Doping macht auch vor Jedermann-Rennen nicht halt

14.08.2007, 00:00 Uhr
Doping macht auch vor Jedermann-Rennen nicht halt

© dpa

In der Wochenzeitung Die Zeit war zu lesen, wie es geht. Unter der Überschrift «Superheld für acht Tage« berichtet der Hobby-Radler Tobias Hütter von seinem Selbstversuch mit dem Hormon Erythropoetin, kurz Epo - dem wirkungsvollsten Doping-Mittel im Radsport. Ein Schweizer Frauenarzt hat den Versuch überwacht. Üblicherweise wird Epo gebärenden Müttern nach starkem Blutverlust gespritzt.

Bei einer ersten Infusion bekommt Hütter 10000 Einheiten Epo verabreicht - das 300-Fache des körpereigenen Normalwerts. Bei einer ersten Ausfahrt spürt der Zeit-Redakteur nichts. Erst vier Tage später beginnt er zu verstehen, «was Epo im Radsport bewirkt hat«. Hütter nimmt steile Anstiege ohne Mühe, hängt seine (ungedopten) Trainingskameraden ab.

Nach einer Woche ist der Test vorbei. «Ich habe erfahren, wie pervers einfach Doping sein kann«, schreibt der Autor, «und wie groß die Verlockung in einem System sein muss, in dem es fast alle tun.« Hütter hat abgebrochen, für andere fängt das Experiment mit der Wunderdroge erst an.

Gedopte Renner als Vorbild

Zumindest behauptet das Jan Schur. «Sie nehmen die gedopten Renner nach wie vor zum Vorbild«, warnt der zweimalige Teilnehmer der Tour de France. Deshalb sieht er das wachsende Feld der Hobby-Fahrer auch bei der diesjährigen Deutschland-Tour, die am Freitag in Fürth haltmacht, mit gemischten Gefühlen.

«So verdorben wie das gesamte Umfeld ist, müsste man Radsport von allen Sendern nehmen, um den Breitensport zu schützen«, fordert der 44-Jährige. «Wie viele Jedermänner an Folgen von Doping sterben, werden wir nie erfahren.« Sogar vor dem Bundestag hat Schur bereits über die Gefahr des Dopings im Breitensport referiert - und fand nur wenig Gehör.

Epo bringt Umsatz

Dabei gibt es Zahlen, die darauf schließen lassen, dass Doping längst nicht nur ein Problem des Spitzensports ist. Epo ist eines der weltweit umsatzstärksten Medikamente. Im Radsport verrückten Italien würde die verkaufte Menge an Epo für 40000 Patienten reichen - tatsächlich leben dort nur 3000 Therapiebedürftige.

Ist Doping also auch unter Hobbysportlern weit verbreitet? «Davon muss man leider ausgehen. Die Versuchung ist groß, mit dem eigenen Körper zu experimentieren«, meint Dietmar Luppa. Der renommierte Professor für Sportbiochemie und Sportphysiologie an der Universität Leipzig verweist darauf, dass Präparate und Anleitungen leicht zu bekommen sind. Es existieren sogar zahllose Bücher, die sich explizit an Freizeitsportler richten.

Was kostet ein Sieg?

Im Radsport weiß man längst, was manche Siege wert sind. Doch selbst die tränenreichen Beichten einstiger Idole haben an der Begeisterung der Hobbyfahrer kaum etwas geändert. Und die Bedeutung der Jedermann-Rennen wächst. Kaum ein Veranstalter verzichtet auf sie. Jedermann-Rennen bringen Werbung und Einnahmen.

Bei der Deutschland-Tour kann jeder in Sölden den 13 Kilometer langen Schlussanstieg der gestrigen Etappe fahren. Der Veranstalter fordert dazu auf, sich mit den Profis zu vergleichen und vermeldet stolz, dass der Sieger des Jedermann-Zeitfahrens im Vorjahr nur sechs Minuten langsamer war als der Sieger bei den Profis - und 125. geworden wäre. «Dabei sollten sie sich lieber nicht am Hochleistungssport orientieren«, kritisiert Schur.

Risiko für die Gesundheit

Epo kann Schlaganfälle oder Herzinfarkte verursachen; Anabolika schwere Leberstörungen. «Die Nachrichten von der weiten Verbreitung des Dopings können verhängnisvolle Auswirkungen haben«, glaubt Luppa.

«Da denkt mancher, dass die Risiken gar nicht so schlimm sein können, wenn in manchen Sportarten fast jeder gedopt hat, aber über gesundheitliche Folgen nur selten berichtet wird.« Deshalb warnt Schur: «Zusätzliche Warnhinweise auf den Medikamenten könnten eher als Aufforderung missverstanden werden.«

Auch Professor Jürgen Reul hat sich nicht abschrecken lassen. Der Chefarzt der Neuro-Radiologie im Klinikum Siegen fuhr zweimal die berühmten 21 Serpentinen nach Alpe d‘Huez hinauf - ungedopt und gedopt. Beim zweiten Mal war er vier Minuten schneller und fühlte sich, «als wäre ich mit einem Hilfsmotor hoch gefahren«.

Reul kam sich mies vor, weil er nicht das Gefühl hatte, eine eigene Leistung vollbracht zu haben. Und: «Wer so etwas macht, der ist ein Kamikaze-Fahrer. Die Leute unterschätzen das Risiko.«

Michael Heinrich (dpa) und Sebastian Böhm