommt bei vielen Kanadiern, die im Herzen immer Jungs geblieben sind, der Wunsch hinzu, die Karriere würdevoll abzuschließen. Steven Reinprecht, Stanley Cup-Sieger mit den Colorado Avalanche 2001 und Weltmeister mit Kanada 2003, kann seit diesem 7. Dezember 2018 auch diesen Punkt von seiner Liste streichen. "Es ist schwer zu beschreiben, mir fehlen dafür die Worte, aber es ist wirklich, wirklich eine große Ehre für mich", hatte der 42 Jahre ewig junge Mann aus Edmonton am Tag zuvor gesagt. Und natürlich fand er doch noch eindrucksvollere Worte: "Allein in 40 Jahren wieder nach Nürnberg kommen zu können, um dort mit meinem Enkel das Trikot mit der Nummer 28 unter dem Dach zu sehen, das ist wirklich, wirklich schön."
Er hatte da schon geahnt, dass das Wiedersehen emotional werden würde. Wahrscheinlich hatte er auch schon gespürt, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Und das lag nicht nur daran, dass Reinprecht die 7672 Zuschauer in der Arena Nürnberger Versicherung an eine gar nicht so lange vergangene Zeit erinnerte, in der die Ice Tigers eine Spitzenmannschaft in der DEL stellten. Auch dank Reinprecht, der Eishockey auf einem anderen Niveau ausübte als der Großteil seiner Gegner und Kollegen.
Reinprecht schwebte über das Eis, er streichelte die Scheibe. Und wenn er wieder einmal alleine aufs Tor zulief, wusste jeder in der Arena einschließlich des gegnerischen Torhüters genau, wie er abschließen würde. Und trotzdem hob er den Puck beinahe jedes Mal unhaltbar unter die Latte. Reinprecht war ein wirklich, wirklich außergewöhnlicher Spieler, der beste, der jemals regelmäßig in Nürnberg zu sehen war.
Er ist aber auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Als "stillen Leader", "tollen Menschen" und "Vorbild" charakterisierte ihn Patrick Reimer, mit dem er sechs Spielzeiten lang ein geniales Duo gebildet hatte. Und irgendwie hatten das auch die Fans in Nürnberg gespürt. Reinprecht war stets freundlich und höflich, was nicht alltäglich ist für einen Mann, der so viel erreicht hatte, bevor er in die DEL gewechselt ist, und der so viel Geld verdient hatte. Reinprecht hatte Klasse auf dem Eis. Reinprecht hat aber vor allem Klasse abseits des Eises. Thanks for all, Reino, stand auf riesigen Spruchbändern in der Südkurve. Danke für alles.
Trainer in Europa?
In Nürnberg hat sich über die Jahre die Erkenntnis verfestigt, dass es eine Ehre ist, diesen Mann erleben zu dürfen. Und auch das schien, trotz seiner großen Erfolge, auf Gegenseitigkeit zu beruhen. "Ich mag die Stadt, die Menschen, die Atmosphäre hier", sagte Reinprecht. "Es sind aber vor allem die Menschen, an denen wir hier Freude hatten. Nürnberg ist zu einem besonderen Ort für uns geworden." Zu dem Ort, den sein Sohn Henning und seine Tochter Mette als Heimat bezeichnen.
Die letzte Humba für #28 #StevenReinprecht @Ice_Tigers @DELoffice #TelekomSport @BastiSchwele @RickGoldmann pic.twitter.com/rgIdUKK9jA
— Sascha Bandermann (@SBanderm) 7. Dezember 2018
Und ein Ort, an dem die Eishockeymannschaft, Reinprechts ehemalige Kollegen und seine Nachfolger vor der Begegnung gegen Red Bull München arg ins Straucheln gekommen waren (Artikel unten). Derzeit arbeitet Reinprecht als Co-Trainer der Uni-Mannschaft von Denver – unentgeltlich. Es soll sein Einstieg ins Trainergeschäft werden. Was er nächstes Jahr macht, weiß er noch nicht. "Ich will Trainer werden. Vielleicht in der AHL, vielleicht in Europa. Dort, wo es für uns am besten passt." 7672 Menschen hätten da einen Vorschlag, wo es für alle am besten wäre.
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