Das WM-Sammelfieber grassiert
03.06.2010, 00:00 Uhr
Für die beiden Erstklässler aus Hamburg ist das ein guter Grund, in der Schule besser aufzupassen. Sie wollen nämlich bis zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ihr WM-Sammelalbum von Panini komplett gefüllt haben. 640 Klebebildchen von Stadien, Fußballern, Nationalflaggen und Emblemen müssen sie dafür sammeln.
Sie sind – wie weltweit Millionen – mit dem Panini-Virus infiziert. Alle zwei Jahre wieder befällt diese Sammelleidenschaft Erstklässler, Gymnasiasten, Studenten, Eltern und Rentner gleichermaßen – zu jeder Europa- und Weltmeisterschaft. »Schon jetzt haben wir über 120 Millionen Tütchen in Deutschland verkauft«, sagt Frank Zomerdijk, Geschäftsführer des Panini-Verlags. Vor genau 30 Jahren veröffentlichte das italienische Unternehmen das erste WM-Sammelheft. Heute verkaufen sich die Bildchen weltweit.
Mindestens 80 Euro müssen die Aufkleber-Jäger berappen, um 640 Sticker zu kaufen. »Ich weiß, das ist viel Geld, aber dafür hat man auch eine Menge Spaß – und zwar monatelang.« Da sich die Bilder aber oft doppeln, muss der Fan meist mehr Tütchen kaufen – oder tauschen.
Etwa 90 doppelte Karten liegen in Noahs Tupperbox. In einer Stunde beginnt das Training der G-Jugend. Bis dahin haben Noah und seine Freunde noch Zeit, um Klebebildchen zu tauschen. Die Eltern haben das Treffen organisiert und klare Regeln festgelegt: Die Kinder dürfen nur eins zu eins tauschen und die Sticker danach nicht zurückfordern. Und so sitzen Noah, Kaan und die anderen am Rande des Platzes und feilschen: »Ich brauche die Nummern 134 und 190. Hast du die?«
Am Rande des Fußballfeldes steht auch Helmut Heide. Der 51-Jährige hat seinen Sohn Julian genau im Blick und gibt ihm immer wieder Tipps. Er hat als Kind selbst die Bilder gesammelt. »Aber ich habe nie ein Album voll bekommen. Meine Eltern haben mir kein Geld dafür gegeben.« Sein Sohn hat diese Sorgen dank Papas Hilfe nicht. Noahs Mutter Sandra Segler sieht im Sammel-Fieber auch pädagogischen Nutzen: »Seit Noah die Bilder sammelt, kann er mit Zahlen besser umgehen und liest flüssiger«, sagt sie. Zudem sei er selbstbewusster geworden.
Doch die 34-Jährige sieht auch die andere Seite: »Es ist ein Gruppenzwang. Wer kein WM-Sammelheft hat, gehört nicht dazu und wird vielleicht sogar gehänselt. Das ist ein ganz großes Problem«, sagt sie, andere Mütter nicken zustimmend. Die Lehrer von Noahs Grundschule haben deshalb das Tauschen während der Schulzeit verboten.
Eltern und Fußball-Fans, die sich den Trend nicht leisten wollen oder können, haben aber auch Alternativen zum Marktführer. So versteckt Süßwarenhersteller Ferrero wieder Aufkleber mit Bildern des deutschen Teams in Schokoriegeln und anderen Produkten. dpa
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