Der meisterhafte Senior vom TSV Zirndorf
28.11.2016, 06:00 UhrApril 2006, Werner Kohnen, aktiver Leichtathlet seit 1949, kommt nach seinem Training nach Hause und möchte wie gewohnt duschen. „Dann war mir so, als müsste ich mich erst mal kurz hinlegen“, erinnert er sich an die Situation. Glücklicherweise, möchte man fast sagen, bekam seine Frau kurz zuvor einen Herzschrittmacher. „Das war eigentlich mein Glück, denn sie war geeicht im Kopf, wurde sofort hellhörig“, erzählt Kohnen, weshalb sie sofort den Notarzt angerufen haben. Das Unwohlsein stellte sich als Herzinfarkt heraus. Mit dem Helikopter wurde er von seinem damaligen Wohnort Veitsbronn in die Klinik gebracht, wo ihm in einem Eingriff ein sogenannter Herz-Stent eingesetzt wurde.
„Schnell in die Gänge“
Die Teilnahme an der Europameisterschaft, die kurz danach stattfinden sollte, war genauso dahin wie zwei Jahre intensive Vorbereitung. „Der Herzinfarkt war die größte Enttäuschung meines Lebens. Vor allem, weil ich immer Sport getrieben habe, um genau so etwas zu verhindern“, blickt er auf die schwierige Zeit zurück. Gleichzeitig weiß er auch, dass ihm sein guter körperlicher Zustand geholfen hat, „schnell wieder in die Gänge“ gekommen zu sein. So schnell, dass er schon im September desselben Jahres den ersten Wettkampf bestreiten konnte. „Ich habe mich danach wieder sauwohl gefühlt, auch weil ich wusste, dass ich gut trainiert bin.“
Dennoch musste sich Kohnen nach dem Herzinfarkt und im Alter von 70 Jahren sportlich neu orientieren. Hatte er vorher noch alle Laufdisziplinen vom 100-Meter- bis zum 21-km-Lauf im Wettkampf bestritten, war ihm das Laufen auf Anraten seiner Ärzte dann nicht mehr erlaubt. „Ich bin gern gelaufen, aber Hinterhertrauern nutzt ja auch nichts.“ Jetzt sind es vor allem die Wurf- und Sprungdisziplinen, in denen er erfolgreich ist.
Das große Highlight fand vergangenen Juli statt. Bei der Deutschen Seniorenmeisterschaft in der Altersklasse M 80 im thüringischen Leinefelde holte sich Kohnen, der seit über 50 Jahren für den TSV Zirndorf startet und mittlerweile Ehrenmitglied ist, den Titel im Hochsprung – einer Disziplin, die er erst in sein Repertoire aufnehmen „musste“, weil das Laufen nicht mehr ging. „80 Jahre musste ich auf den ersten Deutschen Meistertitel warten. Das ist schon was Besonderes“, erzählt er sichtlich stolz. Nun gesellt sich zu den vier Bayerischen auch die Deutsche Seniorenmeisterschaft. Doch auch das konnte er noch toppen. Den „von den Ergebnissen her erfolgreichsten Wettkampf seit 20 Jahren“ lieferte der Fürther erst im September ab. Bei den Bayerischen Meisterschaften im Wurf-Mehrkampf reichte es zwar nur zum zweiten Platz. Die Gesamtpunktzahl aus den Wurfdisziplinen Hammer, Kugel, Speer, Diskus und Gewicht ist allerdings die persönliche Bestleistung.
Nach dem Hoch im Herbst seiner Sportlerkarriere hat es vor gut zwei Jahren noch nicht ausgesehen. Mit 78 Jahren legte Werner Kohnen eine zweijährige Wettkampfpause ein. Trotz harten Trainings, erzählt er, sei es damals nicht vorangegangen. „Das war mental schwierig, ich hatte nur noch wenig Motivation.“ Die Erfolge danach geben ihm Recht. „Das hat richtig gutgetan.“
Die Begeisterung für den Sport ist deshalb ungebrochen. Die körperliche Fitness ist für Kohnen „wie Wasser trinken, das braucht man einfach, vor allem für die geistige Fitness“. Nach seinem Prinzip „vom großen Zeh bis zum Nackenmuskel“ geht er neben seinem wöchentlichen Leichtathletiktraining noch drei Mal ins Fitnessstudio. Die Notiz „Trainingsaufwand 2016“ aus einem der Ordner im Wohnzimmer der Kohnens zählt 30 Mal Platztraining, 19 Mal Hallentraining, 73 Mal Fitnessstudio. Die Monate Oktober bis Dezember kommen selbstverständlich noch dazu.
Beim Training müsse der ganze Körper berücksichtigt werden, denn man investiere ja schließlich in seine Gesundheit. Seit über 40 Jahren steht daher auch die morgendliche Rückengymnastik auf dem Programm, erst danach folgt das Frühstück. Was damals als Ausgleich zum Autofahren begann – Kohnen war 42 Jahre im Außendienst der Textilbranche tätig –, ist heute nicht mehr wegzudenken: „Ohne das geht’s nicht.“
Dass Kohnen neben seinem Beruf überhaupt seine Sportlerkarriere vorantreiben konnte, habe er seiner Frau zu verdanken. Als er in die Selbstständigkeit wechselte, war sie es, die ihn immer unterstützte und die Buchhaltung erledigte. „So konnte ich nach der Arbeit direkt in die Trainingsklamotten“.
Auch jetzt, mit 80 Jahren, möchte Werner Kohnen nicht ans Aufhören denken. Das erfolgreiche Jahr 2016 macht Appetit auf mehr.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen