Ehrgeizig: Nürnbergs Wurfdoktor legt los
18.6.2014, 12:44 UhrVon Lucca Staiger heißt es, dass er den perfekten Wurf beherrscht. Das bedeutet nicht, dass der Nationalspieler in Diensten des FC Bayern München jeden Wurf trifft, die Wahrscheinlichkeit aber ist höher als bei anderen Spielern, weil Staiger technisch so sauber wirft. Eine solche Fertigkeit ist nicht angeboren, Staiger hat das gelernt, bei einem Spezialisten. Deutschlands bekanntester Wurfdoktor ist Holger Geschwindner, der sagenumwobene Mentor von Dirk Nowitzki. Unter Experten aber gleich dahinter wird mittlerweile Ralph Junge gehandelt, 45 Jahre alt, neuerdings Trainer und sportlicher Leiter des Zweitligisten rent4office Nürnberg.
Treffsicherheit = ausbaufähig
Am Dienstag wurde Ralph Junge offiziell vorgestellt, nach der Pressekonferenz sollte der einstige Zweitligaspieler für die Fernseh- und Fotokameras nebenan noch ein bisschen auf einen Korb werfen. Also warf Junge, technisch perfekt, aber traf nicht, einmal nicht, zweimal nicht, dreimal nicht. Stets prallte der Ball gegen den Ring, erst nach dem fünften Versuch erlöste ihn jenes wunderschöne Geräusch, wenn Leder durch Nylon rauscht. Junge lachte danach, so sympathisch, wie man es von keinem ähnlich erfolgreichen Basketballtrainer kennt, aber man sollte sich von diesem Lachen nicht täuschen lassen. Junge haben diese Fehlwürfe geärgert, das Lachen scheint seinen Ehrgeiz nur zu kaschieren. Vielleicht lässt sich so erklären, warum er nun in Nürnberg arbeitet.
Junge hat an der Urspringschule in Schelklingen „aus einer Schnapsidee in der Sportlerklause von Albstadt“ ein Nachwuchskonzept entwickelt, das in Deutschland als einzigartig gilt und das mehr wertvolle Bundesligaspieler hervorgebracht hat, als das so mancher Bundesligist mit einem Vielfachen an finanziellen Möglichkeiten geschafft hat. Es war keineswegs übertrieben, dass Junge von David Schweiger, Nürnbergs Team-Manager, als „eine der größten Kompetenzen im deutschen Basketball“ vorgestellt wurde. Doch warum hat dieser Mann nicht gleich eines der Angebote aus der ersten Liga angenommen, die ihm seit Jahren vorgelegt werden? Warum bleibt er seinem Erfolgsprojekt nicht treu, obwohl es ein Team hervorgebracht hat, das nachweislich sportlich mit Nürnberg mithalten kann? Warum wechselt er nach Nürnberg, wo diverse Basketballenthusiasten mittlerweile seit Jahrzehnten daran scheitern, nachhaltige Strukturen zu entwickeln? Vielleicht gerade deshalb.
Chavis bleibt - als Co-Trainer
„Mir macht es Spaß, etwas aufzubauen“, erklärte Junge, redete vom „Rieseneinzugsbereich“, von den Möglichkeiten einer Großstadt, davon, dass er „ein größeres Potenzial“ sehe „als bei manchem Erstligisten“ und gab gerne zu, dass in seiner Vita – trotz keinesfalls ausgeprägter „Erstliga- Geilheit“ – noch ein Erstliga-Engagement fehle. Entscheidend aber war wohl der Satz, dass es bislang niemandem gelungen war, „das Potenzial dieser Stadt abzuschöpfen“. Dem unvergessenen Stephan Harlander nicht, dem idealistischen Alex Krüger nicht, noch nicht einmal Bambergs Manager Wolfgang Heyder und auch nicht Alexander Lolis, dem Geschäftsführer von rent4office, dessen freundschaftliches Verhältnis zu Junge den Wechsel erst möglich gemacht hat.
Dabei hat Nürnberg viele talentierte Spieler hervorgebracht, Nationalspieler wie Bastian Doreth oder Bundesliga- Stammspieler wie Stephan Schmidt und Johannes Richter oder die jüngere Generation, die Bamberg beinahe vollständig abgeworben hat. Künftig sollen solche Spieler alle in Nürnberg spielen, nach „drei bis fünf Jahren“ gerne in der Bundesliga, damit auch die Kooperation mit der Urspringschule, wie geplant, möglich ist. Die kommende Saison soll erst einmal „ein Übergangsjahr“ werden, weil die interessanten jungen, deutschen Spieler „entweder in Ehingen“ unter Vertrag sind oder „als Busfahrer“ bei Bundesligisten angestellt sind.
Junge geht trotzdem davon aus, dass „drei, vier Spieler wegen mir nach Nürnberg wechseln“ werden. Mit Michael Fleischmann, dem Nürnberger Sebastian Schröder und dem neu verpflichteten US-Amerikaner Dan Oppland hat der Club drei erfahrene Spieler unter Vertrag, drei weitere Ausländer sollen dazukommen, Ahmad Smith liegt ein Angebot vor, Routinier Will Chavis wird Junge künftig als Co-Trainer unterstützen. Aber egal, wer künftig für Nürnberg aufläuft, er wird technisch sauber werfen – und treffen. Man sollte sich von den ersten Fehlwürfen des Wurfdoktors nicht täuschen lassen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen